Das Gespenst der Altersarmut
Lebensleistungsrente, „Grundsicherung plus“ (Grundrente) und anderes Gedöns

„Es ist die grundlegende Illusion des Sozialismus, dass sich Armut durch Umverteilung des vorhandenen Wohlstandes beseitigen lasse.“ (Friedrich August von Hayek)

Die Rentenreformen der rot-grünen Bundesregierung haben in den 00er Jahren die Gesetzliche Rentenversicherung wetterfest gemacht. Wenn die Welt nicht aus den Fugen gerät, steht die Alterssicherung hierzulande auf einem finanziell relativ stabilen Fundament. Das gilt zumindest bis zum Jahr 2030. Die Politik hat sich auf einen rentenpolitischen „Da Vinci-Code“ (22-43-67-4) verständigt (hier). Nach dieser inter-generativen Verteilungsformel werden (demographische) Lasten auf Beitragszahler und Rentenempfänger verteilt. Wirklich zufrieden sind aber nicht alle. Viele fürchten sich vor den distributiven Nebenwirkungen der Reformen. Bei immer mehr Menschen wächst die Angst, dass sich die Altersarmut wie ein Lauffeuer verbreitet. Vor allem Linke, SPD und Teile der Union fordern eine höhere Haltelinie für das Rentenniveau. In der „alten“ GroKo war die „Lebensleistungsrente“ ein  heftig umstrittenes Thema. Dieses Mal haben sich SPD und die Union in ihrem Sondierungspapier auf eine „Grundrente“ verständigt. Tatsächlich ist Altersarmut aktuell kein großes Problem. Die meisten Rentenexperten sind der Meinung, dass sich das auch künftig nicht grundlegend ändern wird. Die Grundsicherung im Alter ist die Haltelinie für die Armut. Der Kampf gegen Altersarmut bleibt dennoch auf der politischen Agenda. Die „neue“ alte GroKo will es mit einer „Grundsicherung plus“ versuchen. Sie nennt sie „Grundrente“.

Was sagen die Fakten?

In Deutschland grassiert die Angst vor Altersarmut. Sozialverbände, Gewerkschaften und manche Politiker warnen davor, dass die Armut im Alter zurückkehrt. Die Ängste erhalten durch die Rentenreformen neue Nahrung. Die Reformen schnürten ein Paket von steigenden Beiträgen, einem sinkenden Rentenniveau, einer höheren Altersgrenze und mehr privater Vorsorge für das Alter. Vor allem das rückläufige Rentenniveau schürt die Angst vor Altersarmut. Die Armutsgefährdungsquoten geben einen ersten Hinweis, wie sich die Armut entwickelt. Als gefährdet gilt hierzulande, wer weniger als 60 % des Median-Einkommens verdient. Seit 2010 nimmt auch die Gefahr, im Alter arm zu werden, in Deutschland wieder zu. Allerdings liegt die größte Gefahr abzusteigen, nicht bei den Rentnern. Ihre Armutsgefährdungsquote liegt meist unter der der gesamten Bevölkerung. Sie nähert sich am aktuellen Rand aber dieser an. Stärker von Armut gefährdet als die Rentner sind dagegen die Menschen zwischen 16 und 65 Jahren. Das ist allerdings keine gute Botschaft. Wer in der Zeit der Erwerbsphase unter der Armutsschwelle verdient, wird auch im Alter keine hohe Rente haben. Damit ist abzusehen, dass die Altersarmut künftig höher liegen könnte.

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Einen weiteren Hinweis auf die Einkommenssituation im Alter liefert die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter. Wer als Rentner eine Rente bezieht, die unter dem Existenzminimums liegt, hat Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung. Diese Leistungen sind regional unterschiedlich. Sie liegen aber unter der Armutsgefährdungsschwelle (relative Armut). Die Zahl der Empfänger von Grundsicherung im Alter steigt seit langem an. Das gilt auch für die Quote der Rentner, die im Alter auf Grundsicherung beantragt. Die absolute Zahl lag 2017 bei etwas über 530.000 Personen. Sie hat sich seit 2003 mehr als verdoppelt. Der Anteil der Bezieher von Grundsicherung im Alter unter den Rentnern liegt bei etwas über 3 %. Auch sie hat sich seit 2003 fast verdoppelt. Allerdings liegt sie wesentlich niedriger als der Anteil der Empfänger von Grundsicherung an der gesamten Bevölkerung von rund 9 %. Definiert man Armut absolut, dürfte es in Deutschland eigentlich keine Altersarmut geben. Dafür sorgt die Grundsicherung im Alter. Sie orientiert sich am Bedarf der Rentnerhaushalte. Armut ist dennoch denkbar. Sie tritt immer dann ein, wenn Menschen die Leistungen der Grundsicherung nicht in Anspruch nehmen, obwohl sie dazu berechtigt sind.

