Ich unterscheide zwischen vier ökonomischen Erklärungen der Ehe:
- Mann und Frau sind komplementäre Produktionsfaktoren für die Geburt von Kindern. Es handelt sich um den seltenen Fall einer limitationalen Produktionsfunktion: die Produktionsfaktoren sind überhaupt nicht substituierbar.
- Es gibt gegenseitige positive externe Effekte: die Partner machen einander Freude. Im Idealfall sind ihre Nutzenfunktionen positiv interdependent: jeder freut sich darüber, dass sich der andere freut (Altruismus). Gegenseitige positive externe Effekte sind eine typische Ursache von Clubs (z.B. Schachklubs, Skatklubs, Rotary und Lyons-Clubs). Die Ehe ist der kleinstmögliche Club.
Gegenseitige positive externe Effekte können in mehrerlei Hinsicht entstehen:- in der Liebe im engeren und weiteren Sinne,
- für das Prestige (der Partner zu Repräsentationszwecken),
- der Partner als Spielkamerad,
- der Partner als Gesprächspartner; diese Erklärung setzt voraus, dass die Partner relativ gleichartig sind (zum Beispiel Volkswirt und Volkswirtin).
- Mann und Frau profitieren von der Arbeitsteilung – zum Beispiel im Haushalt oder bei langen Autofahrten. Die Arbeitsteilung im Haushalt ist desto produktiver, je verschiedener die Partner sind. Wie in der Theorie der Zollunion bewirkt der Zusammenschluss einen desto größeren Wohlfahrtsgewinn, je mehr sich die Partner spezialisieren können, d.h. je unterschiedlicher ihre Ressourcenausstattung und ihre komparativen Vorteile sind. Während jedoch für die Handelsliberalisierung das Prinzip der Meistbegünstigung gilt, ist die Ehe als Ende der Meistbegünstigung gedacht.
Die Vorteile der Arbeitsteilung im Haushalt haben seit der Industriellen Revolution stark abgenommen, weil aufgrund des technischen Fortschritts bei Haushaltsgeräten immer mehr Substitute für die traditionelle Hausfrauentätigkeit auf den Markt gekommen sind: Elektro- oder Gasherd, Mikrowelle, Geschirrspülmaschine, Waschmaschine, Staubsauger, Öl- oder Gasheizung usw. Dadurch haben sich die Terms of Trade der Frau als Hausfrau verschlechtert. Insofern ist die Emanzipation der Frau auch eine defensive Anbieterreaktion auf einen wachsenden Wettbewerbsdruck (Substituierbarkeit der Hausfrau) – vergleichbar der Veredelungsstrategie der deutschen Stahl- oder Textilindustrie in den letzten 50 Jahren.
Je geringer die Spezialisierungsmöglichkeiten in einer Organisation, desto schwächer ihr Zusammenhalt. Auch dies ist eine Ursache der zunehmenden Scheidungsraten. - Die Ehe dient dazu, soziale Skalenerträge zu realisieren: das zusätzliche Mitglied ist mehr wert, als es kostet. Zum einen treten die sozialen Skalenerträge in der Nutzung gemeinsamer Klubgüter auf: Wohnräume, Haushaltsgeräte, Fernseher, Fahrzeug usw. Wie bei den meisten Klubgütern – zum Beispiel in einem Schwimmklub – nimmt jedoch die Belästigung („Rivalität“) mit der Zahl der Klubmitglieder zu: es kommt zu Überfüllungsproblemen (crowding). Aus den positiven externen Effekten werden zunehmen negative. Zum anderen bietet die Ehe soziale Skalenerträge im Versicherungsschutz. Die Ehe ist eine Versicherung auf Gegenseitigkeit. Wenn einer krank wird, hilft die andere, solange sie nicht selbst angesteckt wird. Danach kann der eine die andere pflegen.
