Occupy the NBA- „we want the 52.5 percent!“
Auswirkungen von Spielergewerkschaften im Sport

Aufgrund eines Streiks verschiebt sich das für den 1. November 2011 terminierte erste Spiel der NBA-Saison zwischen den Dallas Mavericks und den Chicago Bulls bis auf weiteres. Seit dem 1.06.2011 ringen die Spielergesellschaft NBPA (National Basketball Players Association) unter NBPA-Präsident Derek Fisher und die Teambesitzer der NBA unter Liga-Commissioner David Stern um einen neuen Tarifabschluss (o.V., 2011a). Nachdem nunmehr alle Novemberspiele abgesagt wurden, zieht sich die Zwangspause nach neuerlichem Abbruch der Vertragsverhandlungen mindestens bis Mitte Dezember hin. Selbst bei einer verkürzten Vorbereitungsphase dürften somit die beliebten Spiele während der Weihnachtsfeiertage ausfallen (o.V., 2011b).

Hauptstreitpunkt, der den Fans diesen „nuklearen Winter“ beschert, zwischen den Ligabesitzern und der Spielergewerkschaft NBPA ist die Aufteilung der jährlichen Gesamteinnahmen von rund 4,3 Milliarden US-Dollar. Während der alte Arbeitsvertrag eine Aufteilung der Gesamteinnahmen zwischen Spielern und Besitzern von 57:43 vorsah, fordern die Ligabesitzer nun eine Reduktion der Spielerlohnquote auf 47% (o.V., 2011c) sowie zusätzlich eine Gehaltsobergrenze von 45 Millionen US-Dollar pro Team. Auf Forderungen der NBPA von 53% reagierten die Eigentümer schließlich mit einem 50:50-Vorschlag, der jedoch mit der Begründung: „Nach wie vor glauben wir, dass unser Angebot fairer und logischer ist. Hier geht es nicht um ein paar Dollar und Cent für die Spieler, sondern um ein vernünftiges System für die Zukunft.“ (Derek Fisher) abgelehnt wurde. Nachdem auch die Verhandlungen mithilfe des Schlichters George Cohen, Direktor des Federal Mediation and Conciliation Service, zu keinem Ergebnis führten, will die Spielergewerkschaft sich nun auflösen, um als neu gegründete Handelsgesellschaft die Liga verklagen zu können, womit sich in zeitnaher Zukunft Gerichte mit dem Fall beschäftigen werden müssen (o.V., 2011d).

Eine Gewerkschaft ist eine Gruppe von Anbietern am Arbeitsmarkt, die sich zusammenschließt, um gemeinsam Marktmacht auszuüben. Diese Gruppe, die damit eine Art von Kartell bildet, ändert das jeweilige Marktergebnis einer Branche. Im US-amerikanische Ligensystem, und damit auch in der NBA, liegt nun folgende Situation vor: Während die Anbieter durch den Zusammenschluss zu einer Gewerkschaft über eine bessere Möglichkeit verfügen, das Monopolergebnis durchzusetzen, handelt die Nachfrageseite, also die Liga, infolge fehlender Konkurrenzligen und der vorhandenen Spielerbindungsinstrumente (Reservierungsklausel, Draft-System) in Form eines Monopsons.

Monopson am Arbeitsmarkt
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Die Abbildung zeigt, inwiefern die Spielergewerkschaft die Monopsonmacht der Clubs durch die Bildung eines einstimmig agierenden Gegenspielers begrenzen kann. Ohne Gewerkschaft sehen sich die Spieler mit einem Monopson auf der Nachfrageseite konfrontiert. Die Liga kann durch ihre vorhandene Marktmacht den Lohn wM durchsetzen, womit sich entsprechend eine Arbeitsnachfrage in Höhe LM einstellt. Schließen sich die Spieler nun zu einer Spielergewerkschaft wie im Falle der amerikanischen Basketballer zusammen, handelt nun die Angebotsseite als Monopol. Das Monopoloptimum liegt in dem Punkt, in dem die Grenzkosten dem Grenzerlös entsprechen. Wäre auf der Nachfrageseite keine monopsonisische Marktmacht vorhanden, so würde sich das Marktgleichgewicht (wu,Lu) ergeben. Auf den Fall der amerikanischen Sportligen ist durch die Konstellation Monopson- Monopol folglich mit einem Marktergebnis zwischen wU und wM zu rechnen – abhängig vom Verhandlungsgeschick der jeweiligen Parteien (Daumann, 2011).