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Wie sich die Armut im Alter künftig entwickeln wird, ist unklar. Auch künftig wird ein Einkommen im Alter in Höhe des Existenzminimums garantiert werden. Dafür sorgt auch weiter die Grundsicherung im Alter. Sie wird sinnvollerweise vom Bund aus Steuern finanziert. Es ist allerdings denkbar, dass die Renten nicht ausreichen, das Existenzminimum zu erreichen. Das liegt aber weniger am sinkenden Netto-Rentenniveau vor Steuern. Es  sinkt im ungünstigsten Fall bis 2030 auf die untere Haltelinie von 43 %. Obwohl das Rentenniveau sinkt, werden die Renten auch künftig real steigen. Sie werden allerdings weniger stark wachsen als die Löhne. Die Deutsche Rentenversicherung prognostiziert bis 2030, dass die Löhne um 3 %, die Renten aber nur um etwas mehr als 2 % steigen werden. Für bestimmte Gruppen bleibt allerdings die Höhe der Renten unterhalb des Existenzminimums. Besonders gefährdet sind alle, die ein stark unterdurchschnittliches Einkommen beziehen, die nur wenige Versicherungsjahre aufweisen, die längere Zeit teilzeitbeschäftigt sind und Selbständige, die keine oder zu geringe Ansprüche erwerben. Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose, nicht vollzeitarbeitende Frauen (Männer), Migranten und Selbständige sind die Personengruppen, die auch künftig oft Rentenansprüche erwerben werden, die unterhalb des Existenzminimums liegen. Sie werden auf Grundsicherung im Alter angewiesen sein.

Lebensleistungsrente, „Grundrente“ und anderes Gedöns

Auch die „neuen“ alten Großkoalitionäre haben sich den Kampf gegen die Altersarmut auf ihre Fahnen geschrieben. Im Sondierungspapier haben sie vereinbart, eine „Grundrente“ einzuführen. Damit setzen sie die Tradition der „alten“ GroKo fort. In der letzten Legislaturperiode war man übereingekommen, eine „Lebensleistungsrente“ zu installieren. Daraus ist aber nichts geworden. „Lebensleistungs- und Grundrente“ sollen das Armutsproblem in der GRV lösen. Für Versicherte mit geringen Renten sollten die Entgeltpunkte erhöht werden. Das Konzept der „Lebensleistungsrente“ sah vor, dass Versicherte mit mindestens 40 Beitragsjahren einen steuerfinanzierten Zuschuss erhalten. Damit sollte die Rente mindestens das Niveau der Grundsicherung erreichen. Nach den Prognosen der Rentenversicherer für das Jahr 2030 erreichen Versicherte nach 40 Versicherungsjahren dieses Niveau, wenn sie 30 Entgeltpunkte angesammelt haben. Sie müssen also pro Jahr 75 % des durchschnittlichen Arbeitseinkommens der Versicherten erzielen. Das sind 2018 etwa 28.000 Euro brutto. Wer weniger verdient oder weniger als 40 Jahre in die GRV einbezahlt, erreicht dieses Niveau nicht. Er ist bisher ein Fall für die aufstockende Grundsicherung im Alter.

