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Werturteile in der wirtschaftswissenschaftlichen Politikberatung

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Bereits im Jahr 1909 verkündete Max Weber, dass das „Hineinmengen eines Seinsollens in wissenschaftliche Fragen (…) eine Sache des Teufels“ sei, und auch unter den heutigen Ökonomen fühlen sich viele der Aufforderung verpflichtet, dass Forschung und das Beschreiben wirtschaftlicher Zusammenhänge keiner persönlichen Wertung bedürfe und somit subjektive Werturteile abzulehnen seien. Doch nicht nur Ökonomen, sondern auch Journalisten, andere Wissenschaftler und die breite Öffentlichkeit bestehen darauf, dass wissenschaftliche Untersuchungen werturteilsfrei sein sollten (Kitcher 2013). So werden Werturteile und Wissenschaft wie „Öl und Wasser“ (Longino 1983) als zwei Elemente angesehen, die nicht miteinander vermischt werden sollen.

Begonnen hatte die Auseinandersetzung in der deutschen Nationalökonomie mit dem jüngeren Methodenstreit (Werturteilsstreit), der sich auf der Wiener Tagung des Vereins für Soicalpolitik im Jahr 1909 entfachte und sich darum drehte, ob und in wieweit Wissenschaft wertfrei sein kann und soll.[1] Gegenüber standen sich zum einen Gustav von Schmoller, der die Auffassung vertrat, dass im Zuge der Industrialisierung soziale Fragestellungen an Bedeutung gewonnen hatten, weshalb die Nationalökonomie die Aufgabe habe, die höheren Werte der Menschheit zu erkennen, um dann durch praktische Wirtschafts- und Sozialpolitik Handlungsanweisungen geben zu können. Demgegenüber standen Max Weber und Werner Sombart, entschiedene Gegner der normativen Position der jüngeren historischen Schule. Sie vertraten das Werturteilsfreiheitspostulat, das die Objektivität sozialwissenschaftlicher Erkenntnis fordert, da sie an dem erkenntnislogischen Gehalt von Werturteilen zweifelten[2]. Allerding lässt sich die Werturteilsproblematik nicht auf die Wirtschaftswissenschaften reduzieren[3], sondern betreffen „die gesamte wissenschaftlichen Erkenntnis“ (Albert/Topitsch 1971).

Gemeinhin gilt das Bild, dass Politiker bestimmte Werte vertreten, unter deren Prämisse sie ihre Ziele verfolgen, während Wissenschaftler Theorien darüber aufstellen, wie die Welt oder zumindest Teilbereiche davon zusammenhängen und funktionieren. Dadurch entsteht der Eindruck, dass Wissenschaftler eine „Wenn-Dann-Relation“ (Streeck 2017) aufstellen könnten, durch die sie der Politik aufzeigen würden, wie diese ihre Wünsche in konkrete Ziele verwandeln könnten.

Dies stellt aber unerreichbare Ansprüche an die Wissenschaft, da diese keine allgemeingültigen Antworten geben kann, auch wenn manche sich dies wünschen. Im Falle von eindeutigen Ratschlägen müsste sich die Gesellschaft an zweifelsfreien „wissenschaftlichen Indikatoren“ (Wagner 2015) orientieren, was allerdings nur dann möglich ist, wenn diese unbestreitbar korrekt sind. Dies würde implizieren, dass es keinen wissenschaftlichen Fortschritt mehr gäbe, denn solange es Fortschritt gibt, ist es möglich, dass die jetzigen Empfehlungen der Wissenschaft in Zukunft, unter Berücksichtigung neuer Forschungsergebnisse, nicht mehr die optimale Wahl sein werden oder sogar gänzlich falsch sein können.

