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Rettet die Zentralbanken!
Die Unabhängigkeit der amerikanischen Notenbank ist in Gefahr

Es kommt nicht selten vor, daß die Unabhängigkeit von Zentralbanken kritisiert wird. Normalerweise hört man Forderungen nach einer stärkeren politischen Kontrolle von Zentralbanken dann, wenn ihre Kritiker das Zinsniveau für zu hoch halten. In fast jeder Aufschwungsphase findet man jemanden, der meint, die Zinserhöhungen kämen viel zu früh und würden die gerade einsetzende Erholung abwürgen. Und in jeder Abschwungsphase gibt es Kritiker, die schon nach den ersten schlechten Nachrichten Deflationsgespenster sehen und nach einer stärker expansiven Geldpolitik rufen. Diese Kritiker meinen dann oft, daß institutionelle Reformen zu einer – aus ihrer Perspektive – besseren Geldpolitik führen würden. Stur auf das Preisniveau fixierte, unabhängige Zentralbankiers müßten durch politischen Druck dazu gebracht werden, das Ziel der Stabilität des Geldwertes etwas niedriger, und andere Ziele etwas höher zu gewichten.

Natürlich gibt es, gerade im Zusammenhang mit der aktuellen Finanzkrise, auch Einwände von der anderen Seite: Insbesondere der amerikanischen Notenbank wird eine zu expansive Geldpolitik vorgeworfen. Wer die Zentralbank von dieser Seite her kritisiert, wird aber in der Regel nicht nach einer stärkeren politischen Einflußnahme rufen. Die Erfahrung lehrt uns schließlich, daß politisierte Zentralbanken früher oder später versagen und Inflation produzieren. Die Versuchungen sind einfach zu groß: Warum nicht Staatsanleihen günstig an die Zentralbank verkaufen, anstatt sie teuer am Markt zu plazieren? Wieso nicht eine geerbte Schuldenlast weginflationieren? Unpopuläre Zinserhöhungen im Wahljahr durchführen? Das lassen wir doch lieber! Die schlechten Erfahrungen mit politisch gesteuerten Notenbanken haben sich so tief ins Gedächtnis der Ökonomen eingegraben, und sie werden inzwischen theoretisch so solide verstanden, daß man sich über die Verdrängungskünste der Befürworter einer Repolitisierung der Geldpolitik eigentlich nur wundern kann.

Falls jemandem die Geldpolitik einer institutionell unabhängigen Notenbank im Durchschnitt immer noch zu expansiv ist, wird er also üblicherweise gerade keine diskretionäre politische Einflußnahme auf die Geldpolitik fordern, sondern sich eher für eine noch stärkere Regelbindung einsetzen – eine Verfassung für die Notenbank, die noch stärker das Ziel der Geldwertstabilität in den Vordergrund stellt. Gerade im Fall der USA wäre das ein Ansatzpunkt, denn das Regelwerk der Fed verpflichtet sie nicht nur, den Geldwert stabil zu halten, sondern auch, hohe Beschäftigung und nicht zu hohe langfristige Zinsen zu gewährleisten. Umso erstaunlicher ist dieser Bericht des Economist [1]. Dort erfahren wir, daß ausgerechnet der sich libertär nennende und die Fed immer wieder für ihre zu laxe Geldpolitik kritisierende Abgeordnete Ron Paul einen Gesetzentwurf eingebracht hat, der es dem Kongress ermöglichen würde, die Notenbank zu kontrollieren. Wir erfahren außerdem, daß bisher etwa 60 Prozent der Abgeordneten im Repräsentantenhaus diesen Entwurf unterstützen.

Zwar geht es bei diesem Gesetzentwurf nicht darum, direkte politische Einflußnahme auf die Geldpolitik zu ermöglichen. Aber allein die Tatsache, daß eine Agentur des Kongresses ermächtigt wird, Untersuchungsberichte über die Arbeit der Notenbank zu verfassen, ist problematisch. Denn auch Ben Bernanke und seine Nachfolger leben nicht im luftleeren Raum. Sie sind öffentliche Personen, stehen im Rampenlicht, lesen Zeitungen. Man sollte nicht glauben, daß starker, öffentlicher und politischer Druck an ihnen spurlos vorbei geht und sie unbeeindruckt läßt. Ein Untersuchungsbericht einer Kongressangentur wäre für Abgeordnete ein willkommenes Instrument, solchen Druck zu bündeln. Mehr noch: Ein solches Instrument könnte nur der erste Schritt sein. Ist der Ruf der unabhängigen Geldpolitik durch eine Serie bewußt kritisch formulierter Berichte erst einmal untergraben, dann wird die politische Unterstützung für weitere Schritte ganz von selbst kommen.

Folgt nach der Rückkehr des deficit spending nun also auch noch eine Wiederauferstehung der politisch kontrollierten Notenbanken? Vielleicht wäre das nur folgerichtig, als weiterer Reflex auf die Finanzkrise. Man darf sich nicht wundern, wenn die Politik die Krise als einmalige Gelegenheit sieht, ihre Kompetenzen wieder einmal auszuweiten. Denn gerade jetzt scheint die breitere Öffentlichkeit empfänglich zu sein für den Kurzschluß, eine Krise der Finanzmärkte impliziere logisch eine vergleichsweise höhere Problemlösungskompetenz der Politik. Für diesen Schluß allerdings spricht überhaupt gar nichts — vor allem nicht die Erfahrung.