Im Konzept der „Lebensleistungsrente“ will man die persönlichen Entgeltpunkte für diese Gruppe von Versicherten, die 40 Beitragsjahre nachweisen, auf 0,75 Entgeltpunkte pro Jahr nach oben schleusen. Das lässt sich graphisch skizzieren. In der GRV entwickelt sich die Höhe der Entgeltpunkte proportional zum versicherungspflichtigen Lohneinkommen. Wer gerade so viel verdient wie der Durchschnitt der Versicherten, erhält einen Entgeltpunkt. Wer weniger (mehr) verdient, erhält weniger (mehr) als einen Entgeltpunkt, allerdings maximal zwei an der Beitragsbemessungsgrenze. Es gilt das Prinzip der (Teilhabe)Äquivalenz. Die durchgezogene Linie in der Graphik verdeutlicht das. Will man die Renten der Versicherten erhöhen, die diese 0,75 Entgeltpunkte pro Jahr nicht erreichen, muss man deren Entgeltpunkte auf dieses Niveau hochschleusen. Soll der Wert schon früher als bei 75 % des durchschnittlichen Jahreseinkommens der Versicherten (28.000 Euro) erreichen werden, z.B. bei 20.000 Euro, muss die (gestrichelte) Kurve stärker steigen. Soll diese Aktion für die GRV finanzneutral sein, muss die Kurve oberhalb von 20.000 Euro flacher verlaufen. Die Bezieher niedrigerer Einkommen (und Renten) werden besser, die höherer Einkommen schlechter gestellt. Der Beitrags-Euro der beiden Versichertengruppen ist unterschiedlich viel wert. Das Prinzip der Beitragsäquivalenz wird ausgehöhlt, Eigentumsrechte der „reicheren“ Rentner werden verletzt.

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Geht man den Weg über „gedopte“ Entgeltpunkte, profitieren nur alle Niedrig-Rentner, wenn alle auf 30 Entgeltpunkte hochgeschleust werden. Dann kann keine Rente unter das Niveau der Grundsicherung fallen. Die gepunktete Linie illustriert diesen Fall. Um negative Anreizeffekte bei der Arbeitszeit zu vermeiden, sollten allerdings nur Vollzeitbeschäftigte die 0,75 Entgeltpunkte erhalten. Nicht in Vollzeit arbeitende Niedriglöhner sollten die arbeitszeitlichen Bruchteile der 0,75 Entgeltpunkte gutgeschrieben werden. Wird die Umverteilung in der GRV finanzneutral finanziert, verläuft die Kurve ab dem individuellen Einkommen, das 75 % des Durchschnittseinkommen der Versicherten entspricht, unterhalb der „originären“, äquivalenzorientierten Kurve. Die Leidtragenden wären alle Nicht-Niedrig-Rentner. Werden dagegen beide Varianten der „Lebensleistungsrente“ nicht aus Beiträgen, sondern aus Steuern finanziert, wird in der GRV nicht von „reicheren“ zu „ärmeren“ Rentnern umverteilt. Der Beitrags-Euro der Niedrig-Rentner ist zwar mehr wert als vor der Umverteilung. Die Umverteilung geht aber nicht (direkt) zu Lasten der „reicheren“ Rentner. Ihr Beitrags-Euro verliert nicht an Wert. Für sie gilt weiter das Prinzip der Teilhabeäquivalenz. Der eigentumsähnliche Schutz der Rentenanwartschaften bleibt gewahrt.

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Die „neue“ GroKo hat eine neue Variante einer „Grundrente“ ins Spiel gebracht. Es geht ihr nicht mehr darum, erworbene Entgeltpunkte aufzuwerten. Sie will allen „Niedrig-Rentnern“ ein Alterseinkommen garantieren, das 10 % oberhalb des regionalen Grundsicherungsbedarfs liegt. Allerdings sollen nur Rentner bezugsberechtigt sein, die auf mindestens 35 Versicherungsjahre kommen, egal ob aus Beiträgen, Zeiten der Kindererziehung oder der Pflege. Die „Grundrente“ bekommen aber nur Rentner, die nach den Regeln der gegenwärtigen Grundsicherung bedürftig sind. Eine kleine Abweichung ist vorgesehen: Der Betrag des Schonvermögens für selbstgenutzte Häuser und Wohnungen soll erhöht werden. Bei der Prüfung der Bedürftigkeit sollen GRV und Sozialämter zusammenarbeiten. Die Rente soll wie bisher nach der Rentenformel berechnet werden, also ohne „gedopte“ Entgeltpunkte. Liegt sie unter dem Betrag der regional unterschiedlichen Grundsicherung wird sie nach einer Bedürftigkeitsprüfung aufgestockt. Der Betrag soll allerdings 10 % über der bisherigen Grundsicherung liegen. Die so ermittelte „Rente“ wird von der GRV ausgezahlt. Der „neuen“ GroKo schwebt offensichtlich eine Art „Grundsicherung plus“ vor. Noch haben sich die Großkoalitionäre nicht geäußert, wer sie finanzieren soll, die Beitrags- oder Steuerzahler?

