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Grün, gelb, rot – tut die Ampel not?
Sollte die Lebensmittelampel in Deutschland doch eingeführt werden?

Zwar wurde die Einführung der Lebensmittelampel 2010 vom EU-Parlament abgelehnt, neue Regeln zur Lebensmittelkennzeichnung, die ab 2014 eingesetzt werden sollen, hat das EU-Parlament dennoch verabschiedet (o.V., 2011).

Ziel dieser Regeln – und auch der zunächst diskutierten Lebensmittelampel – ist es, den Verbraucher über die Inhaltsstoffe der Lebensmittel zu informieren. Da die Einführung der Ampel sowohl von Verbraucherschutzseite als auch von Ärzten und Krankenkassen gefordert wurde (o.V., 2010), soll im folgenden kurz diskutiert werden, wie eine Einführung aus ordnungsökonomischer Perspektive zu beurteilen ist.

Die Abbildung zeigt exemplarisch das System der Lebensmittelampel. Mithilfe der Farben grün, gelb und rot sollte leicht ersichtlich gemacht werden, wie hoch der Anteil an Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Salz eines Lebensmittels ist und ob der Verzehr eines solchen Produkts aus gesundheitlicher Sicht empfehlenswert ist. Argument der Verbraucherschützer um Thilo Bode von Foodwatch war dabei die einfache Verständlichkeit der Ampel, die auf einen Blick zeigt, daß z.B. Diät-Cornflakes mehr Zucker enthalten als herkömmliche Flocken. Dabei würde die Ampel vor allem Menschen mit niedrigem Bildungsniveau ansprechen und diese dazu anregen, verstärkt Produkte mit roter Kennzeichnung durch „grüne“ Produkte zu ersetzen (o.V., 2010).

Lebensmittelampel [1]
– zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken –

Aus diesem Grund sprachen sich auch, wie bereits erwähnt, Ärzteverbände und Krankenkassen für die Einführung dieser Art der Lebensmittelkennzeichnung aus (o.V., 2009). Angesichts der Tatsache, daß in Deutschland bereits 60% der Männer und 43% der Frauen übergewichtig bzw. adipös sind (Statistisches Bundesamt, 2009), mag dies auf den ersten Blick nicht erstaunen. Die Kosten der Fettleibigkeit, die dem Gesundheitssystem entstehen, werden als erheblich angesehen. Schätzungen zufolge sollen sich etwa 10% der Gesundheitsausgaben der USA auf die Folgen von Übergewicht zurückführen lassen (Finkelstein et al., 2009). Diese Werte dürften für Deutschland ähnlich hoch ausfallen.

Vor diesem Hintergrund stellen sich zwei Fragen:

1) Ist die Ampel ordnungskonform?

2) Ist die Ampel zielkonform?

Ad 1) Eine Verpflichtung zur Lebensmittelkennzeichnung in Form einer Ampel würde den freien Aktionsparametereinsatz der Produzenten einschränken. Bestimmte Verpackungsdesigns wären damit nicht mehr oder nur zu höheren Kosten realisierbar. Allerdings fällt diese Einschränkung der Freiheitsspielräume vergleichsweise gering aus – die wesentlichen Aktionsparameter Preis und Produkt sind davon nicht betroffen –, so daß eine derartige Maßnahme als weitgehend ordnungskonform anzusehen ist.[1] [2]

Ad 2) Ob die Ampel tatsächlich zu einer Veränderung des Eßverhaltens führt und auf diese Weise die Gesundheitsausgaben reduziert werden können – was an sich ja kein Ziel sein sollte, wenn durch höhere Ausgaben die Lebensqualität verbessert und die Lebensdauer verlängert werden –, scheint mehr als fraglich: Wahrscheinlich ist viel eher, daß es in bezug auf die Einführung der Ampel zu Mitnahmeeffekten kommen wird: Die Ampelkennzeichnung auf Lebensmitteln wird genau die Menschen ansprechen, die so oder so an gesundheitsrelevantem Verhalten interessiert sind. Dieses preaching to the converted läßt sich dabei in vergleichsweise ähnlichen Angeboten feststellen. So werden Angebote von Rückenschulen zur Schmerzprävention bei Rückenschmerzpatienten vor allem von solchen Personen angenommen, die ohnehin einen gesundheitsförderlichen Lebensstil führen. Die eigentlich angesprochene Zielgruppe besucht solche Rückenschulen jedoch weniger häufig (Schneider und Schiltenwolf, 2005). Analog zu diesen Ergebnissen konnte ähnliches für die allgemeine Verwendung von Lebensmittelkennzeichnungen festgestellt werden. Cowburn und Stockley (2004) haben 103 Studien mit unterschiedlichem Design und unterschiedlichem geographischen Untersuchungsfeld (Nord-Amerika und Nord-Europa) analysiert und zusammengefaßt. Das Problem der meisten bisher durchgeführten Studien im Bereich von Lebensmittelkennzeichnungen ist dabei, daß die Verbraucher um eine Selbsteinschätzung bezüglich der Nutzung von Labels gebeten werden.

