Managergehälter: Ökonomisches Rätsel, politisches oder ethisches Problem?

1. Der Wert des Menschen ist sein Preis?

Im Leviathan (Hobbes (1976), § 10, 67) heißt es, „die Geltung oder der Wert eines Menschen ist wie der aller anderen Dinge sein Preis.“ „Und wie bei anderen Dingen, so bestimmt auch bei den Menschen nicht der Verkäufer den Preis, sondern der Käufer. Denn mag jemand, wie es die meisten Leute tun, sich selbst den höchsten Wert beimessen, so ist doch sein wahrer Wert nicht höher, als er von den anderen geschätzt wird“ (Hobbes (1976), § 10, 67).

Wenn jemand Vorständen hohe Bezüge zahlt, geschieht das freiwillig. Die Festlegung dessen, was „preiswert“ ist, geht insoweit Dritte nichts an. Trotzdem wirft die Entwicklung der Vorstandsbezüge eine Vielzahl von Fragen auf.

2. Welche Steigerungen haben die Managergehälter in den letzten Jahren de facto erfahren?

In dem Zeitraum von 1987 bis 2005 hat es eine deutliche Steigerung der Vorstandsbezüge pro Kopf in deutschen DAX30-Unternehmen um durchschnittlich 445% gegeben. Davon entfällt auf 1994 bis 2005 sogar eine Steigerung „um durchschnittlich immerhin 331%“ (Schmidt and Schwalbach (2007), 118). Im Vergleich zu der Vergütung der Mitarbeiter in den betreffenden Unternehmen verdient ein Vorstandsmitglied in den DAX30-Unternehmen im Jahr 2006 im Durchschnitt das 44-fache eines Mitarbeiters, während es vor zehn Jahren noch das 19-fache und vor fünf Jahren immerhin ,nur’ das 25-fache war (Schwalbach, 2008). Man erkennt wie in den USA den Trend zu einem verschärften Anstieg seit Mitte der neunziger Jahre.

Es geht bezogen auf die Gewinne der Unternehmen nicht nur um „peanuts“. Bebchuk und Fried (2006a) berichten, dass der Anteil an den Nettoerträgen, der jeweils auf die fünf bestbezahlten Manager amerikanischer Kapitalgesellschaften entfiel, im Zeitraum von 1993 bis 2003 etwa 6,6% betrug – in absoluten Zahlen 350 Milliarden $ nach der Kaufkraft des Jahres 2002 gerechnet. Dieser Anteil stieg für die Jahre 2001 bis 2003 auf 9,8% an, während er im Zeitraum von 1993 bis 1995 nur 5% betrug.

3. Waren die Steigerungen mit der Qualität der Leistungen korreliert?

In ihrer verdienstvollen Meta-Analyse von Studien zu Vorstandsbezügen konstatieren Rost und Osterloh (vgl. Rost and Osterloh (2007)) einen vollkommenen Fehlschlag der Anstrengungen, die Gehälter des Top-Managements anreizkompatibel zu gestalten. Schmidt und Schwalbach (2007) bestätigen den generellen Befund für deutsche Unternehmen. Bebchuk und Fried gelangen zwar zu der gleichen Folgerung (vgl. Bebchuk and Fried (2006a)), kritisieren jedoch nicht wie Rost und Osterloh, dass überhaupt Anreize geboten werden, sondern dass sie auf „verkehrte“, ihren eigenen Zweck pervertierende Weise eingeführt werden. Rost und Osterloh argumentieren demgegenüber mit einer kontraproduktiven Wirkung von Anreizsystemen als solchen (unter Berufung auf so genannte Verdrängungs- oder „crowding out“ Effekte; vgl. Frey (1997)). Was hier richtig ist, kann erst geklärt werden, wenn man erklären kann, wie und warum es zu den Steigerungen kam. Diese Frage ist aber nach wie vor offen.

4. Wie kann man die Steigerung der Vorstandsgehälter erklären?

Nach einem bekannten Diktum ist Inflation wie Schwangerschaft: es gibt viele Erklärungen, doch nur eine Ursache. Die Inflation der Managergehälter hat demgegenüber vermutlich nicht nur viele Erklärungen, sondern auch verschiedenste Ursachen, über die man spekulieren darf und muss, wenn man eine sachliche Diskussion führen will.

