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Junge Ordnungsökonomik
Informelle Institutionen im Transformations-prozess

Motivation

Nach erfolgreich verlaufenen Revolutionen wie jüngst in Ägypten kommt es oftmals in den betroffenen Ländern zu Problemen bei der Ausgestaltung des neuen politischen Systems. Vereint in ihrer Abneigung gegen die herrschenden Zustände, sehen die höchst unterschiedlichen Gruppen der Aufständischen zu der Zeit oft über Differenzen der politischen Anschauungen großzügig hinweg. Verschwindet das gemeinsame Feindbild hingegen nach geglückter Revolution, bekommen diese unterschiedlichen Ansichten eine größere Bedeutung und die Personengruppen, die vormals gemeinsam das herrschende System abgelehnt haben, stehen sich in der Folge auch untereinander ablehnend gegenüber.

Die Entscheidung, welches politische System ein Land nach einer Revolution adaptieren sollte, ist dabei keineswegs trivial. In der jüngeren Geschichte gibt es immer wieder Beispiele, bei denen eine Veränderung des Systems nicht die gewünschten Ergebnisse hervorgebracht hat. Eines der prominentesten Beispiele ist der Transformationsprozess in Osteuropa. Hier versuchte man nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, viele formelle Institutionen aus dem wirtschaftlich erfolgreichen Westeuropa zu übernehmen und man erhoffte sich eine ähnlich positive Entwicklung der Länder. Jedoch hat man dabei nicht beachtet, dass diese formellen, also die kodifizierten und deshalb von Menschen geplanten und erdachten Institutionen, nicht zu den informellen dieser Länder passten. Diese informellen Institutionen sind eben nicht geplant, sondern bilden sich evolutorisch über Jahre hinweg und lassen sich nur mit sehr großem Aufwand und entsprechender Zeit ändern. Eine Inkonsistenz dieser Institutionenformen führt zwangsläufig zu Problemen wie der Nichtbeachtung der formellen Institutionen, die sich in Korruption oder Schattenwirtschaft äußern kann.

Unabhängig davon, für welches System sich die Länder der arabischen Welt nach dem arabischen Frühling entscheiden, sollten sie zumindest sicherstellen, ob die potenziell zu adaptierenden formellen Institutionen zu ihnen passen, bzw. von welchen Ländern sie diesbezüglich relativ problemlos adaptiert werden könnten. Die letztliche Entscheidung für oder gegen ein politisches System ist dabei natürlich noch von vielen anderen Faktoren abhängig.

Methodik

Um den relativ schwierig zu operationalisierenden Begriff der „Informellen Institutionen“ zu-mindest approximativ messen und damit vergleichbar machen zu können, wird ein summarischer Index erstellt. Diese Indizes verfügen ob ihres übersichtlichen Charakters über eine gewisse Popularität und werden zur Berechnung unterschiedlichster Tatbestände verwendet. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist der „Shoe-Thrower-Index“ der Zeitschrift THE ECONOMIST. Dieser analysiert, in welchen muslimischen Ländern das Potenzial für eine Revolution nach Vorbild Tunesiens und Ägyptens besonders hoch ist.

Informelle Institutionen können genau wie formelle inhaltlich grundsätzlich in vier verschiedene Arten unterteilt werden: politische, rechtliche, wirtschaftliche und soziale. Dementspre-chend ist der Index auch in vier Teilindizes aufgeteilt. Eine Aggregation zu einem Gesamtindex kann am Ende vorgenommen werden, die Ergebnisse sind dann aber nur unter Vorbehalt zu interpretieren.

Um den Inhalt eines solchen Teilindexes besser nachvollziehen zu können, sei an dieser Stelle der Teilindex „politische informelle Institutionen“ in Abb.1 etwas detaillierter vorgestellt. Der Aufbau der drei anderen erfolgt analog.

Bestandteile des Teilindex [1]
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Insgesamt wurden 100 Länder in die Betrachtung aufgenommen. Vor der Auswahl wurden die Länder der Welt zunächst absteigend nach BIP/Kopf und Bevölkerungsanzahl sortiert und der Mittelwert über die beiden Platzierungen gebildet. Die 100 Länder mit den geringsten Mittelwerten wurden aufgenommen. Durch dieses Verfahren soll sichergestellt werden, dass zum Beispiel auch kleine, aber wirtschaftsstarke Länder betrachtet werden.