Was ist zu tun, was ist zu lassen?

Der Weg, Altersarmut über „gedopte“ Entgeltpunkte zu bekämpfen, ist ein Irrweg. Das gilt nicht nur für das Konzept degressiver Entgeltpunkte, es trifft auch für die Idee einer garantierten Mindestzahl von Entgeltpunkten für Alle zu. Versicherte mit „zu wenig“ Entgeltpunkten werden begünstigt, die Anderen werden benachteiligt. Die persönlichen Entgeltpunkte der Niedrig-Rentner werden diskretionär aufgewertet. Das passiert unabhängig davon, ob die Rentner noch über andere Einkünfte oder Vermögen verfügen. Das ist Verteilungspolitik mit der Schrottflinte. Mit dem Konzept der „Lebensleistungsrente“ bricht man aber auch mit dem traditionellen System der Alterssicherung in Deutschland. Das BVerfG hat den Rentenansprüchen in der GRV immer wieder eigentumsähnlichen Charakter zugebilligt. Möglich ist das nur, weil das Prinzip der (Teilhabe)Äquivalenz verfolgt wird. Mit der Umverteilung in der GRV über diskretionär bewertete Entgeltpunkte, werden individuelle Eigentumsrechte verletzt. Das ist in einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht hinnehmbar. Da ist der gegenwärtige Weg des Kampfes gegen Altersarmut zielgenauer, Niedrig-Renten über die Grundsicherung auf das Existenzminimum hoch zu schleusen. Er ist auch ökonomisch effizienter, weil er versucht, Allokation und Verteilung zu entflechten.

Die geplante „Grundrente“ ist weniger systemzerstörend als alle Varianten der „Lebensleistungsrente“. Sie ist keine Rente, die durch individuelle Versicherungsbeiträge erworben wird. Vielmehr wird die Grundsicherung für (einige) Rentner erhöht. Wie hoch sie ausfällt, hängt davon ab wie individuell bedürftig die Rentner sind. Damit ist sie eine „Grundsicherung plus“. Es wird grundsätzlich möglich, die Umverteilung zieladäquater auszugestalten. Altersarmut kann effizienter bekämpft werden. Jede Gesellschaft ist frei zu entscheiden, das Existenzminimum zu erhöhen. Das gilt auch für die geplante höhere Grundsicherung der „Grundrente“. Aufgabe der Ökonomen ist, auf allokative Risiken und Nebenwirkungen hinzuweisen. Die sind nicht vernachlässigbar. Mit der „Grundrente“ wird aber das Existenzminimum nicht für Alle erhöht. Eine höhere Grundsicherung erhalten nur Rentner mit mindestens 35 Versicherungsjahren. Das ist eindeutig diskriminierend. Eine weitere Schwierigkeit kommt hinzu. Die GRV soll die „Grundrente“ organisieren. Zusammen mit den Sozialämtern soll die Rentenversicherung prüfen, wer unter den Rentnern mit einer Niedrig-Rente bedürftig ist. Bei diesem institutionellen Arrangement werden Versicherung und Versorgung vermischt. Das ist nicht effizient. Es ist aber ein erster Hinweis, wie der 10 %ige Aufschlag auf die „alte“ Grundsicherung finanziert werden soll: Über die GRV. Damit würde aber der Vorteil der bisherigen Grundsicherung aufgegeben, Allokation und Verteilung voneinander zu trennen.

Tatsächlich sollte der Kampf gegen Altersarmut nicht über die GRV als Reparaturbetrieb eines nicht gelungenen Lebens vor der Rente geführt werden. Das ist allenfalls ein Kurieren an Symptomen. Es ist dringend notwendig, an den Wurzeln des Übels anzusetzen. Altersarmut hat fast immer eine relativ einfache Vorgeschichte: Wenig (Aus)Bildung heute, (Langzeit)Arbeitslosigkeit morgen und Altersarmut übermorgen. Der Kampf gegen die Armut im Alter ist erfolgreich, wenn Individuen über den gesamten Lebenszyklus vor der Rente mehr in Humankapital investieren. Das steigert die Produktivität und erhöht die Löhne. Besser funktionierende Arbeitsmärkte, mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie und längere Lebensarbeitszeiten erhöhen das Arbeitsvolumen. Beides, höhere Löhne und größere Arbeitsvolumen, erhöhen die Arbeitseinkommen, sichern höhere Renten und verringern die Gefahr von Altersarmut. Nicht zu empfehlen ist der (Irr)Weg über höhere gesetzliche und soziale Mindestlöhne. Negative Beschäftigungseffekte verhindern, dass die Arbeitseinkommen von Geringqualifizierten steigen. Bei einer Gruppe allerdings, die von Altersarmut heftig betroffen ist, den Erwerbsgeminderten, ist es angezeigt, die niedrigen Erwerbseinkommen in der GRV zu reparieren. Höhere Zurechnungszeiten könnten diesem Missstand wirkungsvoll abhelfen. Das hat die „neue“ GroKo vor, wenn sie zustande kommt.