Unter vielen Ökonomen herrscht dennoch der Vorwurf, dass Politiker ihre Handlungsvorschläge nicht in ausreichendem Maße berücksichtigen. Dabei existiert die Vorstellung, dass die Ökonomen aus ihren Theorien und Modellen die effiziente Maßnahme ableiten, um von der Politik vorgegebene Ziele zu erreichen, wobei die Politik diese Maßnahmen vorbehaltlos umsetzten. Ausgehend von dieser These wäre es irrational, den Rat der Ökonomen nicht zu befolgen. Hier werden die unter den Wirtschaftswissenschaftlern weit verbreiteten und nicht ausreichend reflektierten Annahmen über das Verhältnis von Wissenschaft und Politik sichtbar, die eine „traditionelle (und) reichlich naive“ (Kirchgässner 2013) Vorstellung von der Beratung der Politik zur Folge haben.

Viele Vertreter der Werturteilsfreiheit argumentieren, dass es zwar nicht gänzlich realisierbar ist, Werturteile aus der Forschung herauszuhalten, objektive Forschung nichtsdestotrotz möglich ist. Dies wird dadurch umgesetzt, dass die Forschung auf einer Hypothese oder Theorie beruht, die ein Werturteil beinhaltet, jedoch die eigentliche Forschungsarbeit ohne persönliche Wertung des Forschers erfolgt. Schließlich kann die ökonomische Theorie daraufhin aufzeigen, welche Instrumente und Mittel geeignet sind, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Wenn die Politik beispielsweise das Ziel formuliert, die Arbeitslosigkeit zu senken, obliegt es den Ökonomen, mit deren Kenntnis der ökonomischen Kausalitäten zu untersuchen, ob nun bspw. Freihandel oder Protektionismus das zweckmäßigere Mittel darstellt, um dieses Ziel zu erreichen (Glaeser 2014).

Gleichwohl birgt die Idee einer Grundhypothese und daraufhin objektiv erforschter Wirkungsweisen auch Schwierigkeiten innerhalb der Politikberatung, da die Politikempfehlung von dem antizipierten Verhaltensmodell abhängt. Dies wird deutlich am Beispiel des sich im Zuge des demografischen Wandels vergrößernden Anteils älterer Menschen, die in – relativ gesehen – zu großen Wohnungen oder Einfamilienhäusern leben. Das kann daran liegen, dass die Kinder ausgezogen sind oder der Ehepartner gestorben ist, die Menschen aber trotzdem nicht aus ihren Wohnungen ausziehen wollen und sich dementsprechend ihre Pro-Kopf-Wohnfläche erhöht (Remanenzeffekt). Wenn dieses Problem nun in Zeiten von Wohn-raummangel und hohen Mieten gelöst werden soll, hängt die Handlungsempfehlung für die Politik davon ab, welche Ausgangshypothese gewählt wird: Wenn Ökonomen davon ausgehen, dass die Menschen im Sinne des Homo oeconomicus agieren und daher aufgrund einer Kosten-Nutzen-Analyse ihre Handlung ableiten, wäre es z.B. sinnvoll, eine flächenbasierte Grundsteuer zu erhöhen. Wird hingegen altruistisches[4] Verhalten unterstellt, wäre es den Menschen nicht bewusst, dass sie, relativ gesehen, zu viel Platz beanspruchen, und eine Informationskampagne könnte sie dazu bewegen, ihre Wohnsituation von allein zu verändern. Hier zeigt sich deutlich, dass durch verschiedene Grundannahmen völlig unterschiedliche Politikempfehlungen entstehen, unabhängig davon, ob werturteilsfrei geforscht wird oder nicht.

Ferner argumentiert Kitcher (2011) in seinem Werk „Science in a Democratic Society“, dass es auch nicht möglich sei nach dem Festlegen einer Hypothese objektiv zu forschen, da Wissenschaftler in ihren Untersuchungen immer wieder bestimmen müssen, was genau sie untersuchen. Sie müssen bspw. entscheiden, dass bestimmte Resultate wichtiger sind als andere, und ihre Forschung entsprechen ausrichten. Bei jeder neuen Frage, die einen weiteren Forschungsschritt nach sich zieht, müssen bei diesem iterierten Prozess Entscheidungen getroffen werden, die Werturteile beinhalten.