Ebenso hat sich herausgestellt, dass die Berücksichtigung des BIP/Kopf im Verfahren dazu geeignet ist, Probleme der Datenverfügbarkeit zu minimieren. Insbesondere ärmere Länder verfügen meist nicht über ausreichend Daten, sodass eine Aufnahme dieser Länder in eine Untersuchung mit Problemen verbunden wäre. Allerdings lässt sich dieses Problem dadurch nicht komplett umgehen, denn nicht alle Länder sind immer Bestandteil aller Studien gewesen.
Die in der Tabelle abgetragenen Fragen sind naturgemäß in Fragebögen mit unterschiedlichen Skalen gestellt worden. Um trotzdem eine Vergleichbarkeit zwischen diesen herstellen zu können, werden die absoluten Zahlen in relative umgewandelt, sodass entsprechend der inhaltlichen Richtung der Frage die höchsten Ausprägungen entweder die Werte 0 oder 100 Prozent zugewiesen bekommen und die niedrigsten respektive 100 oder 0. Die Ausprägungen dazwischen erhalten einen Wert gemäß ihrem relativen Abstand.

Damit die vier Kategorien „Vertrauen in Politiker“, „Korruption“, „Transparenz“ und „Politische Stabilität“ nicht aufgrund der unterschiedlichen Anzahl an beinhalteten Fragen unterschiedliche Gewichte erhalten, werden über die Fragen noch einmal die Mittelwerte gebildet. Dadurch erhalten alle Kategorien das gleiche Gewicht.

Wie bei jeder wissenschaftlichen Methode gibt es natürlich auch bei der Bildung summari-scher Indizes Nachteile und dementsprechend Kritik an der Vorgehensweise. Neben einer grundsätzlichen wissenschaftlicher Kritik beispielsweise an der Manipulierbarkeit der Ergebnisse durch die Auswahl der Zusammensetzung werden auch Teilaspekte kritisiert. So könnte zum Beispiel eine unzulässige Reduktion der Informationsvielfalt bestehen oder es kann argumentiert werden, dass die Datenlage die Messergebnisse determiniere. Dieser Kritik kann jedoch begegnet werden, indem die Ergebnisse nicht als exakte sondern eher als Tendenzaussagen betrachtet werden und eine möglichst hohe Transparenz bei der Zusammensetzung des Indexes angestrebt wird.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der einzelnen Teilindizes für die Länder können dafür benutzt werden, eine Clusteranalyse durchzuführen und somit Gruppen von Ländern mit ähnlichen Charakteristiken zu identifizieren. Innerhalb dieser sollte, aufgrund der Ähnlichkeit der Beurteilung der informellen Institutionen, eine Übertragung formeller Institutionen einfacher möglich sein. Hierzu wird die Methode der Cluster-Bildung nach Ward angewendet. Diese versucht den Verlust an Informationen, der notwendigerweise bei jeder Zusammenfassung von unterschiedlichen Objekten zu Gruppen entsteht, zu minimieren. Die folgende Abbildung zeigt das Ergebnis dieser Analyse.

Ergebnisse [2]
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Das Ergebnis lässt sich recht gut interpretieren. So umfasst zum Beispiel der dritte Cluster die Länder mit den besten Resultaten, wohingegen der vierte Cluster eher die sogenannten „Transition Economies“ beinhaltet. Bezogen auf die oben angesprochene Problematik der Länder Arabiens zeigt sich, dass die Länder dieser geografischen Region über eine recht eigene Charakteristik verfügen (Cluster 5) oder Teil des relativ „schlechten“ Clusters 1 sind. Eine Übertragung formeller Institutionen beispielsweise aus westlich geprägten Ländern in diese arabischen Länder ist somit nur mit äußerster Vorsicht durchzuführen. Insofern sollten Veränderungen vor allem aus dem Land selbst erwachsen.

Literaturhinweis:

Theurl, Theresia und Wicher, Jochen: „Comparing Informal Institutions“, CESifo DICE Report – Journal for Institutional Comparisons, 10 (3), S. 52-59.