Angesichts der politisch-ökonomischen Verwerfungen der Verschuldungskrise mehren sich in diesen Tagen besorgte Stimmen angesichts der vermeintlichen oder tatsächlichen Gefahr, die Demokratie könne auf dem Altar „ökonomischer Sachzwangsideologie“ geopfert werden. Der Souverän über Haushaltsfragen muss, so stellt es beispielsweise Frank Schirrmacher in der FAZ fest, allein das Volk sein, entweder direkt oder vertreten durch das Parlament (Frank Schirrmacher, „Demokratie ist Ramsch“, FAZ, 1.11.2011). Während es darüber in der Tat heute wie morgen keinen Zweifel geben darf, so fangen die Missverständnisse gleich im nachfolgenden Gedanken an. Denn Schirrmacher hält es ebenso wie viele andere für undemokratisch, wenn die Haushaltsentscheidungen überschuldeter Länder von Gläubigern und EU-Institutionen nach Maßgabe finanzökonomischer Vernunft „diktiert werden“, statt allein dem souveränen Volkswillen Ausdruck zu verleihen. Das klingt zunächst einmal wie eine zwingende Folge der beim Volk zu verortenden Haushaltssouveränität, und so glaubte Schirrmacher damit auch der „finanzökonomischen Ideologie“ zugunsten des Primats des Politischen über das Ökonomische die Stirn geboten zu haben. Altmeister Jürgen Habermas sekundierte sogleich und führte die Gedanken in einem eigenen FAZ-Artikel weiter aus (Jürgen Habermas, „Rettet die Würde der Demokratie“, FAZ, 4.11.2011). Weitere mehr und manchmal weniger prominente Kämpfer wider die Diktatur der Ökonomie sind leicht zu finden.
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