Monogamie, Polygamie, Zölibat
Wenn es genauso viele Männer wie Frauen gäbe und wenn alle die gleiche Nachfrage nach dem anderen Geschlecht hätten, würde der abnehmende Grenznutzen zusätzlicher Ehepartner und die zunehmende Belästigung in der Nutzung der Klubgüter automatisch zu einem Monogamie-Gleichgewicht auf dem Heiratsmarkt führen. Je geringer die Einkommens- und Nachfrageunterschiede, desto größer die Wahrscheinlichkeit der Monogamie. Die natürlichen Einkommensunterschiede sind jedoch erheblich. Wie konnte es trotzdem in der westlichen Zivilisation zur Monogamie kommen? Monogamie ist ohne staatliche oder religiöse Regulierung (Vorschriften) nicht möglich. Welche politischen Akteure könnten am Verbot der Polygamie interessiert gewesen sein?
Unter Ethnologen besteht Einigkeit, dass die Polygamie typischerweise in der Form der Vielweiberei (Polygynie) auftritt. Polyandrie ist selten. Der Ethnographische Atlas (1980) zählt 639 polygyne, aber nur vier polyandrische Völker (darunter Teile Neu-Guineas und des Himalaya). Spätere Untersuchungen kommen auf bis zu 81 polyandrische Stämme.
Die Frauen sind nicht an einem Verbot der Vielweiberei interessiert, denn es reduziert die Nachfrage der Männer nach Frauen. Unter den Männern sind vor allem die Besserverdienenden gegen ein Verbot der Vielweiberei, denn sie könnten sich mehrere Frauen leisten. Wir verdanken daher die Monogamie den schlechter verdienenden Männern, die verhindern wollen, dass die besser verdienenden Männer ihnen die Frauen wegnehmen. Strikt verboten wird die Polygamie zuerst in den Demokratien des antiken Griechenlands und der Römischen Republik. Die Demokratie hat den schlechter verdienenden Männern mehr politische Mitsprache eingeräumt. Der Medianmann konnte die Monogamie durchsetzen. Sie ist ein Produkt der Demokratie.
Die muslimischen Kulturen sind mit wenigen Ausnahmen (Türkei, Tunesien, Aserbeidjan) bei der Vielweiberei geblieben. Sie hat den Vorteil, dass das Erbgut der genetisch am besten ausgestatteten Männer stärker genutzt werden kann. Ein Pferdezüchter würde nie auf die Idee kommen, unter seinen Pferden Monogamie zu praktizieren. Er hält sich einen Zuchthengst und zahlreiche Stuten. Das ist effizient, weil ein Hengst sehr viel häufiger zur Reproduktion beitragen kann als eine Stute. Die Vielweiberei hat aber auch einen gewichtigen Nachteil: die Ungleichheit zwischen den Männern bezieht sich nun auch auf die Fortpflanzungschancen und löst daher starke soziale Spannungen aus, die die Reichen oft nur mit despotischen Mitteln unterdrücken können. Die Vielweiberei führt daher in die Unfreiheit, und diese war für die Entwicklung der Zivilisation bisher schädlicher als die genetische Ineffizienz der Monogamie.
Wie Andreski (1969) dargelegt hat, begünstigt die Vielweiberei zudem den Terrorismus. Ursächlich ist nicht nur die Unzufriedenheit der Schlechterverdienenden, sondern auch die starke Vermehrung an der Spitze. In der Oberschicht entbrennt ein erbitterter Kampf um die Führungspositionen. Von den ersten Kalifen kamen fast alle durch Attentate ums Leben.
Während die Vielweiberei die vertikale Mobilität erschwert, bewirkt das Zölibat genau das Gegenteil. Da der Klerus keine Nachkommen haben darf, muss sich die Kirche ihr Personal von außen rekrutieren. Im Mittelalter wurden hohe kirchliche Positionen zwar meist mit den Zweit- oder Später- geborenen des Adels besetzt, aber anders als der Staat bot die Kirche auch den einfachen Leuten echte Aufstiegschancen. Sie diente als soziales Ventil und trug damit zum inneren Frieden bei.
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