Gastbeitrag:
Die EZB als ,Marktmacher’

Die EZB hat auf zweifache Weise ihre bisherigen Grundsätze einer stabilitätsorientierten Politik aufgegeben – durch eine Absenkung ihrer Anforderungen an die Beleihungssicherheiten sowie durch den Ankauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt. Seit dem 3. Mai 2010 können griechische Staatsanleihen unabhängig der externen Bewertung durch Rating-Agenturen zur Refinanzierung eingereicht werden. Auf Beschluss des EZB-Rats wurde am 10. Mai 2010 mit dem Ankauf griechischer, portugiesischer und irischer Anleihen durch die Notenbanken Deutschlands, Frankreichs und Italiens begonnen.

Konkret verstoßen die Maßnahmen zumindest inhaltlich gegen eine Reihe von gemeinschaftlichen Grundsätzen. Folgende Artikel des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind direkt oder indirekt betroffen:

  • Verbot des finanziellen Beistands (Art. 125 AEUV);
  • Unabhängigkeit der EZB (Art. 127; 130; 282 Abs. 2 AEUV);
  • Ziel der Preisstabilität (Art. 119 Abs. 2/3; 127 Abs. 1/2; 282 Abs. 2 AEUV);
  • Verbot der monetären Finanzierung von Staatshaushalten (Art. 123 Abs. 1 AEUV);
  • Verbot des bevorrechtigten Zugangs zu Finanzinstituten (Art. 124 AEUV);
  • Währungsbeistand (Art. 143 Abs. 1 AEUV);
  • Kreditgewährung (Art. 143 Abs. 2 AEUV).

Mit dem Ankauf von Staatsanleihen macht sich die EZB zum ,Marktmacher’. Sie übernimmt damit die Funktion großer Geschäftsbanken, die bislang für die Marktgängigkeit dieser Wertschriften gesorgt haben. Durch die Möglichkeit des Ankaufs durch die EZB hat diese nicht nur entsprechende Papiere, sondern auch diese Funktion von den Banken übernommen. Als zusätzlicher oder bei ausgetrockneten Märkten gar als einziger Nachfrager von nicht marktgängigen Staatsschuldtiteln greift sie direkt in das Marktgeschehen ein. Damit ist sie Regelsetzer und Marktakteur in einer Institution. Interessenkonflikte zwischen der Verfolgung des Ziels der Preisstabilität und der Vermeidung von Verlusten aus Anleihegeschäften durch eine inflationäre Politik liegen auf der Hand. Auch Bundesbankpräsident Weber äußerte Zweifel in einem Interview der Börsen-Zeitung v. 11.05.2010, S. 1 „Der Ankauf von Staatsanleihen birgt erhebliche stabilitätspolitische Risiken, und ich sehe diesen Teil des Beschlusses kritisch“.

Selbst unter der Annahme einer durch Gegengeschäfte neutralisierte Geldmengenwirkung bewirkt der Markteingriff der EZB eine Verzerrung der Kapitalmarktrenditen. Durch den Anleihenkauf erhöht sich nicht nur der Kreditspielraum hoch verschuldeter Staaten und verzögert deren Konsolidierung. Auch deren Zinskosten sinken und stellen eine Prämie für eine unsolide Haushaltpoltik dar. Umgekehrt erleiden andere, solvente Schuldnergruppen bei der Liquiditätsabschöpfung einen Zinskostennachteil. Mittels dieser Quasi-Subventionierung auf der einen und der Besteuerung auf der anderen Seite werden Zinsdifferenzen eingeebnet. Es entstehen falsche Marktsignale, die zu Fehlallokationen führen. Die in Folge abrupt gesunkenen, knappheitswidrigen Risikoprämien für die ausfallgefährdeten Staaten werden sich dort in fortlaufender konsumtiver Mittelverschwendung und unrentablen Investitionsruinen widerspiegeln. Über den Transmissionsmechanismus wirkt sich dieser Effekt bis zum’kurzen Ende’ des Geldmarktes hin aus. Die stark gesunkenen Renditen der Krisenstaaten spiegeln nur scheinbar real gesunkene Risiken und Vertrauen wider. Die Risikokosten werden vielmehr zu Lasten der Geberstaaten und deren Bevölkerung sozialisiert und den privaten Investoren entsprechender Anlagen abgenommen.

