Kurz kommentiert
Europäische Einlagensicherung
Noch keine Kapitulation vor Hau-Ruck-Vergemeinschaftung

Seitdem der EU-Kommissar Jonathan Hill am 24.11.2015 den Verordnungsvorschlag zur gemeinsamen Europäischen Einlagenversicherung („European Deposit Insurance System“ – EDIS) vor dem EU-Parlament vorgestellt hat, ist die ohnehin schon heftige Diskussion um diese Säule der Bankenregulierung noch drastisch akzeleriert worden. Auch in diesem Blog wurden zwei profunde und in ihren Formulierungen überaus deutliche Beiträge veröffentlicht (hier; hier).

Neben dem allgemeinen Sinn einer europäischen Lösung geht es dabei insbesondere auch um die Geschwindigkeit der Umsetzung – nicht zuletzt, weil die nationalen Einlagensicherungssysteme, die schrittweise in den großen Sicherungstopf integriert werden sollen, bislang nur von relativ wenigen Staaten und in sehr unterschiedlichem Umfang eingeführt worden sind. Diese Asymmetrie verschärft die ohnehin bekannten Probleme solcher Gemeinschaftslösungen, so dass die deutsche Kreditwirtschaft angesichts der hierzulande lange bewährten inländischen Sicherungssysteme umgehend Bedenken gegen Hills Gesamtpaket erhob. Am 29.1.2016 ist nun der Deutsche Bundesrat dieser Kritik weitgehend gefolgt und hat zu den Kernpunkten des EU-Kommissars negativ Stellung bezogen:

„Der Bundesrat lehnt den Verordnungsvorschlag zur Errichtung eines europäischen Einlagenversicherungssystems mit einem gemeinsamen Einlagenversicherungsfonds ab.“

Dies bedeutet zwar nicht das Ende des EU-Projekts, doch dürfte der „REGULATORISCHE RAUBÜBERFALL“ (Theresia Theurl) damit erst einmal eingebremst werden. Für die weitere Entwicklung sollten dann die folgenden Aspekte beachtet werden:

  1. Inhaltlich wird sich die Frage einer fairen Belastung bzw. fairen Kosten/Nutzen-Relation der Kreditinstitute in verschiedenen Ländern nicht mehr so einfach wie bisher von den Politikern unterdrücken lassen. Die quantitative Antwort auf diese Frage kann relativ leicht in einer fiktiven Anpassung gegeben werden: Nachdem die nationalen Systeme, wie erwähnt, ohnehin zumindest mittelbar in der europäischen Lösung aufgehen werden, kann man den erforderlichen Beitrag eines jeden Kreditinstituts bis zu einem Tag X auf der Basis allgemeiner betriebswirtschaftlicher Charakteristika festmachen. Deutsche Banken dürften dabei angesichts ihrer bisherigen Leistungen in die jeweilige nationale Sicherungseinrichtung vermutlich auf Jahre nichts einzahlen müssen – sofern man eine Auflösung der bisherigen Systeme im Rahmen des Übergangs in Erwägung zieht, wäre sogar eine teilweise Rückzahlung aus den dort gebildeten Reserven denkbar. Umgekehrt müssten Banken aus anderen Ländern teilweise erhebliche Beiträge einspeisen, weil sie bislang nichts oder nur wenig eingezahlt haben.
  2. Sowohl die Auflösung der nationalen Sicherungseinrichtungen als auch die extreme Belastung für die Banken mancher EU-Staaten erscheint nun politisch kaum durchsetzbar. Wenn nun aber eine unfaire Belastung der Kreditinstitute in Deutschland und anderen Ländern ebenfalls – zumindest zeitweise – nicht durchsetzbar ist, gibt es zwei Alternativen: Entweder eine grundlegende Änderung des bisherigen Konzepts oder aber eine deutliche zeitliche Streckung, in der die Länder mit bislang kaum ausgeprägten nationalen Sicherungssystemen genug Zeit haben, um eine entsprechende Basis aufzubauen, bevor alle Töpfe gegenseitig haften (geschweige denn in einem einzigen großen Topf verschmolzen werden).
  3. Indessen ist nicht sicher, ob es nicht doch noch anders kommt. Unabhängig davon, dass der Bundesrat einstweilen nicht gegenüber der Hau-Ruck-Vergemeinschaftung kapituliert hat, ist die Position Deutschlands in der EU durchaus fragil. Nicht zuletzt angesichts der Asylwelle werden ständig direkte und indirekte politische Händel kolportiert, in denen über so viele Ecken ein Ausgleich unterschiedlicher Interessen angestrebt wird, dass die sachgerechte Lösung des jeweils für sich betrachteten Problems allenfalls zufällig halbwegs erreicht wird. Für eine längere Atempause im europäischen Flüchtlingsdrama wäre so mancher deutsche Politiker vermutlich bereit, vieles zu opfern, und die faire Beteiligung an der europäischen Einlagensicherung hat dabei sicher nicht die oberste Priorität, weil die unmittelbare Betroffenheit und Wahrnehmung beim „median voter“ in diesem Bereich sehr schwach ausgeprägt ist.

Also freuen wir uns einstweilen einfach über diesen seltenen Akt einer ökonomisch sinnvollen Bundesratsentscheidung, auch wenn wir die Halbwertszeit ihres Bestands nicht seriös abschätzen können!

Blog-Beiträge zur Einlagensicherung:

Uwe Vollmer: Die gemeinsame Europäische Einlagensicherung EDIS. Was ist davon zu halten?

Theresia Theurl: Die Europäische Einlagensicherung EDIS.
Ein regulatorischer Raubüberfall

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