Fazit

In Deutschland geht die Angst um, die Angst vor Altersarmut. Nun ängstigen sich auch schon Teile der (unteren) Mittelschicht. Populistische Parteien greifen die Ängste auf. Ein Verweis auf die Fakten kann die Gemüter nicht beruhigen. Da hilft es auch wenig, darauf zu verweisen, dass die Armutsgefährdungsquoten der „Alten“ unter denen der übrigen Bevölkerung liegen. Das gilt auch für die Zahlen der Grundsicherung im Alter. Seit der großen Rentenreform wächst die Angst vor sozialem Abstieg im Alter. Dafür wird ein sinkendes Rentenniveau verantwortlich gemacht. Es ist allerdings ein Missverständnis, dass mit dem Rentenniveau auch die Rente sinkt. Dem ist nicht so. Die Renten werden weiter wachsen, wenn auch weniger stark als die Löhne. Richtig ist aber auch: Wer ein nicht gelungenes Erwerbsleben hinter sich hat, läuft auch künftig Gefahr, eine Rente zu erhalten, die ihm kein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Allerdings sorgt die Grundsicherung im Alter dafür, dass sich Altersarmut in engen Grenzen hält. Das wird sie auch künftig tun. Mit der „Grundrente“ will die „neue“ GroKo diesen Weg weiter gehen, allerdings mit noch mehr Umverteilung und nur für einige, ausgewählte Rentner. Versicherung und Versorgung werden vermischt. Es droht eine systemfremde Beitragsfinanzierung. Dringend abzuraten ist von allen Varianten der „Lebensleistungsrente“. Sie kurieren an Symptomen und brechen mit dem (Versicherungs-)System der Alterssicherung. Existenzsichernde Altersrenten für alle gibt es nur nach einer Wurzelbehandlung: Mehr (Aus)Bildung, weniger (Langzeit)Arbeitslosigkeit und längere Lebensarbeitszeiten.

Literatur:

Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Altersarmut. Berlin 2012

Blog-Beiträge zum Thema:

Dieter Bräuninger: Altersarmut. Kein Anlass für rückwärtsgerichtete Rentenpolitik

3 Antworten auf „Das Gespenst der Altersarmut
Lebensleistungsrente, „Grundsicherung plus“ (Grundrente) und anderes Gedöns

  1. Das sieht der Koalitionsvertrag der möglichen Großkoalitionäre zur „Grundrente“ vor:

    „Die Lebensleistung von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben, soll honoriert und ihnen ein regelmäßiges Alterseinkommen zehn Prozent oberhalb des Grundsicherungsbedarfs zugesichert werden.

    Die Grundrente gilt für bestehende und zukünftige Grundsicherungsbezieher, die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung bzw. Pflegezeiten aufweisen. Voraussetzung für den Bezug der „Grundrente“ ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung.

    Die Abwicklung der „Grundrente“ erfolgt durch die Rentenversicherung. Bei der Bedürftigkeitsprüfung arbeitet die Rentenversicherung mit den Grundsicherungsämtern zusammen.

    Wir wollen, dass der Bezug sozialer staatlicher Leistungen und der neu geschaffenen Grundrente nicht dazu führt, dass selbstgenutztes Wohneigentum aufgegeben werden muss. Dazu werden wir die gesetzlichen Regelungen zur Vermögensverwertung und zum Schonvermögen in der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende überarbeiten, angleichen und so ändern, dass Bezieher sozialer staatlicher Leistungen in ihrem Wohneigentum wohnen bleiben können.“

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