Die Ära Mario Draghi (1)
Mario Draghi und der Umbau der Europäischen Geldpolitik

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Am 31. Oktober 2019 endete die Amtszeit von Mario Draghi als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Sein Wirken war durch eine einschneidende Krise und ein entschlossenes Krisenmanagement geprägt. Für letzteres wurde er als Magier gefeiert. Andere beklagten die Überdehnung des Mandats („Whatever it takes.“). Draghi nutzte seine Autorität, die gemeinsame europäische Geldpolitik, die nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank in den europäischen Verträgen verankert worden war, umzubauen. Stück für Stück näherte er die Geldpolitik dem ehemals italienischen Muster an, bei dem die Finanzierung der Staatsausgaben im Vordergrund steht.

Die Weichen waren bereits unter seinem Vorgänger Jean Claude Trichet gestellt worden. Im Jahr 2003 war das Inflationsziel von „unter 2%“ auf „unter, aber nahe 2%“ verändert worden. So konnte Draghi offiziell gemessene Inflationsraten von unter 2% als Rechtfertigung für umfangreiche Ankäufe von Staatsanleihen nutzen. Zudem hatten ab 2003 die starken Zinssenkungen der EZB in Reaktion auf das Platzen der Dotcom-Blase Übertreibungen auf den Immobilienmärkten und bei den Staatsausgaben vieler südeuropäischer Länder ausgelöst. Als ab 2007 ausgehend von Griechenland die Blasen platzten, rechtfertigte die europäischen Finanz- und Schuldenkrise geldpolitische Tabubrüche:

Der Leitzins (Hauptrefinanzierungssatz) wurde auf dauerhaft null gesetzt. Der Zinssatz auf Einlagen der Banken bei der Zentralbank wurde ins Negative (derzeit -0,5%) gedrückt. Direkte Anleihekäufe von Staats- und Unternehmensanleihen wurden auf den Weg gebracht. Die Ankäufe von Staats- und Unternehmensanleihen zwischen März 2015 und Dezember 2018 erreichten einen Umfang von 2.600 Milliarden Euro. Der EuGH und das Bundesverfassungsgericht traten der Ansicht entgegen, dass die Grenze zum Verbot der monetären Staatsfinanzierung (Art. 123 AEUV) überschritten sei.

Zum Ende der Amtszeit von Mario Draghi stehen die Zinsen auf einem historischen Tief und die Bilanz der EZB auf einem historischen Hoch (siehe Abbildung). Kurz vor Schluss hat Draghi gegen den Widerstand einiger Ratsmitglieder noch die Fortsetzung der Null- und Minuszinsen sowie die Wiederaufnahme der Anleihekäufe in Höhe von 20 Milliarden Euro pro Monat eingeloggt. Die Forschungsabteilung der EZB zeigt, dass die neue Geldpolitik positive Wachstumseffekte und keine negativen Verteilungseffekte hat (siehe z.B. Ampudia 2018). Mitglieder der Forschungsabteilung der EZB prägen inzwischen in Gutachterverfahren und Herausgebergremien von Fachzeitschriften das wissenschaftliche Bild der Geldpolitik.

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– zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken –

Auch in Deutschland fand Draghis neuer Kurs trotz viel Skepsis Zuspruch. Die deutsche Industrie freute sich über niedrige Finanzierungskosten. Die deutliche Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar hat der einflussreichen Exportindustrie große Windfallprofite beschert. Die deutsche Politik erkennt implizit an, dass die riesigen sozialen Versprechungen bei schwarzer Null nur noch dank der Notenpresse der EZB finanzierbar sind. Wissenschaftler wie Carl Christian von Weizsäcker vertreten die schwer nachweisbare These, dass die niedrigen Zinsen niedrigen Geburtenraten (und nicht der EZB) geschuldet sind.

Inzwischen treibt jedoch die ultra-lockere Geldpolitik einen Keil in die europäische Gesellschaft (Müller und Schnabl 2017). Vermögenspreisblasen machen vor allem reiche Menschen reicher. Die Droge des billigen Geldes hat Strukturanpassungen bei den Unternehmen ausgebremst, so dass die Produktivitätsgewinne und Wachstum zurückgegangen sind. Der zombifizierte Süden wird über das TARGET2-Zahlungssystem des Eurosystems über Wasser gehalten. Aufgrund gesunkener Produktivitätsgewinne sind die Reallöhne unter Druck geraten. In großen deutschen Städten hat das billige Geld Immobilienblasen entfacht. Die Margen von Banken und Lebensversicherungen schrumpfen, so dass diese ins Wanken geraten. In ganz Europa wachsen Unzufriedenheit und politische Polarisierung.

Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde tritt damit kein leichtes Erbe an. Sie hat als Präsidentin des IWF Draghi unterstützt, so dass eine Fortsetzung seiner Politik erwartet wird. Die Französin soll mit Charme und politischem Geschick die letzten skeptischen Deutschen bezirzen. Gleichzeitig stellt sie die Weichen zu einer grünen Geldpolitik. Da der Konsumentenpreisindex nicht auf die Ausweitung der Zentralbankbilanz reagiert und nach Ansicht der EZB Vermögenspreisinflation außerhalb ihrer Verantwortung liegt, scheinen es die Statuten neue Aufgaben wie die Klimarettung möglich zu machen. Den Weg zur geldpolitischen Beliebigkeit, den Mario Draghi eingeschlagen hat, dürfte Christine Lagarde damit weiter konsequent beschreiten.

Literatur:

Ampudia, Miguel / Georgarakos, Dimitris / Slacalek, Jiri / Tristiani, Oreste / Vermeulen, Philip / Violante, Giovanni 2018: Monetary Policy and Household Inequality. ECB Working Paper 2170.

Müller, Sebastian / Schnabl, Gunther 2017: Zur Zukunft der Europäischen Union aus ordnungspolitischer Perspektive. ORDO 68, 3-34.

3 Antworten auf „Die Ära Mario Draghi (1)
Mario Draghi und der Umbau der Europäischen Geldpolitik“

  1. Ich werde meinen Hund damit beauftragen, auf
    meine Wurstvorräte auf zu passen! Das ist wohl
    die beschissenste Idee, die ich jemals hatte!!!

    Mario Draghi:: Der Hund der nicht weiß, das Er ein
    Hund ist!

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