Wer wird denn gleich in die Luft gehen?
Duisburg ist eine Katastrophe, aber kein Skandal

Den älteren unter uns ist noch die HB Zigarettenwerbung bekannt, bei der sich ein recht nervöser und häufig ungeschickter Mann von einer alltäglichen Katastrophe in die nächste bewegte, um dann regelmäßig vor Wut in die Luft zu gehen. Das sogenannte HB-Männchen beruhigte sich durch Rauchen einer Zigarette und dann ging alles wie von selbst.

Der Ratschlag, eine Zigarette zu rauchen, ist gewiss nicht gut, der Rat nach einer Katastrophe wie der Duisburger erst einmal ruhig nachzudenken und die Probleme nüchtern zu analysieren, ist jedoch ausgezeichnet. Wir sind von dieser Ruhe nach dem Sturm weit entfernt. So wie der Raucher seiner Sucht, geben wir vielmehr unserer Lust an Skandal und Personalisierung leichtfertig nach.

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Die „Vernunft von Regeln“ nach der Finanzkrise

Die Finanzkrise scheint vorüber zu sein. Die Staatsschulden, die sie uns hinterlassen hat, sind beträchtlich. Die bedeutendste Langzeitfolge wir allerdings möglicherweise nicht finanzieller, sondern institutioneller Natur sein. Die Überzeugung einer größeren Allgemeinheit, dass die unsichtbare Hand des Eigeninteresses, die auf Märkten wirksam wird, sich der sichtbaren Hand des Regierungshandelns als überlegen erweisen kann, ist stark erschüttert. Deregulierung als Politikempfehlung ist unpopulär und Regulierung wieder populär geworden. Obwohl klarerweise Reformen notwendig sind, wäre es äußerst bedenklich, wenn sie die Form von politischen Einzelfallinterventionen annehmen würden. Sollten wir der allgemeinen Neigung der Politik zu Einzelfallinterventionen mit Bezug auf Finanzmärkte nachgeben, so könnte das auf lange Sicht gravierendere Folgen als die Steigerung der Staatsschulden mit sich bringen. Angesichts dieser Gefahr scheint es angemessen, an die Vorteile regelbasierter Politik und Ethik zu erinnern.

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Finanz-Theorie-Herden?

Die gegenwärtige Finanzkrise, die hoffentlich ihren Höhepunkt überschritten hat, stellt der Theorie effizienter Märkte anscheinend ein schlechtes Zeugnis aus. Zumindest waren die Finanzmärkte nicht robust gegenüber Herdenverhalten. Irrationale Übertreibungen haben zunächst zu einer übertriebenen Sorglosigkeit und dann einer übertriebenen Scheu gegenüber Risiken beigetragen. Das scheint recht klar und wird allenthalben zum Besten gegeben. Weniger klar ist jedoch, ob wir uns in unserer theoretischen Verarbeitung des Geschehens nicht auch wie eine Art Herde verhalten. Doch sei es drum, hier ein paar weitere Bemerkungen zum Thema, das uns auch in 2010 begleiten wird.

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Mehr Demokratie, weniger Minarette?

Bruno Frey und nicht Willy Brandt hat mich davon überzeugt, dass es gut sei, mehr Demokratie zu wagen. Freys Argumente ziehen in stilisierter Form die Konsequenzen insbesondere aus der schweizerischen Demokratie-Erfahrung. Sie zeigen auf, welche generell positiven Wirkungen von bestimmten Formen demokratischer Organisation auf das politische Leben ausgehen (vgl. auch die Literaturverweise am Ende dieses Beitrags). Nun gibt aktuell die Schweiz möglicherweise Anlass zu Zweifeln, was die zu erwartenden Ergebnisse direkter Demokratie anbelangt. Das Schweizer Volk hat sich mit deutlicher Mehrheit derjenigen, die sich aktiv an der Abstimmung beteiligten, gegen Genehmigungen für den Bau muslimischer Minarette gewandt. Wenn man, wie ich Verfechter von Prinzipien religiöser Toleranz und entsprechender Elemente westlicher Rechtsstaatlichkeit ist, wird man mit diesem Wahlresultat inhaltlich nicht übereinstimmen. Zugleich besteht allerdings überhaupt kein Grund zur Dramatisierung. Denn es handelt sich nicht um das Verbot der Religion selber, sondern nur darum, bestimmte demonstrative Anzeichen für die eigene Religiosität nicht in die Öffentlichkeit tragen zu können. Trotzdem, wenn man Kirchtürme bauen darf, dann sollte man auch Minarette bauen dürfen oder aber beides nicht.

