Von Dezember 2019 bis Dezember 2020 wuchs die Euro-Geldmenge M3 um 12,3%. In den beiden Jahren davor waren die Zuwachsraten 4,1 bzw. 5,0% gewesen. Noch deutlicher war die Beschleunigung bei M1: 2018: 6,6%, 2019: 8,0%, 2020: 15.6%.
Wir erinnern uns: Anfang 2020 gab es die ersten Corona-Fälle in Europa. Die Europäische Zentralbank reagierte auf die Pandemie mit einer drastischen Ausweitung ihrer Anleihekäufe. Das war nicht selbstverständlich, denn die Pandemie war kein Nachfrageschock, sondern ein negativer Angebotsschock. Aufgrund der vielfältigen Beschränkungen des Geschäftsbetriebs konnten nicht mehr so viele Güter wie bisher produziert und angeboten werden. Natürlich gingen auch die nachgefragten Mengen zurück, aber das war nur eine Folge des rückläufigen Produktionspotenzials. Preistheoretisch ist klar: Wenn das Güterangebot schrumpft, aber das Geldangebot explodiert, wird Geld relativ zu Gütern reichlicher; der Preis des verwendeten Warenkorbes und damit das Preisniveau steigen. Die typische Wirkungsverzögerung vom Geldangebot zum Preisniveau beträgt 2-3 Jahre – so auch im vorliegenden Fall. Der Monetarismus ist zurück. Nicht der Zins, sondern die Geldmenge ist der beste geldpolitische Indikator.
Im Februar 2023 betrug die Expansionsrate von M3 gegenüber dem Vorjahresmonat 2,9%, nach 7,8% im Mai 2022, d.h. vor der verspäteten Korrektur der Geldpolitik. M1 schrumpft (!) sogar seit Januar 2023 gegenüber dem Vorjahr, im Februar um 2,7 %. Eine schrumpfende Geldmenge ist für die Konjunktur ein Alarmsignal erster Ordnung.
Auch in den USA geht die Geldmenge zurück. Auch dort war das Geldmengenwachstum 2020 spektakulär. Ein “soft landing” ist nicht zu erwarten.
Blog-Beiträge zum Thema:
Uwe Vollmer: Zum Niedergang der „monetären Analyse“ in der geldpolitischen Strategie des Eurosystems
Uwe Vollmer bietet in Abbildung 1 seines ausgezeichneten Blogbeitrags vom 07.02.23 („Zum Niedergang der „monetären Analyse“ in der geldpolitischen Strategie des Eurosystems“) eine graphische Darstellung der Zuwachsraten von M3. Er schildert, wie die EZB im Mai 2003 und im Sommer 2021 dem Indikator Geldmengenentwicklung weniger Gewicht zugemessen hat. Er fordert mit Recht, dies rückgängig zu machen.
Eine Frage: Wieso gerade 2020? Das entspricht zwar dem monetaristischen Lehrbuch der 1980er Jahre (Zeitverzögerung der Wirkungen der Geldpolitik um mehrere Quartale). Aber wir hatten doch viele Jahre lang zuvor eine sehr expansive Geldpolitik, die damals allen einfachen Modellen des Monetarismus zum Trotz nicht in den Inflationsraten ankam. Es gab vermutlich viele Sonderfaktoren, die damals ein Durchschlagen der Geldmenge auf die Preise verhinderten. Diese Sonderfaktoren sind jetzt entweder entfallen oder sind nicht mehr dominant. Auch bei dieser Interpretation ist kein „soft landing“ zu erwarten, so dass ich Roland Vaubel in seinen Schlussfolgerungen zustimme.
Lieber Herr Klodt,
das Wachstum der Geldmenge war vor 2020 unauffällig. Was schon vor 2020 sehr stark expandierte, war die Zentralbankgeldmenge (die monetäre Basis). Aber der Geldschöpfungsmultipliktor ging zurück – wahrscheinlich weil die Banken Risikovorsorge (für das Ende der Niedrigzinspolitik?) betrieben, d.h. Zentralbankgeld horteten, statt Kredite zu vergeben.