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Also doch: ein zentraler Abwicklungsfonds für die Banken der Eurozone

Vor der Bundestagswahl hatte Wolfgang Schäuble noch beteuert, dass es mit ihm keinen zentralen Abwicklungsfonds geben werde. Auch zentrale Abwicklungsentscheidungen lehnte er ab. Stattdessen schlug er ein „Netzwerk“ der nationalen Abwicklungsbehörden vor.

Das ist jetzt alles vergessen. Es wird einen europäischen Abwicklungsrat geben, der der Kommission und dem Rat die Abwicklung einzelner Banken vorschlagen kann, und die Abwicklungsfonds der Mitgliedstaaten werden schrittweise vergemeinschaftet. Jedes Jahr soll ein Zehntel der nationalen Abwicklungsfonds an den Abwicklungsfonds der Eurozone übertragen werden, d.h., nach zehn Jahren wird der Kollektivierungsprozess abgeschlossen sein. Wir erinnern uns: vor einem solchen gemeinsamen Abwicklungsfonds haben im Juni 2012 über 200 Wirtschaftsprofessoren [1] des deutschsprachigen Raums eindringlich gewarnt. Denn Verantwortung sollte nicht zentralisiert werden.

Soweit die Probleme der Banken durch eine falsche Wirtschaftspolitik verursacht sind, ist dafür eher die nationale als die europäische Wirtschaftspolitik verantwortlich. Die verfehlte Förderung des Immobiliensektors in Spanien, Portugal, Zypern und Irland zum Beispiel ging von der nationalen Wirtschaftspolitik aus. Die Krisenanfälligkeit der Banken ist daher von Land zu Land sehr verschieden. Das war in der Vergangenheit so, und es ist absehbar, dass es in der Zukunft ganz ähnlich sein wird. Da die Risiken unterschiedlich sind, ist es ineffizient, dass sich die Banken der verschiedenen Länder zu den gleichen Bedingungen gegenseitig versichern sollen.

Die Haftung für Bankenprobleme sollte nicht zentralisiert, sondern nach Möglichkeit dezentralisiert werden. Wenn eine Bank gestützt oder abgewickelt werden muss, war ihre Geschäftspolitik falsch. Anreizverträglich ist letztlich nur die Haftung der Eigentümer. Deshalb müssen die Eigenkapitalvorschriften viel stärker verschärft werden, als bisher vorgesehen ist. Die Ausfallquote der griechischen Banken wird auf 25 Prozent geschätzt. Geringer darf die vorgeschriebene Eigenkapitalquote nicht sein. Der Deutschen Bank genügte eine Eigenkapitalquote von 30 Prozent, um die Weltwirtschaftskrise von 1929-33 ohne Solvenzprobleme zu überstehen. Mehr ist nicht nötig. Damit die Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften nicht die Kreditvergabe der Banken beeinträchtigt, sollte das höhere Eigenkapital nicht als Quote, sondern als absoluter Betrag festgelegt werden.

Schäuble hatte seine ursprüngliche Ablehnung des Euro-Abwicklungsfonds nicht ökonomisch, sondern nur juristisch begründet. Die von der EU-Kommission genannte Rechtsgrundlage (Art. 114 AEUV) sei nicht tragfähig. Das ist richtig, aber dieser Einwand gilt auch für das nun gewählte Entscheidungsverfahren. Art. 114 ist aus zwei Gründen nicht anwendbar.

Erstens bezieht sich Art. 114 nur auf Rechtsakte für die gesamte EU, nicht auf Rechtsakte, die nur die Eurozone betreffen. Die Bestimmungen für die Währungsunion befinden sich in den Artikeln 127-144.

Zum anderen gilt Art. 114 nur für „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben“. Die Abwicklung hat weder die Errichtung noch das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand. Art. 114 verweist ausdrücklich auf die Definition des Binnenmarktes in Art. 26 AEUV. Dieser definiert den Binnenmarkt als „einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist“. Die Freiheit des Kapitalverkehrs ist aber mit Unterschieden in der Bankenabwicklung voll vereinbar. Der Begriff und das Ziel des gemeinsamen Binnenmarkts implizieren nicht eine einheitliche Wirtschaftspolitik, sondern die Beseitigung der nationalstaatlichen Beschränkungen der internationalen Transaktionen.

Während der Abwicklungsrat und die Abwicklungskompetenz der Kommission und des Rates, der letztendlich entscheiden wird, rechtswidrig auf Art. 114 AEUV gestützt werden sollen, ist für den Abwicklungsfonds auf deutschen Wunsch ein völkerrechtlicher Vertrag vorgesehen – so wie der ESM-Vertrag. Kommission und Parlament sind damit nicht einverstanden, können aber Mitgliedstaaten nicht daran hindern, miteinander Verträge zu schließen. Jeder völkerrechtliche Vertrag ist kündbar. Deutschland kann daher nicht nur aus dem ESM, sondern auch aus dem Abwicklungsfonds der Eurozone ausscheiden, ohne die EU oder die Eurozone zu verlassen, wenn sich die politischen Mehrheitsverhältnisse im deutschen Parlament entsprechend ändern. Bis auf weiteres bleibt jedoch Wolfgang Schäuble Finanzminister, obwohl er mehr als jedes andere Kabinettsmitglied dafür verantwortlich ist, dass es im Bundestag keine bürgerliche Mehrheit mehr gibt.