Die Kontroverse, die um das Schicksal des Faches Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln entstanden ist, spiegelt eine Entwicklung wider, die in der Ökonomik seit langem im Gange ist, die sich aber in jüngerer Zeit durch die Etablierung standardisierter Beurteilungsverfahren, insbesondere bei Berufungen, beschleunigt hat. Wissenschaftliche Exzellenz bemisst sich danach fast ausschließlich nach Zahl und Rang der Veröffentlichungen in ausgewählten Zeitschriften, die nach ihrer Prominenz im Fach (gemessen an Zitationen) gewichtet werden. Solche Verfahren entlasten von der mühsameren inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Werk von Kandidaten und erlauben es, die Erstellung der für die Urteilsfindung notwendigen Daten an Hilfskräfte zu delegieren, die zur Nutzung entsprechender Internetdateien in der Lage sind. Für das Fach birgt ein solches Verfahren allerdings die Gefahr, einen sich selbst verstärkenden homogenisierenden Selektionsprozess in Gang zu setzen, der sich als verhängnisvoll erweisen mag. Dass die Ökonomik sich auf einem problematischen Entwicklungspfad befindet, war jedenfalls die These eines Artikels, der vor einigen Jahren in dem bekannten Monatsmagazin The New Yorker unter dem Titel „The Decline of Economics“ erschien. Die auf Recherchen an amerikanischen Universitäten und in ihrem Umfeld beruhende Diagnose des Autors, John Cassidy, war, dass die Profession sich aufgrund ihrer selbst gegebenen Qualitätskriterien mehr und mehr zu einem Zweig der angewandten Mathematik entwickle, gleichzeitig aber weniger und weniger Interesse bei den potentiellen Nachfragen ihrer Erkenntnisse finde, bei Studenten, die das Fach studieren möchten oder bei Verbandsvertretern und Politikern, die Rat in wirtschaftspolitischen Fragen suchen, und die den Bezug des wissenschaftlichen Ertrages, den das Fach zu bieten hat, zur Welt ihrer Erfahrung nicht mehr erkennen können.
„Gastbeitrag:
Die Ökonomik ist keine zweite Physik
Zur Auseinandersetzung um das Fach Wirtschaftspolitik“ weiterlesen