Globalisierung. Die Ausweitung von Märkten und der internationalen Konkurrenz scheinen dazu geführt zu haben, dass Chancen wie Risiken von unternehmerischen Tätigkeiten sich ausweiteten und eine erhöhte Dynamik entstand, die den dispositiven Faktor insbesondere an der Spitze eines Unternehmens wichtiger werden ließ. Selbst eine gefühlte Erhöhung von Volatilität und Unsicherheit reichen bereits aus, um die Nachfrage nach einer Art Versicherung in Form guten Managements zu steigern. Man beruhigt sich psychologisch wohl mit dem Gedanken, dass man es jedenfalls an Zahlungsbereitschaft nicht fehlen ließ und wertet den hohen Preis, den man selbst zahlt, zirkulär als Qualitätsindikator.

Insignifikanz des Vorstandsentgelts. Da sich die Beiträge für Vorstandsbezüge letztlich auf viele Anteilseigner und eine hohe Marktkapitalisierung verteilen, sind sie relativ zu dem, was durch gute beziehungsweise schlechte Vorstände bewirkt werden kann, von untergeordneter Bedeutung. Ähnliches gilt für die Arbeitnehmer eines Unternehmens. Ein einfaches Gedankenexperiment illustriert dies: Man stelle sich vor, 10.000 Mitarbeiter verdienen jeweils netto 50.000 Euro im Jahr. Es werden 1.000 Stellen fortfallen, wenn man nicht effizienter wirtschaftet. Ohne Job falle das Einkommen auf 20.000 Euro. Nehmen wir auch an, es werde einfach fair ausgelost, wen der Jobverlust trifft. Dann betrüge der erwartete monetäre Wert des Verlustes 1/10 (30.000€)= 3.000€. Jeder Mitarbeiter könnte z.B. auf 300€ im Jahr verzichten, um den Retter zu „ködern“. Es ergäben sich 10.000 x 300€ =3 Millionen Euro. Wie das deutsche Beispiel zeigt, zieht die Logik dieses Argumentes auch in mitbestimmten Unternehmen.

Beratungsmode und neue institutionelle Anleger. Intellektuelle Moden unter Managementberatern darf man nicht unterschätzen. Beratungsfirmen, die sich an Principal Agent-Theorien orientierten, könnten das Geschehen nachhaltig beeinflusst haben (vgl. den bereits erwähnten Beitrag von Rost und Osterloh (2007)). Das Nämliche gilt für die Rolle der Pensionsfonds und ähnlicher Anleger, die womöglich gefordert haben könnten, das Management von Unternehmen auszuwechseln und dafür für einzelne Manager beachtliche, für das Gesamtaufkommen des Unternehmens jedoch unwesentliche Beträge zu zahlen. Es bleibt aber zu fragen, warum ausgerechnet jetzt?

Zusammenspiel von Wirkungslosigkeit der Entgelthöhe und Beratungsmode. Analog zu frei variierenden Anlagen in der biologischen Evolution könnte es mit Bezug auf die Gewinnfunktion und die davon bewirkten Effekte auf das Überleben bzw. den Untergang von Unternehmen eine weitgehend unwirksame Variierbarkeit der Vorstandsgehälter geben. Zu dieser „Sanktionslosigkeit“ im Markt müsste aber noch ein Faktor treten, der erklärt, warum die Gehälter nahezu überall gleichermaßen angestiegen sind. Der Verweis auf eine Managementmode beziehungsweise eine Beratungsmode würde in diesem Kontext Sinn ergeben. Der Mode stünden keine kontrollierenden Rückkopplungseffekte entgegen und sie könnte sich daher entfalten. Trotzdem bleibt immer noch zu fragen, warum gerade jetzt?

