Wie weit wachsen die Bäume in den Himmel? Anmerkungen zur Wachstumskritik

Unsere natürlichen Ressourcen sind endlich. Ihre Nutzung in der Produktion ist notwendig, um Güter herzustellen, so Konsum zu ermöglichen und Wachstum zu generieren. Im Ergebnis geht so ein Schwinden der natürlichen Ressourcen mit einem Wachstum an Einkommen, an Waren und Dienstleistungen einher. Ob dies als steigender Wohlstand zu begreifen ist, darüber scheiden sich jedoch schon seit langer Zeit die Geister. Vierzig Jahre nach dem Manifest des Club of Rome im Jahr 1972 (The Limits to Growth) ist die Wachstumskritik heute wieder in aller Munde. Auch viele Forscher zweifeln daran, ob unsere auf Wachstum ausgerichtete Gesellschaft in dieser Form zukunftsfähig sei. Degrowth-Konferenzen genießen steigende Beliebtheit. Die Zahl der Blogs, Bücher und Fachaufsätze nimmt zu – siehe als Beispiel den Blog Postwachstumsgesellschaft. Regierungen setzen Kommissionen ein, die klären sollen, ob Wohlstand auch ohne Wachstum erreichbar sei.

Die Wachstumskritiker behaupten, die Annahme eines dauerhaft möglichen Wachstums sei falsch. Denn Wachstum fuße auf der Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Die Menge dieser Ressourcen ist endlich. Wachstum bedeute daher in erster Linie Ressourcenverbrauch und führe zu Umweltverschmutzung, so die Grundaussage von Miegels Buch Exit – Wohlstand ohne Wachstum.

Mit anderen Worten: Die Bäume wachsen nicht in den Himmel.

Unbestritten ist, dass ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum nicht durch einen immer weiter steigenden Einsatz der Produktionsmittel, also des Kapitalstocks oder der natürlicher Ressourcen, erreicht werden kann. Dies ist zwar temporär möglich, führt aber zwingend zu einem toten Punkt (respektive, siehe Solows Wachstum-Modell, bei weiterer Ausdehnung des Kapitaleinsatzes über den durch die goldene Regel bestimmten Punkt hinaus zu einer Minderung der Konsummöglichkeiten). Die einzige Möglichkeit, darüber hinaus zusätzliches Wirtschaftswachstum zu generieren, ist technischer Fortschritt – also Erfindungen, Innovationen, Verbesserungen.

Für langfristiges, nachhaltiges Wachstum ist daher nicht der vermehrte Einsatz von Ressourcen, Kapital und Arbeit entscheidend. Dies wird zwar gelegentlich suggeriert, ist aber nicht plausibel. Entscheidend ist vielmehr die Entwicklung der Produktivität der Produktionsmittel. Denn diese ändert sich mit dem technischen Fortschritt. Die Statistik misst sie als Totale Faktorproduktivität. Im langfristigen Trend ist die Totale Faktorproduktivität in Deutschland deutlich positiv. Dies ist nicht automatisch so, sondern eine Folge von Ideen, von Innovationen, von Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Wachstum, das auf eine bessere, produktivere Nutzung von Ressourcen setzt, ist weitestgehend unabhängig von der Zunahme der Nutzung begrenzter natürlicher Ressourcen. Ob wir das Produktivitätswachstum in die Zukunft werden fortschreiben können, ist allerdings nicht vorauszusagen.

Doch Technischer Fortschritt entsteht ja nicht zufällig. Dies mag zwar für manche bahnbrechende Erfindung gelten, doch die Steigerung der Produktivität im Prozess der Erstellung von Waren und Dienstleistungen ist gewollt, wird von den Unternehmen geplant und in der Umsetzung mit dem Einsatz von Forschungsmitteln betrieben. Die Unternehmen einer Volkswirtschaft investieren gezielt in Forschungs- und Entwicklungsarbeit. In den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen entstehen dann Ideen und Innovationen, die der Wirtschaft zugutekommen und die Produktivität der eingesetzten Ressourcen steigern. Der Innovationsvorsprung solch forschender Unternehmen stellt einen Anreiz dar, weiterhin in Forschung und Entwicklung zu investieren. Der Wettbewerbsdruck wiederum sorgt dafür, dass die Innovationen rasch von allen Mitbewerbern imitiert werden müssen. Insofern kann man für eine Wettbewerbswirtschaft behaupten: Der technische Fortschritt wird von den Anreizen und Wünschen der Unternehmen mit Abteilungen für Forschung und Entwicklung gezielt gesteuert – er verläuft nicht zufällig.

