Erwartungen bei Yen und Yuan außer Kontrolle

Der Druck auf die chinesische Dollar-Bindung ist wieder einmal stärker geworden. US-Finanzminister Geithner hat den Bericht über die Wirtschafts- und Währungspolitik der Handelspartner, der China als „Währungsmanipulator“ einstufen soll, zwar verschoben. Doch das Ultimatum läuft. Spätestens im Juni soll das G20-Treffen auf mulitlateraler Ebene den Durchbruch zu mehr Wechselkursflexibilität, d.h. Yuan-Aufwertung, bringen. Gelingt das nicht, kann sich die Regierung in Washington unter Umständen nicht mehr dem Druck des Kongresses zu Handelssanktionen entziehen. Spätestens der Handelsboykott sollte China zu dem bewegen, was dem Rest der Welt schon lange einleuchtet: Der Yuan muss aufwerten. Zum Besten für die Welt – und für China selbst!

Dennoch könnte man im Reich der Mitte anderer Meinung sein. Neben strukturellen Gründen sprechen Japan’s traumatische Erfahrungen mit diskretionärer Währungsmanipulation gegen ein Einlenken. Japan ist für China ein wichtiges Vorbild, weil der Export für das Wachstum eine ähnlich wichtige Rolle spielt. Japan war wie China aufgrund seines persistenten Handelsüberschusses lange Zeit dem Druck der USA hin zu einer Aufwertung des Yen ausgesetzt.

Japans Antwort auf die zentrale Frage, ob die Aufwertung des Yuan das Handelsungleichgewicht korrigieren bzw. den Inflationsdruck in China heilen kann, dürfe in beiden Fällen ein klares „Nein“ sein. Denn eine Aufwertung führt nicht – wie weithin angenommen – zwingend zur Korrektur eines Handelsungleichgewichts. Trotz drastischer Yen-Aufwertung und makroökonomischer Interventionen ist der japanische Handelsüberschuss seit Mitte der 80er Jahre im Niveau weitgehend unverändert. Zudem können wie in Japan durch die diskretionäre Währungspolitik andere Ungleichgewichte in Form von Überinvestition, Inflationsdruck und Blasen entstehen, die auf die Dauer die wirtschaftliche Dynamik lähmen.

Die makroökonomischen Experimente mit dem japanischen Handelsüberschuss gehen in die 80er Jahre zurück. Damals lag das Schwergewicht des internationalen wirtschaftspolitischen Interessenausgleichs noch bei den G5, die mit dem Plaza-Abkommen (September 1985) dem damals schon bestehenden Handelsdefizit der USA zu Leibe rückten (Funabashi 1988). Japan war (neben Deutschland) das wichtigste Überschussland, dessen Währung zur Korrektur des Handelsungleichgewichtes aufgewertet werden sollte. Die entsprechende G5-Willensbekundung schickte den weitgehend flexiblen Yen auf einen unkontrollierten Aufwärtspfad. Innerhalb von zwei Jahren wertete die japanische Währung von 236 (September 1985) auf 124 Yen pro Dollar (Mai 1988) um fast 50% auf. Der Handelsbilanzsaldo Japans blieb aber unberührt. Denn die japanischen Unternehmen steuerten mit Preissenkungen in Yen, Lohnzurückhaltung und Produktivitätsanpassungen gegen. Zudem bewirkte die starke Aufwertung eine tiefe Rezession, die auch die Importe sinken ließ. Im Ergebnis blieb der Nettohandelseffekt der immensen Yenaufwertung unbestimmt.

Abbildung:
Yen pro Dollar, Januar 1985 bis April 2010

Yen
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Stattdessen entstand eine Finanzmarktblase, da die Nachfrage nach Yen und Yen-denominierten Vermögenswerten sprunghaft anstieg. Das öffentliche Signal einer Yenaufwertung machte Yenkäufe zu einem risikolosen Spekulationsgeschäft. Die Aktien- und Immobilienmärkte boomten. Der positive Vermögenseffekt begünstigte den Konsum. Die japanische Bubble Economy nahm ihren Verlauf und wurde durch das Louvre-Abkommen (Februar 1987) weiter begünstigt: Um ein internationales Signal hinsichtlich einem Ende der Yenaufwertung (informelle Zielzonen) zu erreichen, stimmte Japan in Paris einer expansiven Geld- und Finanzpolitik zu. Die USA erhofften sich vom makroökonomischen Stimulus in Japan endlich den Rückgang des Leistungsbilanzungleichgewichtes durch steigende japanische Importe. Dieser stellte sich begünstigt vom japanischen Konsum- und Investitionsboom auch ein, während die Bubble Economy durch niedrige Zinsen weiter angeheizt wurde.