Unternehmensinterne Tournaments.
Es wäre möglich, dass die Wirkung der hohen Vorstandsbezüge unternehmensintern vor allem auf die Motivation von niedrigeren Managementebenen wirkt, die sich alle im Kampf um die Spitzenpositionen übermäßig selbst ausbeuten (vgl. Levitt and Dubner (2006), zu einem ähnlichen Argument unter Chicago crack-dealern). Man beachte, dass die Effizienzsteigerung nicht durch die Anreize für die eigentlichen Top-Manager und die bessere Ausrichtung von deren Verhalten an den Interessen der Aktionäre, sondern durch die Anreize für andere Individuen im Unternehmen zustande kommt. Die Truppen kämpfen besser für das Unternehmen, weil sie untereinander, intern um den Jackpot konkurrieren und das ist durch externe internationale Konkurrenz selbst wichtiger geworden.

Kapitalmärkte und Managermacht. Wenn erstens wirklich anreizkompatible Entgeltsysteme bekannt sind, wenn zweitens geglaubt wird, dass diese Entgeltsysteme zu einer nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswertes für die Anteilseigner führen, wenn drittens eine Konkurrenz um Kapital existiert, warum haben sich dann nicht Unternehmen gefunden, die es mit einer entsprechenden Innovation ihrer internen Strukturen versucht hätten? Warum haben wir demgegenüber überall Entgeltschemata, die nicht die aus ökonomischer Sicht richtigen Anreize bieten?

Vorständen von Unternehmen gelang es augenscheinlich, Machtpositionen aufzubauen, in denen sie von Kontrollmechanismen abgeschottet sind (vgl. insbesondere Bebchuk and Fried (2006a), Bebchuk and Fried (2006b)). Das ist aber selbst ein erklärungsbedürftiges Phänomen. Es ist unplausibel, dass in allen Ländern in gleicher Weise über zentrale Rechtsregeln die wechselseitige Begünstigung der Unternehmenseliten, bei denen Aufsichtsräte und Manager gemeinsame Sache in der Managerentlohnung machen, ermöglicht wurde, wenn es dafür nicht einen Effizienzgrund gibt (vgl. zum rent-seeking allgemein, Rowley et al. (1988)).

5. Wie kann man das gesteigerte Interesse an steigenden Managergehältern erklären?

Wirkliche oder vermeintliche Stars der Musikszene verdienen Summen, die zunächst in den gleichen Bereichen liegen wie die von Vorstandsmitgliedern von Großunternehmen (vgl. dazu „Manager, Stars und Gehaltsobergrenzen“ von Norbert Berthold). Vorstandsgehälter werden aber kritischer gesehen als die Gagen von Stars. Vielleicht liegt das daran, dass man Stargagen ausschließlich im Konsum der Star-Leistungen finanziert. „Man“ sieht sich nicht in der Verteilungskonkurrenz mit Mediengrößen, mit anderen Gehaltsbeziehern hingegen schon.

Die Empörung über die Höhe der Vorstandsbezüge könnte eine Art „Angestellten-und-Beamten-Empörung“ über gefühlte Statuszurücksetzungen sein. Die Professorenschaft etwa, die bereits die Kränkung der Inflationierung von Professorentiteln und Professorenstellen hinnehmen musste, wird vermutlich die krassen Einkommensdisparitäten besonders verurteilen. Die Journalisten, die sich aufgrund der ihnen gewidmeten medialen Aufmerksamkeit positional noch einigermaßen in der gleichen Liga fühlen durften wie das Spitzenpersonal der Wirtschaft, müssen sich relativ zum Spitzenpersonal zurückgesetzt fühlen. Auf einmal entdecken alle ihr gutes Herz und weinen Krokodilstränen über die Schlechtestgestellten während es ihnen doch unbewusst um die eigenen Statusgüter geht (vgl. auch Frank (1985)).

6. Sollten wir aus politisch-ethischen Gründen eingreifen?

Symbolpolitisch könnte es vielleicht nötig werden, etwas gegen die hohen Vorstandsbezüge zu unternehmen, um nicht das ganze System der sozialen Marktwirtschaft zu gefährden. Da Risiken und Nachteile einer politischen Intervention auf der Hand liegen, liegt die Beweislast bei jenen, die solche Interventionen verfechten wollen. Um die Beweislast einzulösen, wäre es nötig, die Steigerung der Vorstandsbezüge erst einmal zu erklären, um Politikwirkungen abschätzen zu können.