Der Markteingriff der EZB erzeugt einen Nachfrageüberhang, bei dem insbesondere französiche Geschäftsbanken griechische Wertschriften zu lukrativen Konditionen abstoßen, um ihre eigenen Bilanzen von Risiken freizumachen. In einer Selbstverpflichtung haben deutsche Banken gegenüber Finanzminister Schäuble hingegen zugesagt, griechische Anleihen bis bis Mai 2013 halten zu wollen. Inoffiziell scheint die Regel zu bestehen, dass die Anleihekurse vom 9. April 2010 als Referenz für die Ankaufaktivitäten der EZB genommen werden. Dieses Datum gilt als Schnittpunkt, ab dem die Zahlungsfähigkeit Griechenlands stark in Frage gestellt wurde und die Zinssätze entsprechend stiegen.

Mit dieser Maßnahme interveniert die EZB gegen den Markt. Dabei stellt sich den Marktteilnehmern und speziell den Spekulanten die Frage, wie lange kann die EZB diese Poltik der Marktintervention durchhalten. In den ersten beiden Wochen seit Einführung dieser Regelung wurden täglich Anleihen von knapp 3 Mrd. € von der EZB angekauft, davon etwa 2 Mrd. € griechische Staatsanleihen. Entgegen der Hoffnung, diese Maßnahme lediglich für wenige Tage in Anspruch nehmen zu müssen, könnte sie sich im ungünstigen Fall zu einem dauerhaft notwendigen Instrument zur Marktregulierung entwickeln.

Da der Markteingriff der EZB u.a. mit fundamental nicht gerechtfertigten Renditeaufschlägen der Krisenstaaten begründet wird, bleibt außerdem die Frage unbeantwortet, wo denn bei zentralwirtschaftlicher Steuerung der ,richtige’ Zinssatz für diese Staatsschulden liegen sollte. Eine Klärung abseits dezentraler Informationsbeschaffung seitens der Marktteilnehmer beruht entweder auf einer ,Anmaßung von Wissen’ oder auf politisch bewusst falsch gesetzten Preisen. Man sieht: Auch Mindestpreise für Staatsanleihen sind bedenklich.

Der Verfasser gehört zum Kreis von Personen um die Europolis-Gruppe unter dem Handlungsbevollmächtigten Markus C. Kerber, die gegen das Gesetz zur Griechenlandhilfe und zum ,Rettungsschirm’ Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BverfG) eingelegt haben.

Eine Antwort auf „Gastbeitrag:
Die EZB als ,Marktmacher’“

  1. Ich hatte mich darüber auch schon mal ausgelassen. Fakt ist die EZB hat sich als wenig politisch „unabhängig“ gezeigt und wenn man dann noch die Überlegungen zu einer europäischen Ratingagentur mit einbezieht (wer sollte die denn z.B. beaufsichtigen) ist die Richtung mehr als „deutlich“. Das Lügengebäude um den EUR soll um jeden Preis erhalten werden, somit wird genau der Manipulation, die man mit der EZB im Zaum halten wollte, Vorschub geleistet… Die Interessen der Menschen an einem stabilen Wertaufbewahrungsmittel, werden schlicht und einfach ignoriert. Damit dürfte die „Politikverdrossenheit“ wieder ein gutes Stück zunehmen. Und es ist absehbar irgendwann werden sich die „Politiker“ vor dieser immer mehr zunehmenden Verdrossenheit schützen wollen. Was dann passieren wird, darf sich jeder selbst ausmalen….

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