Die Spielergehälter in der NBA stiegen inflationsbereinigt in den letzten 10 Jahren um 24,3% – in den letzten 5 Jahren immerhin um 5,4% – und dürfen dabei nicht 57% der Ligaeinnahmen übersteigen. Im Vergleich zu den anderen großen US-Ligen, der NFL, der MLB sowie der NHL, ist der alte Tarifvertrag, der eine Gehaltszahlung von 57% der Einnahmen vorsieht, keine Besonderheit: In der NFL liegen die Gehälter durchschnittlich bei 56%, in der MLB bei 58% und in der NHL bei 54% der Einnahmen. Auch sind die Zuwachsraten der Löhne ähnlich hoch wie in den anderen US-amerikanischen Ligen.

Auf der Nachfrageseite behaupten die Eigentümer der Ligen aber, nicht profitabel zu sein, und begründen damit die notwendige Absenkung der bisherigen Tarifvereinbarung. Das Forbes Magazine hingegen schätzt die NBA als durchaus profitabel unter dem alten Tarifvertrag und im Vergleich zu anderen Unternehmungen einer solchen Größenordnung als alles andere als defizitär wirtschaftend ein. Der operative Gewinn wird von Forbes auf rund 6 Millionen US-Dollar pro Team geschätzt. Vermutet wird, dass sich die Clubs ihre angegebenen Verluste durch „legale Mogeleien“ und größtenteils durch unübliche buchhalterische Verfahren erworben haben. Von 30 Vereinen behaupten 22, in der Vorsaison nicht profitabel gearbeitet zu haben und Verluste von 180 Millionen US-Dollar generiert zu haben. Forbes hingegen benennt Gewinne in Höhe von 340 Millionen US-Dollar, was allerdings vergleichsweise wenig ist zu den Profiten, die in der MLB und der NFL erwirtschaftet werden (Silver, 2011).

Angesichts der Tatsache, dass die Durchschnittsgehälter der US-amerikanischen Ligen durchweg höher sind als beispielsweise in der Premier League, der Ligue 1 oder der Bundesliga, stellt sich die Frage, ob sich auch Europa in absehbarer Zukunft mit der Thematik von ausfallenden Spielen aufgrund streikender Sportler zu tun haben könnte. Im Gegensatz zu den US-amerikanischen Ligen sind Spielerbindungsmechanismen in europäischen Ligen jedoch kaum vorhanden. Hinzu kommt, dass sich Ligen innerhalb Europas mit direkter Konkurrenz aus dem europäischen Ausland abfinden müssen. Die Monopsonstellung im US-amerikanischen Markt ist folglich wesentlich höher als im europäischen Markt. Entsprechend stärker sind Spielergewerkschaften in den USA ausgebildet und entsprechend wahrscheinlicher kommt es dort zu Streiks (Daumann, 2011). Dennoch kam es in Spanien im Sommer 2011 aufgrund offener Gehaltszahlungen zu einem Streik in der spanischen Primera División (o.V., 2011e).

Aus ökonomischer Sicht lässt sich diskutieren, ob die Tarifhoheit der Gewerkschaften im Bereich des Sports so zweckmäßig ist, wie sie im Grundgesetz und durch die Rechtsprechung festgelegt ist.