An diesem Punkt könnten die Vertreter der Werturteilsfreiheit einwenden, dass es dessen ungeachtet möglich sei, werturteilsfrei zu forschen; es gehe schließlich darum, ob die empirische Evidenz hoch oder niedrig ist, wodurch die zugrundliegende Hypothese entweder akzeptiert oder verworfen werden kann. Hieraus ließen sich verschiedene vorhersehbare Konsequenzen ableiten, deren Werte sich schätzen lassen. Ab diesem Punkt ist es die Aufgabe der Öffentlichkeit selbst darüber zu entscheiden, wie sie mit den werturteilsfreien Informationen umgeht.

Kitcher entgegnet, dass auf der einen Seite die Wahrscheinlichkeiten, die den einzelnen Szenarien entsprechen, abhängig von der Wahrscheinlichkeit der zuvor aufgestellten Hypothese sind, die nach der Willkür des Forschers zugrunde gelegt wurde. Hierdurch würde die Idee der werturteilsfreien Bewertung hinfällig. Auf der anderen Seite bemängelt Kitcher, dass die Idee, Hypothesen Wahrscheinlichkeiten zuzuteilen, „aberwitzig“ sei, da diese Vorgehensweise nur im statistischen Kontext sinnvoll sei.

Dieses Argument erläutert er anhand eines Klimaforschers, der seine Forschungsergebnisse bezüglich der Steigerung der Durchschnittstemperatur innerhalb der nächsten Dekaden um zwei Grad Celsius nur anhand von Wahrscheinlichkeiten präsentiert. So kann der Klimaforscher anhand dieses Beispiels keine klaren zukünftigen Szenarien benennen, also keine reellen zukünftigen Gefahrensituationen aufzeigen und dementsprechend auch keine klaren Handlungsanweisungen geben. Woraufhin Kitcher die Frage stellt, ob es wirklich sinnvoller ist, dass die Öffentlichkeit die möglichen Szenarien bewertet anstelle eines Forschers, der sich hinreichend mit der Thematik befasst hat. Auch Strauss (1953) betonte, dass das Werturteilsfreiheitspostulat zu einem Wertnihilismus führen könne, da durch eine Begrenzung auf eine rein sachliche Semantik, der Vernunft die Kompetenz abgesprochen werden würde. Zudem betonte der Philosoph Hilary W. Putnam (2004), dass sich die gängige Tatsachen-Werte-Dichotomie nicht aufrechterhalten lasse, d.h. dass Tatsachen und Werte auch sprachlich nicht voneinander getrennt werden können.

Folglich zeigt sich, dass es ein kompliziertes Unterfangen ist, die Wissenschaft von Werturteilen freizuhalten, und diese tief in die Forschung mit eingebunden sind. Die Frage ist nun, ob und inwiefern dies ein Problem für die Politikberatung darstellt. Die Objektivität entsteht durch die Ausrichtung der ökonomischen Politikberatung. Hierbei ist ein zentraler Punkt der Wettbewerb unter Wissenschaftlern, der für die Reputation und die Korrektur der Ökonomen untereinander zu ihrer Glaubwürdigkeit beiträgt. Dabei ist wichtig, dass Ökonomen offen und transparent agieren, damit die bestehenden wissenschaftlichen Richtlinien erfüllt werden (Feld 2018). Schlussendlich kommt es nicht darauf an, dass die Forschungsergebnisse werturteilsfrei sind, sondern auf die Art und die Umgangsweise mit Werturteilen.

Literatur

Albert, H., Topitsch, E. (1971), Werturteilsstreit, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt.

Feld, L. P. (2018), Zur politischen Ökonomik der wirtschaftspolitischen Beratung: Der Sachverständigenrat als ordnungspolitisches Gewissen?, Freiburger Diskussionspapiere zur Ordnungsökonomik, No. 18/07, Freiburg.