Die Forschungsarbeit läuft zielgerichtet ab: Unternehmen überlegen sich genau, ob sie eine Ressource substituieren wollen (so wie früher den Produktionsfaktor Arbeit, als dieser zu teuer war), oder ob sie die Ressource produktiver machen, was deren weiteren Einsatz wiederum lohnender werden lässt. Substituierende Verbesserungen (beim Faktor Arbeit auch arbeitssparender technischer Fortschritt genannt) lohnen sich, wenn das Unternehmen der Auffassung ist, die Ressource werde in Zukunft teurer. Komplementärer Fortschritt wird angestrebt, wenn das Unternehmen die Ressource auch in Zukunft für gut und günstig verfügbar hält. Im Beispiel: Wenn ein Unternehmen davon ausgehen muss, dass Energie in Zukunft knapper wird (und Arbeitskräfte weiterhin verfügbar sind), wird es seinen Forschungsprozess auf Einsparungen im Energieverbrauch hin ausrichten. Geht es aber davon aus, dass Energie genügend vorhanden ist, Arbeitskräfte aber knapper werden, wird es eher versuchen, für die Zukunft Arbeitskräfte zu substituieren, und im Zweifelsfall damit noch mehr Energie einsetzen.

Technischer Fortschritt kann mithin entweder die Produktivität der eingesetzten natürlichen Ressourcen fördern, was die Nachfrage nach ihnen weiter anheizen wird. Er kann aber auch darauf ausgerichtet sein, andere Faktoren der Produktion produktiver zu machen oder natürliche Ressourcen in der Produktion zu ersetzen. Der Anreiz, in welche Richtung geforscht und entwickelt wird, hängt wiederum von der erwarteten Entwicklung der für die Produktion nutzbaren Ressourcen ab.

Angestiegen ist, was den Verbrauch natürlicher Ressourcen anbelangt, in den letzten Jahren vor allem die Nutzung an Wasser- und Windkraft. Diese hat sich vom Jahr 2000 bis heute verdoppelt. Auch die Nutzung von Erdgas und Erdöl hat sich erhöht, allerdings nur um 3 Prozent in zehn Jahren. Viele andere natürlichen Ressourcen aber werden – und dies trotz Wirtschaftswachstum – heute in Deutschland in geringerem Maße genutzt als früher. Der Produktionsfaktor, der hingegen immer mehr eingesetzt wird, ist menschliches Humankapital. Der Einsatz von Akademikern im Arbeitsprozess ist innerhalb von nur zehn Jahren um 25 Prozent gestiegen (vergleiche  die Diskussion Nr. 20 des Roman Herzog Instituts Zum Glück wachsen; Link: http://www.romanherzoginstitut.de/publikationen/details/?no_cache=1&tx_mspublication_pi1%5BshowUid%5D=98&cHash=6f294ce84afcc679f59ba4acb9c52c15).

Die Unternehmen haben offenbar in ihrer Forschung die zunehmende Knappheit an natürlichen Ressourcen bereits berücksichtigt. Sie sind auch in ihrem Produktionsprozess bereits umgeschwenkt. Wenn natürlicher Ressourcen weniger werden, und dies mit höheren Preisen den Unternehmen angezeigt wird, dann werden sie natürlich begehrter. Sie werden gleichzeitig aber vom Fortschritt zunehmend aus dem Produktionsprozess entfernt werden. Diese Entwicklung legt wiederum nahe, dass Wachstum auch weiterhin möglich sein wird, auch wenn weniger natürliche Ressourcen für den Produktionsprozess zur Verfügung stehen.

Die Bäume können also durchaus noch ein Stückchen höher wachsen.

2 Antworten auf „Wie weit wachsen die Bäume in den Himmel? Anmerkungen zur Wachstumskritik“

  1. Die Frage ist doch, ob diese technische Innovationen ausreichen, innerhalb der ökologischen Grenzen zu wirtschaften. Dabei muss man berücksichtigen, dass ein großer Teil der Umweltschäden und Emissionen zu den Billiglohnländern externalisiert werden. Außerdem ist auch nicht der Rebound-Effekt – egal ob direkt oder indirekt – zu vernachlässigen, der besagt, dass eine höhere Produktivität durch größere Absatzmengen kompensiert werden. Vielleicht dann doch eher vermehrt auf soziale Innovationen setzen?

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