Grundsätzlich besteht bei vorhandenen Gewerkschaften eine Insider-Outsider-Problematik: Durch den durch die Gewerkschaft höheren durchgesetzten Lohn sinkt die nachgefragte Menge nach Arbeit, so dass Arbeitslosigkeit entsteht bzw. Arbeiter entlassen werden. Ein ineffizientes Marktergebnis, das einige Arbeitnehmer zulasten anderer begünstigt, etabliert sich. Diese Problematik ist in Bezug auf die NBA jedoch wenig stark ausgeprägt, da es nur wenige lohnbedingte arbeitslose Profi-Basketballer geben sollte. Jedoch gibt es auch in der NBA Geringverdiener, die sich mit einer 50:50 Regelung abfinden könnten. Auch Neuverpflichtungen könnten zurückgehen.

Bisherige Einnahmeverluste der Liga, die durch Streichung aller Testspiele bedingt waren, betrugen bereits 200 Millionen US-Dollar. Es lässt sich schwer abschätzen, wie hoch die Verluste der Streichung aller Spiele bis Mitte Dezember seien wird: Entschädigungen für Dauerkartenbesitzer und TV-Stationen aufgrund von nicht ausgetragenen Spielen spielen hierbei – neben dem nicht einschätzbaren Imageschaden – eine Rolle. Selbst die NHL, in der die komplette Saison 2004/05 aufgrund eines Streiks ausfiel, und die über ein festes Stammpublikum verfügt, hat rund vier Jahre gebraucht, sich von diesem durch den Streik verursachten Imageschaden zu erholen. Schon jetzt lässt sich eine Abwanderung der Zuschauer vor allem zum Collegebasketball sowie zur NHL feststellen. Auch ist mit einer Einbuße bezüglich der Produktivität der Liga zu rechnen. Profis, die nicht in den kommenden Wochen des Streiks im Ausland spielen, wird es gerade zu Anfang der Saison an Form und Fitness mangeln (Rau, 2011).

Demgegenüber stellt die Spielergewerkschaft auf dem Arbeitsmarkt im US-amerikanischen professionellen Sport eine Gegenmacht zu den Arbeitgebern dar, die durch die Spielerbindungsinstrumente und durch fehlende Konkurrenzligen eine Monopsonstellung etablieren und damit niedrigere (erheblich unter dem Wertgrenzprodukt liegende) Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen durchsetzen können. Im Sinne des Countervailing Power-Konzepts (Galbraith, 1952) kann hierbei die Spielergewerkschaft also für eine Relativierung der Marktmacht der Clubs sorgen – allerdings auch mit allen negativen Konsequenzen für die nachgelagerten Märkte.

Durch die nun geplante Auflösung der NBPA und der anschließenden Klage der Spieler gegen die NBA als neu gegründete Handelsgesellschaft wird sich auf indirektem Wege der Gesetzgeber mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie viel Macht er auf freie Tarifverhandlungen ausüben möchte.

Literatur

Daumann, Frank (2011): Grundlagen der Sportökonomie, Stuttgart.

Galbraith, J. K. (1952), American Capitalism: The Concept of Countervailing Power, Boston

Rau, Maximilian (2011): Blamage in 22 Akten, Zugriff 15.11.2011 unter http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,797064,00.html

Silver, Nate (2011): Calling Foul on NBA’s Claims of Financial Distress, Zugriff 15.11.2011 unter http://fivethirtyeight.blogs.nytimes.com/2011/07/05/calling-foul-on-n-b-a-s-claims-of-financial-distress/

o.V. (2011a): Spielabsagen im US-Basketball: Rollentausch im NBA-Streik, Zugriff 15.11.2011 unter http://www.taz.de/!79774/

o.V. (2011b): Liga streicht weitere Spiele, Zugriff 15.11.2011 unter http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,798073,00.html

o.V. (2011c): NBA streicht weitere Spieltage, Zugriff 15.11.2011 unter http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,794728,00.html

o.V. (2011d): Besitzer stellen Spielergewerkschaft Ultimatum, Zugriff 15.11.2011 unter http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,796150,00.html

o.V.(2011e): Der Streik der Profi-Fußballer, Zugriff 15.11.2011 unter http://www.zeit.de/sport/2011-08/spanien-fussball-streik-primera-division

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