Glaeser, J. (2014), Der Werturteilsstreit in der deutschen Nationalökonomie Max Weber, Werner Sombart und die Ideale der Sozialpolitik, Metropolis-Verlag für Ökonomie, Ge-sellschaft und Politik GmbH, Marburg.

Kirchgäsner, G. (2013), Zur Politischen Ökonomie der wirtschaftspolitischen Beratung, in: Wirtschaftsdienst, 93(3), S. 198-203.

Kitcher, P. (2011), Science in a Democratic Society, Prometheus Books, New York.

Longino, H. (1983), Beyond “Bad Science”: Skeptical Reflections on the Value-Freedom of Scientific Inquiry, Science, Technology, & Human Values, 8(1), S. 7-17.

Putnam, H. (2004), The collapse of the fact/value dichotomy and other essays, Harvard University Press, Boston.

Sombart, Werner (1928), Produktivität, in: Harms B. (Hrsg.): Weltwirtschaftliches Archiv, Band 28, Fischer, Jena, S. 1-32.

Strauss, L. (1953), Die Unterscheidung zwischen Tatsachen und Werten, in: Albert, H., Topitsch, R. (Hrsg.), Werturteilsstreit, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 73-91.

Streeck W. (2017), Wissenschaftliche Politikberatung Was wird verlangt, was kann sie bieten?, in: Hoose, F., F. Beckmann und A. Schönauer (Hrsg.): Fortsetzung folgt Kontinuität und Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft, Springer VS, Bochum, S. 489-506.

Trapp, R. (1998), Klugheitsdilemmata: Eine „Selbstaufhebung des Konsequentialismus“?, Zeitschrift für philosophische Forschung, 53(1), S. 30-50.

Wagner, G. G. (2015), Welche Rolle kann wissenschaftliche Evidenz in der (wissenschaftlichen) Politikberatung sinnvollerweise spielen?, in: Weingart P. und G. G. Wagner (Hrsg.): Wissenschaftliche Politikberatung im Praxistest, Velsbrück Wissenschaft, Weilerswist, S. 189-216.

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[1] Der Produktivitätsbegriff wurde sinnbildlich zum Kanon der Auseinandersetzung. So kommentierte Sombart (1928): „Der Begriff der volkswirtschaftlichen Produktivität ist der beliebte Tummelplatz aller ungebundenen und phantasiebegabten Geister in unserer Wissenschaft. Meist wird er als Wertbegriff gefaßt und dann mit dem Begriff Volkswohlstand gleichgesetzt, indem man in ihn hineinpackt alle schönen Dinge, nach denen das Herz begehrt.“

[2] Hier sei zu bemerken, dass Weber keineswegs eine absolute Wertfreiheit gefordert, sondern eine normative Basis akzeptiert hat, wodurch nur die abgeleiteten Aussagen daraus wertfrei sein sollten. Somit verstößt er auch nicht gegen Humes Gesetz, nach dem von einer Menge rein deskriptiver Aussagen nicht direkt (d.h. ohne Hinzunahme von „Brückenprinzipien“) auf normative Aussagen logisch geschlossen werden kann. Zu unterscheiden ist zudem zwischen dem ontologischen Status von Werten und dem epistemologischen Zugang zu ihnen.

[3]Die Werturteilsproblematik wurde in den 1960er Jahren in den Sozialwissenschaften im Zuge des Positivismusstreites erneut Thema einer akademischen Diskussion, bei der sich die Vertreter des kritischen Rationalismus, vor allem Karl Popper und Hans Albert und die Vertreter der Frankfurter Schule, insb. Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas gegenüberstanden. Die empirisch positivistische Position besagte im Kern, dass Aussagen wissenschaftlich nur sinnvoll seien, wenn man sie durch Erfahrungen überprüfen kann und keine endgültige Verifikation möglich sei. Zudem seien Werturteile und Widersprüche in der Wissenschaft zu meiden. Die Vertreter der dialektischen Theorie waren hingegen der Auffassung, dass jede Beobachtung durch „Totalität“, also im Wesentlichen von der Struktur der Gesellschaft, beeinflusst wird. Deswegen muss das Ziel der Forschung eine ganzheitliche Analyse sein, die diese Totalität aufdeckt.