Nur fünf der Studien nutzen objektive Größen, um die Nutzung zu messen, was zu großen Abweichungen bezüglich des Nutzungsgrads der Labels zwischen den zwei unterschiedlichen Studiendesigns führt: So ist der selbst eingeschätzte Nutzungsgrad der Labels wesentlich höher als der, der mithilfe objektiver Größen gemessen wurde. Weiterhin interessant ist, daß viele Verbraucher zwar angeben, die Labels zu beachten, ihr Kaufverhalten aber trotzdem nicht ändern. Auch fassen die Autoren der Studie zusammen, welcher Personenkreis vor allem Gebrauch von Lebensmittelkennzeichnungen macht: Frauen mit höherem Einkommen und höherem Bildungsgrad sowie Menschen, die eine Diät machen wollen und/oder sich für Gesundheit interessieren. Dies zeigt, daß ein preaching to the converted auch im Bereich der Lebensmittelampel zu erwarten ist. Lohnenswert ist in diesem Zusammenhang auch ein Blick nach Großbritannien. Hier wurde die Ampel 2007 eingeführt. Sacks, Rayner und Swinburn (2009) haben in einer Untersuchung, die sich auf den Verkauf von einigen Fertiggerichten und Sandwiches beschränkte und die Verkaufszahlen vier Wochen vor und nach Einführung betrachtete, herausgefunden, daß sich keine Beziehung zwischen der Einführung der Ampel und dem Verkauf gesünderer Produkte feststellen ließ. (Die Autoren haben saisonale Einflüsse, Werbemaßnahmen, Produktlebenszyklus etc. in der Studie berücksichtigt.) Auch wenn der Studie ein verbesserungsfähiges Untersuchungsdesign zugrunde liegt (nur ein Supermarkt, eine begrenzte Anzahl an Produkten, kurzer Untersuchungszeitraum), dürften auch bei einer Ausweitung der Untersuchung kaum andere Ergebnisse zu erwarten sein.

Vor diesem Hintergrund läßt sich die Entscheidung des EU-Parlaments gegen die Einführung einer Ampel nachvollziehen. Aus ordnungsökonomischer Sicht ist eine Verpflichtung der Produzenten zu genauen Nährwertangaben auf den Lebensmitteln sinnvoll, wie dies in den neuen, durch das EU-Parlament beschlossenen Regelungen geschehen ist, eine Ampel jedoch tut nicht not. Zieladäquate Ansatzpunkte wären vielmehr eine entsprechende Gesundheitserziehung in den Schulen.

Literatur

Cowburn, G. und Stockley, L. (2004): Consumer understanding and use of nutrition labeling: as systematic review. Public Health Nutrition, 8 (1), 21-28. Finkelstein, E.A., Trogdon, J.G., Cohen, J.W. and Dietz, W. (2009): Annual Medical Spending Attributable to Obesity: Payer-And Service-Specific Estimates. Health Affairs, 28 (5), w822-w831.

o.V. (2010): Kennzeichnung für Verbraucher: EU-Parlament stoppt Lebensmittel-Ampel. Online abrufbar hier. [3]

o.V. (2011): Lebensmittel: EU-Parlament winkt neue Regeln für Kennzeichnung durch. Online abrufbar hier. [4]

Sacks, G., Rayner, M. und Swinburn, B. (2009): Impact of front-of-pack ,“˜traffic-light“˜ nutrition labeling on consumer food purchases in the UK. Health Promotion International, 24 (4), 344 – 352.

Statistisches Bundesamt (2009): Gesundheitsrelevantes Verhalten: Körpermaße nach Altersgruppen, Ergebnisse des Mikrozensus 2009. Online abrufbar hier. [5]

Tuchtfeldt, E. (1960): Zu Fragen der Systemkonformität wirtschaftspolitischer Maßnahmen, in: Seraphim, H.-J. (Hrsg.), Grundlegung wirtschaftspolitischer Konzeptionen, Berlin 1960, S. 203 – 238.

 

Fußnoten


[1] [6] Zur Diskussion um die Ordnungskonformität siehe etwas Tuchtfeldt (1960).