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Piraten, Produkte und Patente

Piraten haben Konjunktur. Der „Schrecken der Karibik“ ist vor Somalia in weniger amüsanter Form als im Film und zur Überraschung der meisten von uns wieder aufgetaucht. Dass im einundzwanzigsten Jahrhundert Kriegsschiffe auslaufen müssen, um Schifffahrtswege zu schützen, hätte noch vor zehn Jahren kaum jemand für möglich gehalten. Aber vielleicht müssen wir uns generell auf mehr Piratentum einstellen, als wir das gewöhnt sind.

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Nobelpreis II:
Zum Nobelpreis von Elinor Ostrom – eine halb-persönliche Arie

Wenn jemand eine Ehrung wie die eines Nobelpreises erhält, dann kann er sich über einen Mangel an Freunden kaum beklagen. Selbst jene, die den Geehrten oder die Geehrte vielleicht nur wenig kennen, neigen dazu, die Beziehung als ziemlich intensiv darzustellen. Deshalb möchte ich vorab klarstellen, dass der folgende in manchen Belangen recht persönlich gehaltene Beitrag keineswegs nahe legen will, dass ich Elinor Ostrom besser und näher kennen würde, als dies de facto der Fall ist. Es trifft nur zufällig zu, dass ich im Jahre 1987/1988 Mitglied der gleichen von Reinhard Selten geleiteten Forschergruppe am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld war, der auch Elinor Ostrom angehörte. Sie verfasste in diesem Jahr im wesentlichen ihre Grundlagenstudie „Governing the Commons“ (dt. Die Verfassung der Allmende), die sie nach der Veröffentlichung im Jahre 1990 international weit bekannt machen und schließlich wesentlich mit zum Nobelpreis führen sollte. Nachdem ich Elinor Ostrom zwischenzeitlich einmal an ihrem Institut in Bloomington besuchte und ab und an e-mails mit ihr austauschte, hatte ich in diesem Sommer das Vergnügen, wieder eine Woche mit ihr auf Reisen durch Deutschland zu verbringen. Zunächst hielt sie einen Vortrag an der Frankfurt School of Finance & Management, dann die fünftägigen Wittgenstein-Vorlesungen an der Universität Bayreuth und später, nachdem sie für eine Woche in die USA „zurückgedüst“ war, eine Laudatio auf Reinhard Selten angesichts der Verleihung des Dr. h.c. an diesen der Universität Göttingen. Die Energie dieser sechsundsiebzigjährigen Dame, die unermüdlich tätig ist, kann man nur mit Staunen zur Kenntnis nehmen und muss sich dann anstrengen, einigermaßen mitzuhalten.

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Piraten-Ökonomik und -Ethik

Über viele Jahrhunderte gab es nicht nur lizensierte Piraten, die von Staaten dazu autorisiert waren, Jagd auf die Schiffe anderer, feindlicher Nationen, zu machen. Es gab echte Piraten, die keiner staatlichen Autorität unterstellt waren. Nach der großen Zeit des Piratentums zum Ausgang des 17. und frühen 18. Jahrhunderts verschwand die sozial-ökologische Nische für das echte Piratentum ebenso wie die ökologische Nische für andere im weiteren Sinne anarchische Lebensformen. Moderne Kommunikationsformen und internationale Kooperation taten danach ein Übriges. Nun hat sich aber durch staatlichen Zerfall in jüngster Zeit überraschend modernen Piraten eine neue Nische eröffnet. Das und das Erscheinen von Peter T. Leesons unterhaltsamem Buch zur Ökonomik des Piratentums, „The invisible hook“ (Princeton, 2009) gibt Anlass, sich mit dem Piratentum nicht nur in seinen heute gängigen Varianten des sogenannten Produktpiratentums, sondern auch als ursprünglicher anarchischer Organisationsform zu befassen.

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Der MBA-Eid
Modewelle oder ernsthafte Initiative?

Am  3. Juni diesen Jahres leisteten mehr als 400 Studenten der Harvard Business School einen so genannten MBA-Eid. Bei der Veranstaltung handelte sich um eine Initiative der Absolventen, der sich mehr als die Hälfte der Harvard Absolventen des Jahrgangs anschloss. Die Absolventen beeideten u.a. feierlich, dass sie sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen und mit größter Integrität handeln würden. Sie würden nicht ihre eigenen eng definierten Ambitionen auf Kosten des Unternehmens und der Gesellschaft, der dieses Unternehmen dient, verfolgen.

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Hoppe sei Dank! – Plädoyer für eine Priorisierungsdebatte

Ärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe hat mit seiner Rede vor dem Deutschen Ärztetag in Mainz großes Aufsehen erregt, weil er es gewagt hat, ein „Unwort“ wie das der „Priorisierung“ zu benutzen. Was immer den obersten Ärztefunktionär zu seinem Tabubruch gebracht haben mag, ihm ist dafür zu danken, eine überfällige Diskussion in die Öffentlichkeit getragen zu haben. Wir dürfen nun nicht zulassen, dass die Debatte erneut unzeitig von den von Ulla Schmidt dirigierten Empörungsorchestern unterdrückt wird.

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