Was die Gerechtigkeit anbelangt muss man sich fragen, inwieweit beispielsweise die Einkommen des Vorstandes von Siemens einen Arbeitnehmer von, sagen wir, RWE betreffen. Wenn der Arbeitnehmer von Siemens meint, dass er im Vergleich mit dem Vorstand von Siemens ungerechterweise zu wenig an dem gemeinsam erwirtschafteten Kuchen beteiligt wird, dann kann er in der Tat auf ein gemeinsames Projekt verweisen. Immerhin handelt es sich um ein gemeinsames Wirtschaften, bei dem aus dem gemeinsam erwirtschafteten Produkt über die vertraglich jeweils vereinbarten Größen hinaus Zahlungen erfolgen, die das nicht zurechenbare Zusatzprodukt an die Beteiligten verteilen.

Mit Bezug auf die Volkswirtschaft insgesamt von einem gemeinsam erwirtschafteten Produkt zu sprechen, das es im nachhinein über und teilweise gegen die bereits vertraglich von den wirtschaftenden Individuen vereinbarten Anteile hinaus zu verteilen gilt, erscheint hingegen nicht gerade nahe liegend (vgl. zur klassischen Kritik daran Hayek (1973-79)). Wir sollten uns in der Politik nach allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen nur als einem Mittel richten, um den Rechtsstaat und den Primat der Freiheit zu wahren (vgl. dazu Rawls (1975)) und nicht um Verteilungsgerechtigkeit auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene zu erreichen, auf der sie wenig zu suchen hat (vgl. auch Kliemt (1998)).

Kein Aktionär ist gezwungen, eine Aktie von einem Unternehmen zu kaufen, das seinen Vorständen „zu hohe“ Gehälter zahlt oder deren Bezüge nicht veröffentlicht. Wenn man einen gesetzlichen Eingriff mit dem Argument fordert, dass Aktionäre ein entsprechendes Kollektivgutproblem der Gehaltskontrolle nicht lösen können, dann ist das nur einleuchtend, wenn man gegenüber der Funktionsweise von Kapitalmärkten als Kontrollinstanz von Unternehmensführungen insgesamt skeptisch ist. Ohne Frage haben Kapitalmärkte Mängel, aber es gibt keine überlegene realistische politische Alternative zu diesen Märkten. Neben Markt- gibt es immer Politikversagen (Buchanan (1999)). Es bedarf wenig Phantasie, um vorauszusehen, dass Politik versagen wird, wenn wir ihr auch noch die Befugnis zuerkennen, Vorstandsbezüge zu regulieren. Pikanterweise sind die Vorstandsbezüge gerade in denjenigen Unternehmen relativ stark gestiegen, in denen die Politik in den Aufsichtsgremien stark vertreten ist (vgl. Schwalbach, 2008).

Eine Ablehnung des politischen Eingriffs bedeutet aber keineswegs den Verzicht darauf, Vorstände an das alte Ideal des ,Ehrbaren Kaufmanns’ und Tugenden der Mäßigung und Vernunft zu erinnern. Diese Erinnerung an Maßstäbe, die heute wie stets gelten, tut in der Tat Not (vgl. Schwalbach und Fandel (2007) und Klink (2008)).

7. Literatur

Bebchuk, L. A. and Fried, J. (2006a): Pay without Performance: Overview of the Issues. Academy of Management Perspectives (February), 5-24.

Bebchuk, L. A. and Fried, J. (2006b): Pay without Performance: The Unfulfilled Promise of Executive Compensation. Cambridge.

Buchanan, J. M. (1999): The Logical Foundations of Constitutional Liberty, vol. 1. Indianapolis.

Frank, R. (1985): Choosing the Right Pond. Oxford.

Frey, B. S. (1997): Not Just for the Money. An Economic Theory of Personal Motivation. Cheltenham.

Hayek, F. A. v. (1973-79): Law, Legislation and Liberty: A New Statement of the Liberal Principles of Justice and Political Economy. London and Henley.

