OrdnungsPolitiker
Mario Draghi auf Alan Greenspans Spuren

Alan Greenspans ultralockere Geldpolitik befeuerte im letzten Jahrzehnt die US-Immobilienpreisblase, deren Platzen eine globale Finanzkrise auslöste. Mario Draghi stellt seiner Nullzinspolitik ein erstklassiges Zeugnis aus. Dass er auf Alan Greenspans gefährlichen Pfaden wandelt, scheint er zu verdrängen. Und die Politik goutiert die Zinsersparnisse und meidet unpopuläre Reformen.

Mario Draghi stilisiert sich gern als Retter des Euro. Beifall gibt es dafür regelmäßig aus Südeuropa und der angelsächsischen Ökonomenzunft. Bei der Nobelpreisträgertagung in Lindau nannte er die unkonventionelle Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) einen „vollen Erfolg“. Sein Eigenlob ist ein Seitenhieb an die Adresse des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, das Mitte August deutliche Vorbehalte gegen die Staatsanleihenkäufe der EZB formuliert und in dieser Frage den Europäischen Gerichtshof (EuGH) einschaltet hat.

Auch nach Jackson Hole keine Exit-Strategie

Nach Draghis Auftritt am Bodensee war kaum zu erwarten, dass beim Notenbank-Treffen im amerikanischen Jackson Hole am Wochenende deutliche Signale in Richtung Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik zu hören sind – jedenfalls nicht von ihm. Womöglich verlangsamt selbst die US-Notenbank (Fed) ihren Zinserhöhungspfad, weil die chaotische Trump-Administration und die jüngsten US-Konjunkturdaten zur Vorsicht mahnen.

Alan Greenspans Zinspolitik befeuerte die Immobilienblase

Die Risiken einer ultralockeren Geldpolitik sind nicht nur theoretischer Natur. Sie waren der Auslöser der verheerenden Immobilienpreiskrise, die ausgehend vom kollabierenden US-Häusermarkt vor neun Jahren Schockwellen auf den globalen Finanzmärkten auslöste. Dafür stand der langjährige Fed-Chef Alan Greenspan, lange verehrt, aber schlussendlich mit seiner Niedrigzinspolitik verantwortlich für eine Vermögenspreisblase ungeahnten Ausmaßes. Dass die US-Finanzindustrie mit einer geschickten „Verpackungsstrategie“ wertlose Immobilienpakete schnürte und sie an gierige Banken rund um den Globus hochpreisig verscherbelte, erhöhte das Infektionsrisiko bekanntlich dramatisch. Die Auswirkungen auf die Realwirtschaft waren gewaltig. In Deutschland führten die Folgen im Jahr 2009 zur schärfsten Rezes-sion seit dem II. Weltkrieg.

Die Abschaffung des Zinses befördert die Spekulation

Wer den Zins als Risikoprämie abschafft, erntet gewaltige Risiken und Nebenwirkungen. Die Vermögenspreise – Aktien und Immobilien – haussieren. Die Finanzmärkte hängen wie Junkies an der Nadel der Notenbanken. Die Werthaltigkeit von Vermögensanlagen steht weniger im Fokus als die supergünstigen Finanzierungsbedingungen. Es wird allenthalben wieder Schrott gekauft, weil hohe Renditen dazu verführen. Klassische Sparanlagen versprechen keine Rendite mehr – trotz relativ niedriger Inflation. Also treiben die Notenbanken die Märkte in spekulative Anlagen, die Verbraucher in den Konsum. Dabei verlangte die Alterung der Gesellschaft dringend nach mehr solider Vorsorge.

Politischer Reformelan wird vom Niedrigzins erstickt

Auch die Politik wird ins Risiko getrieben. Im Monatsbericht der Bundesbank vom Juli 2017 ist akribisch aufgelistet, wie hoch die Zinsausgabenersparnisse der Euroraum-Länder wegen der Nullzinspolitik im Vergleich der Jahre 2007 (Vorkrisenjahr) und 2016 ausfallen. Obwohl (bis auf Malta) alle anderen 18 Euro-Länder ihre Staatsschulden in diesen neun Jahren massiv ausgeweitet haben, sanken die kumulierten Zinsausgaben um fast 1 Billion Euro, wenn man die damaligen Refinanzierungskosten mit den aktuellen vergleicht. Allein für Deutschland errechnet die Bundesbank eine gesamtstaatliche Zinsersparnis von knapp 250 Milliarden Euro in neun Jahren. Ohne diesen Effekt wäre Wolfgang Schäuble nicht Herr der schwarzen Null. Die dramatischste Konsequenz dieser Wind-Fall-Profite: Die Politik verzichtet europaweit auf eine Konsolidierung der Staatsbudgets. Doch die Zinswende kommt ebenso sicher wie die nächste Rezession. Die mangelnde Vorsorge wird sich bitter rächen.

Hinweis: Der Beitrag erschien am 25. August 2017 in „The European“

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