[4] Hier sei zu bemerken, dass der reine Altruismus ebenso folgenblind ist wie der unbedingte Egoismus des Homo oeconomicus. Trapp (1998) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Moralfalle“. Interessanter ist an dieser Stelle der unvollständige Altruismus, der bspw. Ungleichheits- oder Ungerechtigkeitsaversionen, Warm Glow oder Signalling berücksichtigt.

Tobias Kohlstruck und Svenja Schwind
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7 Antworten auf „Junge Autoren
Werturteile in der wirtschaftswissenschaftlichen Politikberatung“

  1. Ein weiteres, zentrales Problem ist m.E. die Rosinenpickerei wissenschaftlicher Erkenntnisse. Man beobachtet zunehmend, dass politische Akteure „die“ Wissenschaft immer dann heranziehen, wenn sie der Untermauerung der eigenen Position dient. Unbequeme Ergebnisse werden hingegen ignoriert bzw. als unbrauchbar abgetan (Stichwort: „Elfenbeinturm“).

  2. „Gleichwohl birgt die Idee einer Grundhypothese und daraufhin objektiv erforschter Wirkungsweisen auch Schwierigkeiten innerhalb der Politikberatung, da die Politikempfehlung von dem antizipierten Verhaltensmodell abhängt.“

    Es ist doch wenig erstaunlich, dass eine Politikempfehlung bei politisch festgelegtem Handlungsziel, ganz unterschiedlich ausfallen kann, wenn ganz unterschiedliche empirische Theorien zugrunde gelegt werden. Das keynesianische Modell liefert nun mal bei bestimmten Problemen ganz andere Handlungsempfehlungen als des neoklassische. Deshalb sollte die empirische Forschung versuchen herauszufinden, welche empirische Theorie die Beobachtungen besser beschreibt, die keynesianische oder die neoklassische oder eine andere. Für empirische Verhaltenstheorien gilt das gleiche. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es heute noch Ökonomen gibt, die mit einer naiven Homo oeconomicus Theorie argumentieren. Der empirische Befund liefert mittlerweile bewährte Alternativen zum schlichten Homo oeconomicus.

    „Woraufhin Kitcher die Frage stellt, ob es wirklich sinnvoller ist, dass die Öffentlichkeit die möglichen Szenarien bewertet anstelle eines Forschers, der sich hinreichend mit der Thematik befasst hat.“

    Die Frage, wie der „Forscher“ aus dem empirischen Befund seine politischen Handlungsziele auf wissenschaftliche einwandfreie Weise ableiten kann wird hier inhaltlich nicht diskutiert. Genau darin steckt aber das Problem. Auch Hilary Putnam hat dieses Problem nicht gelöst. Gerne würde man hierzu Ausführlicheres hören.

    Es gibt berühmte deutsche Klimaforscher, die so tun als ob aus ihren Modellen folgt, dass der Verbrennungsmotor spätestens ab 2030 verboten werden muss. Das ist aber wissensanmaßende Scharlatanerie.

    Der IPCC argumeniert ist seinen Berichten immer auf der Basis verschieden starker Wahrscheinlichkeiten. Er hat dafür sogar eine eigene Nomentklatur entwickelt. Die Entscheidung, welches Klimaziel angestrebt werden soll, kann nicht die empirische Forschung treffen. Die empirische Forschung kann die Wahrscheinlichkeit verschiedener Szenarien angeben. Wie die Verteilung von Kosten und Nutzen in diesen Szenarien bewertet werden soll, können nur die zuständigen politischen Institutionen, im Idealfall nach intensiver öffentlicher Debatte, treffen.