Hobbes, T. (1976): Leviathan. Frankfurt.

Kliemt, H. (1998): Distributive Justice. In: Peter Newman (Ed.), The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law. Macmillan Reference Limited, London, pp. 630-635.

Klink, D. (2008): Der ehrbare Kaufmann. Das ursprüngliche Leitbild der Betriebswirtschaftslehre und individuelle Grundlage für die CSR-Forschung, Discussion Paper 2008-3, Institut für Management, Humboldt-Universität zu Berlin.

Levitt, S. and Dubner, S. J. (2006): Freakonomics. A Rogue Economist Explores the Hidden Side of Everything. London et al.

Rawls, J. (1975): Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt.

Rost, K. and Osterloh, M. (2007): Management Fashion Pay for Performance, SSRN. University of Zurich – Institute for Organization and Administrative Science and University of Zurich – Institute for Organization and Administrative Science.

Rowley, C. K., Tollison, R. D. and Tullock, G., Eds. (1988): The Political Economy of Rent-Seeking. Kluwer Academic Publishers, Boston, Dordrecht, Lancaster.

Schmidt, R. und Schwalbach, J. (2007): Zur Höhe und Dynamik der Vorstandsvergütung in Deutschland. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Special Issue, Nr. 1, 111-122.

Schwalbach, J. (2008): Vergütungsstudie 2008. Vorstandsvergütung und Personalkosten der DAX30-Unternehmen, 1987-2007, Institut für Management, Humboldt-Universität zu Berlin.

Schwalbach, J. und Fandel, G., Eds. (2007): Der Ehrbare Kaufmann. Modernes Leitbild für Unternehmen?, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Special Issue Nr. 1.

2 Antworten auf „Managergehälter: Ökonomisches Rätsel, politisches oder ethisches Problem?“

  1. Die ’neuen‘ Asozialen?

    Dass die Gier der Menschen schlicht unendlich sei, mag man sich auch schon gedacht haben, bevor jüngst brisantes Material – längst schon aus dem sicheren Liechtestein entkommen – auf leicht anrüchige Weise bei der Steuerfahndung landete und belegte, dass die, die genug haben, dennoch nicht genug zu haben glauben. Oder doch zu der kavaliersmäßigen Ansicht neigen, dem Staat nach Möglichkeit das entziehen zu dürfen, was ihm von Rechts wegen zusteht, aber im verklärten Blick des ‚Machers‘ doch eigentlich bloß ihm.

    Zu lang und zu breit aber ist die Spur krimineller Machenschaften, in denen sich die Spitzen der Managerkaste in die eigenen Taschen gewirtschaftet haben oder – mit freilich nicht weniger deplatzierten Aktionen – dem Unternehmen selbst ‚Gutes‘ tun wollten, um hier noch von Einzelfällen und von den üblichen Entgleisungen einiger allein zu reden.

    Dass „Egoismus (…) sicherlich eine Triebfeder in unserem marktwirtschaftlichen System (sei, …) aber dort seine Grenzen finden (muss), wo er dem Gesamtwohl schadet“, hat schon 2006 einer der deutschen Vorzeigemanager, Wendelin Wiedeking, in der ‚Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung‘ (24.09.2006, Nr. 38 / Seite 42) angemahnt. Ob in Sonntagszeitungen, aber nicht nur dort, notgedrungen Sonntagsreden gehalten werden müssen, ist eine müssige Frage. Fest steht jedenfalls, dass ein Gemeinwesen im Kern auseinanderbricht, wenn in der Folge struktureller Ungleichheit und Ungerechtigkeit mithin sich obendrauf noch plumpe und dreiste Bereicherungsstrategien bei einigen von denen breit machen, die doch schon auf ’normalem‘ Wege üppiges Zubrot in den letzten Jahren aufgetan haben:

