Es erscheint unbestritten, dass sich der moderne Profifußball inzwischen zu einer internationalen Industrie entwickelt hat und auf zahlreichen Wertschöpfungsstufen zum materiellen und immateriellen Wohlstand großer Bevölkerungsteile beiträgt (etwa Küting und Strauß 2011; Follert 2018). Wenngleich diese Ökonomisierung auch scharfe Kritik hervorruft, ist doch offensichtlich, dass das Angebot der Produzenten auf eine entsprechende Nachfrage stößt. Mit zunehmender Professionalität produzieren die Klubs in gleichzeitiger Konkurrenz und Kooperation zu ihren Wettbewerbern ein komplexes Unterhaltungsgut, welches auf verschiedenen Distributionskanälen vermarktbar ist (etwa Franck 1995). Nicht zuletzt tragen die Klubs auf den verschiedenen Produktionsstufen in einem nicht unerheblichen Maße zum allgemeinen Wohlstand bei. Es ist daher kaum verwunderlich, dass sich die Wirtschaftswissenschaft im Allgemeinen und die Betriebswirtschaftslehre im Speziellen der ökonomischen Betrachtung der „Fußballindustrie“ seit einigen Jahrzehnten intensiv widmet (etwa Schewe und Littkemann (Hrsg.) 2012)
Moderne Fußballunternehmen
Wirecard: Amazon gesucht – Enron gefunden
Was war das für eine traumhafte Story: Endlich haben wir auch in Deutschland einen digitalen Star am Börsenhimmel, der das Zeug hat, mit Amazon und all den anderen Billionenwerten an der Nasdaq mitzuhalten! Ein vergleichsweise kleines Unternehmen aus Aschheim bei München wickelte weltweit Zahlungsverkehrsprozeduren ab, verdrängte die Commerzbank 2018 aus dem DAX und war unversehens sogar mit der Deutschen Bank in Sachen Marktwert mehr oder weniger auf Augenhöhe. Es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis der Gipfel in der deutschen Börsenliga erklommen würde – freilich nur als Zwischenstation auf dem Weg in die oberen Gefilde der Champions League des internationalen Kapitalmarkts!
Wirecard, IKB und der Ruf nach (noch) strengerer Kontrolle im Finanzsektor
Wirecard
Ende Januar 2019: Eine Reportage der Financial Times erhebt schwere Vorwürfe gegen den damaligen Börsenliebling Wirecard AG, die – natürlich – umgehend vom Unternehmen dementiert werden. In der Folge kommt es zu einem Ping-Pong gegenseitiger Vorwürfe, das in aller Öffentlichkeit und teilweise unter Einbezug amtlicher Stellen wie der Staatsanwaltschaft und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin ausgetragen wird. Nach wechselhaftem Verlauf dieses Schlagabtausches (vgl. zur Chronologie https://boerse.ard.de/boersenwissen/boersengeschichte-n/wirecard-vs-ft-chronologie-der-ereignisse100.html) kommt es im Juni 2020 zum vorläufigen Ende: Nochmalige Verschiebung der Bilanzvorlage, Verweigerung des Wirtschaftsprüfertestats, Mitteilung des Unternehmens, dass Guthaben über insgesamt 1,9 Mrd. € (rund ein Viertel der Bilanzsumme) „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen“, exzessiver Kurseinbruch, Entzug der Ratings, Abberufung von Vorständen, … bis hin zum Insolvenzantrag und erneuten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen – diesmal allerdings insbesondere gegen Vorstände der Gesellschaft, von denen einer zwischenzeitlich festgenommen sowie danach gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt und ein anderer in Südostasien gesucht wird.
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Kurz kommentiert
Zerbricht Ernst & Young am Wirecard-Skandal?
„Auditors might be in the position to alert boards and investors to questionable practices and hidden risks, but they might have their own conflicts of interests.“ (Admati, A.R. / Hellwig, M.F. (2013), p. 128)
Der schwedische Autor Johan Norberg (2003), S. 10:
„Von mancher Seite ist behauptet worden, die Bilanzfälschungen und darauf folgenden Zusammenbrüche der US-Firmen Enron und WorldCom hätten den Kapitalismus als unzuverlässiges und betrügerisches System entlarvt.
Nach meiner Überzeugung ist genau das Gegenteil richtig.
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Zerbricht Ernst & Young am Wirecard-Skandal?“ weiterlesen
Zwischen Narrativ und Patentrezept
Die Sehnsucht nach einem praxisorientierten BWL-Studium
„Für weite Bereiche einer anwendungsbezogenen Betriebswirtschaftslehre gilt die abgewandelte Bergsteigerweisheit: Wer Tag und Nacht um die Beratungskunst der Praxis im Tale des Alltäglichen buhlt, versäumt leicht den morgendlichen Aufstieg zum Gipfel neuer Erkenntnis. Und wer aufbricht, ohne früher erforschte Steige und Routen zur Kenntnis zu nehmen, wird häufig zur Umkehr genötigt sein“ (Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Grundlagen, 1. Aufl. 1993, Vorwort).
1. Fehlt der akademischen BWL der Praxisbezug?
Nach der Vorlesungszeit schreiben in diesen Wochen wieder deutschlandweit Heerscharen von Studenten ihre Klausuren, nicht zuletzt in den sogenannten „Massenstudiengängen“ wie der Betriebswirtschaftslehre. Gerade für dieses Fach hat sich in der jüngeren Vergangenheit nicht zum ersten Mal eine Kritikwelle über die Medien ergossen, die man grosso modo unter die Überschrift „Praxisferne“ subsumieren kann. Schon 2015 hatten sich in der letzten diesbezüglichen IHK-Umfrage viele Unternehmen über die mangelnde Arbeitsmarktfähigkeit von Bachelor-Absolventen beklagt (vgl. http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=17279). Im Jahr darauf folgte dann ausgerechnet im Hause der doch Wirtschaftskompetenz erheischenden FAZ ein Buch von Axel Gloger mit dem ketzerischen Titel „Betriebswirtschaftsleere – Wem nützt BWL noch?“ und 2017 widmete die Wirtschaftswoche diesem Thema sogar die ähnlich aufgemachte Titelstory „Wer braucht noch BWLer?“ samt Beiträgen im zeitlichen Umfeld unter wechselnder Ägide der drei Titelstory-Autoren Jan Guldner, Bert Losse und Kristin Schmidt. Unterfüttert wird das Ganze im täglichen Universitätsbetrieb durch immer wieder aufkeimende Klagen von Studentenseite, es würde zu viel Theorie und zu wenig Praxis gelehrt.