    Aus dem empirischen Wissen des Forschers kann kein politischer Herrschaftsanspruch abgeleitet werden. Auch wenn letzterer wahrscheinlich für viele gerade den ganz besonderen Reiz des normativen Wissenschaftsverständnisses ausmacht…

  3. Klingt ganz schön totalitär, diese „Neue Freiburger Schule“: „ob es wirklich sinnvoller ist, dass die Öffentlichkeit die möglichen Szenarien bewertet anstelle eines Forschers, der sich hinreichend mit der Thematik befasst hat.“

    Reminiszenzen an den seligen Innenminister Hermann Höcherl kommen da auf, der ja auch schon wusste, dass seine „Beamten nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen“ können…

  4. Lieber Herr Grelflnger,

    wie Sie dem Text entnehmen können bezieht stammt die Aussage von Kitcher und nicht von uns.

  5. Lieber Herr Kohlstruck,
    das verstehe ich nun aber gar nicht mehr. Sie zitieren doch Philip Kitcher ohne sich von seinen Aussagen zu distanzieren und beziehen sich dann später noch auf das Zitierte, in dem Sie schreiben: „Folglich zeigt sich, dass es ein kompliziertes Unterfangen ist, die Wissenschaft von Werturteilen freizuhalten, und diese tief in die Forschung mit eingebunden sind.“

    Das machen Sie so, obwohl Sie eigentlich ganz anderer Ansicht sind als Philip Kitcher? Das kommt mir nicht sehr plausibel vor.

    Mein Eindruck ist, Sie haben sich nur sehr oberflächlich mit der Problematik auseinandergesetzt. Sie zitieren die Aussagen von ein paar bekannten Namen und glauben, damit hätte sich auch schon eine inhaltliche Argumentation erledigt.

    Worauf Sie gar nicht eingehen, ist das Problem der Wahl eines normativen Bezugspunktes. Soll der Wissenschaftler, wenn er sich in der Beratung demokratischer Institutionen engagiert, etwa die Kant’sche Gesinnungsethik zugrunde legen, soll er die ergebnissorientierte Rawl’sche Position wählen oder den klassischen Utilitarismus oder soll er doch lieber, weil es so schön ungefähr ist, den Befähigungsansatz von Amartya Sen u.s.w. u.s.f. wählen?

    Da würde man dann gerne inhaltliche Gründe hören, welcher normative Bezugspunkt der „richtige“ ist (ein ziemlich schwieriges Problem) und warum es sinnvoll ist, dass der Wissenschaftler diese Entscheidung treffen soll und nicht die demokratische Institution, die er beraten soll.

  6. Es ging in dem Beitrag nicht darum eine Lösungen zu finden, sondern um das Thema zu diskutieren und unter anderem mit Kitchers Argumentation aufzuzeigen, dass es sich manche zu einfach machen, wenn sie nur auf Weber verweisen.

    Es geht nicht darum einen „richtigen“ Bezugspunkt zu bestimmen, den es meines Erachtens nicht gibt. Aber unabhängig davon, welcher gewählt wird, sollte deutlich erkennbar gemacht werden, was die normative Grundlage der Argumentation ist. Diese wird in den wenigsten Fällen von den zu beratenden Institutionen vorgeben.

  7. Wenn Sie konzedieren, dass es nicht möglich ist, den „richtigen“ normativen Bezugspunkt zu bestimmen und gleichzeitig fordern, dass „deutlich erkennbar gemacht werden (sollte), was die normative Grundlage der Argumentation ist“, stellt sich die Frage, warum Sie dann nicht explizit einfordern, dass der Wissenschaftler die zu beratende Institution darauf hinweist, dass man je nach „normativem Bezungspunkt“ zu unterschiedlichen Handlungseempfehlungen kommen kann und dass es deshalb erforderlich ist, durch eine politische Wahl den normativen Bezungspunkt zu setzen.

    Nur damit niemand sagen kann, dass Sie im Grunde einen ganz ähnlichen Standpunkt wie Max Weber vertreten?

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