    „In dem Zeitraum von 1987 bis 2005 hat es eine deutliche Steigerung der Vorstandsbezüge pro Kopf in deutschen DAX30-Unternehmen um durchschnittlich 445% gegeben. Davon entfällt auf 1994 bis 2005 sogar eine Steigerung „um durchschnittlich immerhin 331%“ (Schmidt and Schwalbach (2007), 118). Im Vergleich zu der Vergütung der Mitarbeiter in den betreffenden Unternehmen verdient ein Vorstandsmitglied in den DAX30-Unternehmen im Jahr 2006 im Durchschnitt das 44-fache eines Mitarbeiters, während es vor zehn Jahren noch das 19-fache und vor fünf Jahren immerhin ,nur’ das 25-fache war (Schwalbach, 2008).“
    (Quelle: http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=103)

    Hier ist nicht der Ort, um grundsätzlich die Frage nach der Angemessenheit solcher Vergütung (die sicher eine ethische Dimension besitzt wie ebenso die Frage nach der ‚Qualität‘ der Arbeit, die gegen solche Entlohnung erbracht wurde wie wird, einschließt) zu stellen.

    Viel kritischer und in Kern asozial ist eher die Zeitstimmung, die solchem nur scheinbar privatem asozialen Verhalten Vorschub leistet. Es seien die ‚Eliten, die das System zum Einsturz bringen‘, folgerte Peer Steinbrück zugespitzt. Angesichts einer sozialen Schieflage, da man Hartz IV Empfängern recht gnadenlos selbst ihre mageren Almosen kürzt, in den oberen Etagen aber der Rubel kräftig rollt, ist die Frage zu stellen, ob das eine nicht mit dem anderen zuinnerst zusammenhängt. Ungeachtet der Frage, ob man hier mit dem Elitebegriff operieren darf, ist sicher richtig, dass so endgültig vorexerziert wird, was man doch schon als unsinniges, jedenfalls historisch überholtes Vorurteil in die Abfalltonne zu werfen dürfen glaubte: das marktwirtschaftliche System in der vorliegenden Form und die soziale Ordnung gleich mit seien an sich integer.

    Dass man die einen mit der Agenda 2010 nieder macht, die anderen aber, sozusagen im dahergelogenen Allgemeinwohlinteresse ‚machen‘ lässt, damit es irgendwie und irgendwo und irgendwann ‚allen‘ besser geht, führt wohl offensichtlich in zweiter Reihe dazu, dass, wie Lieschen Müller es sich vielleicht doch nicht ganz zu Unrecht denkt, einige dann auch zu machen glauben dürfen (und können), was sie wollen.
    Dass die, die nichts haben und vor allem keine Chance, dennoch mit absurden Anordnungen drangsaliert werden und im Verfehlensfall das Wenige, was sie haben, noch weggekürzt werden darf, scheint so soziopathologisch bei denen, die mehr haben, als zu mehreren Leben nötig ist, in den Reflex zu münden, vollends enthemmt sich gebärden zu dürfen. Schließlich hat man es sich verdient. Schließlich hat man doch vorweg eine Art Heiligenschein oder sollte als eine Art Volksheld gelten, der die Karre aus dem Dreck ziehe. Da braucht man es nicht so genau zu nehmen.

    Damit kein Missverständnis entsteht: Der Autor ist durchaus der Ansicht, dass eine große Mehrheit integerer Unternehmer und Manager ihren unverzichtbaren Teil dazu beitragen, dass es diesem Land wirtschaftlich besser geht. Und auch, dass sie die soziale Schieflage erkennen und längst schon darüber nachdenken – jenseits aller Egoismen und parteiischen Interessen -, wie ein tragfähiger sozialer Ausgleich geschaffen werden könnte. Es hat auch nicht an harschen Worten aus den Reihe der Wirtschaftsverbände gemangelt angesichts der Nestbeschmutzer. Aber es wäre an der Zeit, dass das, was man nur mit Mühen private Entgleisungen nennen darf, darauf zurückgeführt wird, was noch (?) politischer Konsens zu sein scheint: Die Agenda 2010 tue gut und wirtschaftlicher Aufschwung nehme alle mit. Dass das eben so nicht ist, so scheint es, zeigt sich nicht nur unten (und da ist es sozusagen das erwartbare Protestgeschrei, das nun einmal dazu gehört), sondern vor allem oben. Und deshalb wird aus den Einzelfällen ein deftiges Politikum. Und eine Chance auf Besinnung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert