Exportfunke springt auf das Inland über

Schneller als erwartet sind die Investitionen in Deutschland nach der Krise wieder angestiegen. Die bereits im vergangenen Jahr einsetzende Erholung des Außenhandels hat die Investitionstätigkeit hierzulande – wie meistens auch in früheren Zeiten – kräftig angeregt.

In Deutschland wurde durch die starke und mittlerweile breit angelegte Erholung bereits kräftig Boden gutgemacht. Der Weg aus der Krise lief zunächst ausschließlich über die Erholung der Ausfuhrtätigkeit und in sektoraler Hinsicht über die Industrie. Dabei wurde der deutsche Außenhandel in starkem Maß durch die kräftig anziehende Nachfrage aus den aufstrebenden Volkswirtschaften angetrieben. Die Ausfuhrtätigkeit der deutschen Industrie wird auch weiterhin das gesamtwirtschaftliche Wachstum prägen. Gleichwohl ist bereits im Jahr 2010 ein Wechsel der Auftriebskräfte hin zu einer stärkeren Bedeutung der Binnennachfrage zu beobachten. Der Exportfunke ist bereits deutlich auf die Investitionstätigkeit der Unternehmen übergesprungen. Mit der weiteren Verstetigung der Arbeitsmarkt- und Einkommensentwicklung wird schließlich auch der private Konsum immer stärkere Wachstumsbeiträge liefern.

Dieses schnelle Überspringen des Exportfunkens auf die Inlandsnachfrage wurde zunächst nicht erwartet. Noch im Frühjahr 2010 wurde davon ausgegangen, dass sich die Investitionen im gesamten Jahr 2010 mehr oder weniger in einer Wartestellung befinden werden. Die realen Ausrüstungsinvestitionen stagnierten nach dem starken Einbruch im ersten Quartal 2009 über das gesamte Jahr 2009 hinweg auf dem Krisenniveau, das sich fast 25 Prozent unter dem Niveau des vorhergehenden Höhepunkts befand (Abbildung 1). Zunächst dominierte die Ansicht, die Unternehmen warten erst einmal mit ihren Investitionen ab, um zu sehen, ob denn die globale Nachfrage durchhält und es nicht zu einem erneuten Einbruch, einem „double-dip“, kommt.

Abbildung 1: Investitionen in Deutschland

Exportfunke
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Anmerkung: Entwicklung der preis- und saisonbereinigten Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland; Index: 1. Quartal 2004 = 100.
Quellen: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.

Offensichtlich hat sich die Zuversicht in eine anhaltende Aufwärtsbewegung der Weltwirtschaft verfestigt. In der Folge kam in den ersten neun Monaten des Jahres 2010 die Investitionstätigkeit in Deutschland schnell und vor allem kräftig in Fahrt (siehe auch Abbildung 1). In den ersten drei Quartalen des Jahres 2010 stiegen die preis- und saisonbereinigten Ausrüstungsinvestitionen jeweils gegenüber dem Vorquartal um durchschnittlich 4,2 Prozent kräftig und ziemlich gleichmäßig an. Dabei wurde im zweiten Quartal 2010 der entsprechende Vorjahreswert um 9,5 Prozent und im dritten Quartal 2010 sogar um 11,4 Prozent übertroffen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres übertrafen die realen Ausrüstungsinvestitionen den entsprechenden Vorjahreswert insgesamt um rund 7,5 Prozent. Freilich liegt das Investitionsvolumen vom dritten Quartal 2010 noch um knapp 15 Prozent unter dem Rekordniveau der Jahre 2007 und 2008.

Ein relativ schnelles und kräftiges Überspringen des Exportfunkens auf die Binnenkonjunktur war meist auch in früheren Konjunkturzyklen zu beobachten: Abbildung 2 zeigt für die vier konjunkturellen Phasen 1975 bis 1982, 1982 bis 1993, 1993 bis 2003 und 2003 bis 2009, ob und wie stark die preisbereinigten Ausrüstungsinvestitionen den realen Waren- und Dienstleistungsausfuhren gefolgt sind.

Abbildung 2: Exporte und Investitionen in Deutschland

Exportfunke
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Anmerkung: Entwicklung der realen Exporte und der realen Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland (bis 1990 Westdeutschland; ab 1991 Deutschland) in den einzelnen Konjunkturzyklen, Index: jeweiliger konjunktureller Tiefpunkt = 100.
Quellen: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.

Zunächst ergibt sich für die ersten beiden Konjunkturzyklen ab 1975 und ab 1982 in den Aufschwungjahren eine nahezu deckungsgleiche Dynamik beider Nachfrageaggregate. Dieser enge Gleichlauf von Exporten und Ausrüstungsinvestitionen war aber in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre und im Zeitraum 2000 bis 2003 nicht mehr gegeben. Die Exporte konnten in diesen beiden Phasen nicht mehr im gewohnten Ausmaß die Investitionstätigkeit im Inland stimulieren. Als Ursachen für den unterbrochenen Transmissionsriemen vom Export hin zu den Inlandsinvestitionen können Probleme auf der Angebotsseite in Deutschland angeführt werden. Im internationalen Vergleich hohe Steuersätze und die vergleichsweise hohen Lohnstückkosten stellten ein Rendite- und Standorthandicap dar. Außerdem trug die Unsicherheit bezüglich der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zur Investitionszurückhaltung bei. Und nicht zuletzt boten sich in dieser Zeit – etwa durch die wirtschaftliche Öffnung der Länder Mittel- und Osteuropas – neue internationale Anlagealternativen.

Der im Jahr 2008 zu Ende gegangene Aufschwung war dagegen wieder von einem bemerkenswert engen Gleichlauf von Exporten und Ausrüstungsinvestitionen geprägt. Angebotsseitige Belastungen wie zur Jahrtausendwende waren offenbar nicht dominierend. Im Zeitraum 2003 bis 2008 stiegen die realen Exporte um insgesamt 48 Prozent und die preisbereinigten Ausrüstungsinvestitionen um insgesamt 41 Prozent an. Damit wurde das Wachstum in Deutschland nicht nur vom Außenbeitrag, also dem Exportüberschuss, sondern auch von der Investitionstätigkeit im Inland angetrieben. Das Krisenjahr 2009 war schließlich von einem starken Einbruch der Exporte und der Investitionen geprägt.

Erfreulicherweise wird die in erster Linie über die Ausfuhrtätigkeit stimulierte Erholung in Deutschland bereits im Jahr 2010 wieder von einer anziehenden Investitionstätigkeit begleitet. Damit läuft auch in der gegenwärtigen Erholungsphase die deutsche Konjunktur nicht mit Schlagseite, sondern auf dem Auslands- und dem Inlandsbein. Jedwede Verschlechterung der Angebots- und Standortbedingungen gefährdet diesen Gleichlauf. Für die Wirtschaftspolitik bedeutet dies: Ihr Fokus muss weg von der kurzfristigen Konjunkturfixierung und hin zum langfristigen Wachstumspfad gerichtet werden. Die wichtigsten Aufgaben der Wirtschaftspolitik in Deutschland sind die Stärkung der Angebotsseite über eine ausgabenseitige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte sowie die permanente Verbesserung der Investitionsbedingungen zur Weiterentwicklung des Produktionspotenzials.

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