I.                 Â
Im Jahre 1945 veröffentlichte Friedrich August von Hayek den Aufsatz „The Use of Knowledge in Society“.[1] Es sollte einer jener seltenen Standardaufsätze werden, die auch nach Jahrzehnten zitiert, gelesen und diskutiert werden. Dieser Artikel markiert einen Wendepunkt in Hayeks wissenschaftlicher Entwicklung. Er wandte sich von seinen geldtheoretischen (auch geldgeschichtlichen) und konjunkturtheoretischen Arbeiten der Vorkriegszeit ab und befasste sich intensiver mit grundsätzlichen Fragen nach dem „Wesen“ der marktwirtschaftlichen Ordnung. Seine vormals rein ökonomischen und wirtschaftspolitischen Fragestellungen hatte er dabei nicht aus dem Blick verloren, aber Hayek wurde mehr und mehr klar, dass er sich einen allgemeineren theoretischen Standpunkt erarbeiten musste, um zu praktischen ökonomischen Fragen etwas Gültiges sagen zu können. Es beschäftigen ihn Fragen wie diese: Wie koordiniert eine marktwirtschaftliche Ordnung millionenfache Pläne von Personen, die sich nicht kennen? Was müssen Personen wissen, um sich in eine solche Ordnung mit ihren wirtschaftlichen Handlungen erfolgreich eingliedern zu können? Welche Schranken müssen Personen und Firmen in ihren wirtschaftlichen Handlungen auferlegt werden, damit diese Ordnung funktionieren kann? Welche Aufgaben fallen dem Staat darin zu? In welcher Weise stellt die Freiheit eine Ressource für die Ordnung dar oder vermag sie, wie viele Kritiker mutmaßen, die Ordnung auszuhöhlen? Stellt der Staat einen Ordnungsgaranten dar oder könnte er mit seinem Machtmonopol die marktwirtschaftliche Ordnung selbst zerstören, zumindest empfindlich beeinträchtigen? Welche Frustrationstoleranz sollten die Menschen, die in einer solchen Ordnung wirtschaften, aufbieten, was die Ordnungsergebnisse, zum Beispiel die Verteilung von Einkommen, betrifft? Muss eine marktwirtschaftliche Ordnung Wohlstandsergebnisse „liefern“ oder sind die Menschen ganz allein für ihren Wohlstand verantwortlich, wenn nur gewisse Regeln der Ordnung einmal hergestellt sind? Welchen Zeithorizont sollten wir wählen, um über den Erfolg einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu befinden und Ordnungsalternativen – zum Beispiel eine Variante von Sozialismus – in Erwägung zu ziehen? Könnte es sein, dass kurzfristige, sogar verständliche Frustrationen über die Ergebnisse einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu schwerwiegenden politischen Fehlentscheidungen führen, nur weil wir Anpassungsprozesse nicht abwarten können?