Im Dezember 1989 erreichte der Nikkei-Aktienindex seinen Höhepunkt. Er hatte sich seit 1984 verdreifacht. Nach Überschlagsrechnungen hatte der Wert der japanischen Präfekturen Tokio, Saitama, Kanagawa und Chiba den Wert der gesamten amerikanischen Landfläche plus aller an der Wallstreet notierten Unternehmen überstiegen. Als die japanische Zentralbank den Zins schrittweise anhob, um den Boom zu bremsen, platzte die Blase. Japan rutschte in eine tiefe Rezession und der Handelsüberschuss kehrte zu seinem Niveau vor Plaza und Louvre zurück. Das Land hat sich bis heute nicht erholt. Doch der desolaten Lage der japanischen Wirtschaft ist es wohl zu verdanken, dass der amerikanische Druck zur Aufwertung abebbte und sich ab Mitte der 90er Jahre gegen China richtete.

Wird China ein ähnliches Schicksal ereilen wie seinen östlichen Nachbarn? China hat von Japan gelernt, dass Wechselkurserwartungen eine zentrale Bestimmungsgröße von spekulativen Kapitalflüssen sind. Dies hat sich auch in der Phase von Juli 2005 bis August 2008 erwiesen, als die kontrollierte Aufwertung des Yuan von ca. 6% pro Jahr eine Welle von spekulativen Kapitalzuflüssen anzog, obwohl in dieser Zeit die US-Zinsen stiegen. Trotz Aufwertung stiegen die chinesischen Devisenreserven damit weiter an und die Peoples Bank of China verlor die Kontrolle über die Geldmengenentwicklung (McKinnon und Schnabl 2009).

Die große Krise brachte nicht nur das Ende der graduellen Aufwertung und die Rückkehr zur rigiden Dollarbindung, sondern es wurde durch historisch niedrige Zinsen und unkonventionelle Geldpolitiken in den großen Industrieländern auch ein immenses Volumen von spekulativem Kapital freigesetzt. Die offizielle Ankündigung der G20, eine Aufwertung zuzulassen, wäre der Startschuss für eine Tsunami von Carry Trades und risikoloser Wetten auf einen Wertanstieg des Yuan. Die ohnehin schon überhitzten chinesischen Immobilien- und Aktienmärkte würden weiter spekulativ aufgebläht, die Verzerrungen in der chinesischen Ökonomie, z.B. zugunsten des Export- und Bausektors weiter verstärkt.

Wozu Yuan-Wechselkurserwatungen außer Kontrolle langfristig führen können, bleibt der Fantasie des Lesers überlassen. Sicher ist, dass das derzeitige chinesische Wirtschaftswunder viele Parallelen zu Japan während der Bubble aufweist. Japan erinnert auch daran, dass die unerwarteten Nebeneffekte diskretionärer makroökonomischer Eingriffe zu immer größeren strukturellen Verwerfungen geführt haben, zu deren Korrektur noch größere Hebel eingesetzt wurden. Im Ergebnis wurde der wirtschaftspolitische Spielraum ausgereizt und das Wachstum eines Landes lahmgelegt, das über eine hoch motivierte und hoch qualifizierte Arbeitskraft verfügt. Es wird deshalb im Interesse der chinesischen Führung sein auf dem kommenden G20-Treffen die Wechselkurserwartungen unter Kontrolle zu halten. Angesichts des historisch niedrigen Weltzinsniveaus ist dieses Ziel derzeit am besten bei einem festen Wechselkurs zu erreichen.

Funabashi, Yoichi 1989: Managing the Dollar: From the Plaza to the Louvre. Institute for International Economics, Washington D.C.
McKinnon, Ronald / Schnabl, Gunther 2009: The Case for Stabilizing China’s Exchange Rate: Setting the Stage for Fiscal Expansion. China and the World Economy 17, 1-32.

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