GastbeitragÖlembargos: eine gute Idee?

Mit Sanktionsandrohungen hatten Länder der EU und die USA gegenüber Russland im sich abzeichnenden Ukrainekonflikt eine Drohkulisse aufgebaut: Russland sollte wegen der drohenden Konsequenzen solcher Sanktionen vor einer militärischen Invasion zurückschrecken. Diese Strategie ist erkennbar gescheitert, denn die Drohungen haben den Eintritt des militärischen Ernstfalls nicht verhindert. Allerdings können Sanktionen nicht nur der Abschreckung dienen; sie können auch nach Beginn des militärischen Konflikts sinnvolle Wirkungen entfalten. Sanktionen während der militärischen Auseinandersetzung verursachen anhaltende Kosten. Sanktionen, die nach Beendigung des militärischen Konflikts aufgehoben werden, können das Konfliktende beschleunigen. Es winkt wegen des Wegfalls der Sanktionskosten eine größere Friedensdividende. Sofern die Sanktionen für beide Konfliktparteien kostspielig sind, wirken sie in dieser Form auf beide Konfliktparteien ein. Und wenn diese Kosten für den sanktionierten Konfliktgegner größer sind als für die sanktionierende Konfliktpartei, erhöhen sich diese Anreize für die sanktionierte Partei stärker als für die sanktionierende Partei. Die höhere „Ungeduld“ der sanktionierten Partei erweist sich in Verhandlungen dann als Vorteil für die sanktionierende Partei: Das Ergebnis von Friedensverhandlungen fällt stärker zu Gunsten der sanktionierenden Partei aus.

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GastbeitragKrankenhausversorgung braucht bessere Planung und Finanzierung

Unter Gesundheitsexperten besteht weitgehender Konsens, dass das deutsche Krankenhauswesen drei Fehlversorgungsmerkmale aufweist: Erstens ist die Anzahl der Krankenhausbetten zu hoch, zweitens gibt es zu viele zu kleine Krankenhäuser und drittens wird zu wenig in Krankenhäuser investiert.

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De-Industrialisierung ante portas?Politik für den Strukturwandel statt Strukturpolitik mit der Gießkanne

„Die Förderung einer Branche ist der sicherste Weg, sie zu ruinieren.“ (Raghuram Rajan)

Biontech konzentriert seine Krebsforschung künftig in Großbritannien, Bayer verlagert seine Gentech-Sparte in die USA, die BASF produziert chemische Grundstoffe verstärkt in China und den USA. Tesla baute ein neues Automobil-Werk in Grünheide, Apple baut sein europäisches Designzentrum in München aus, Intel will in Magdeburg in eine neue Chip-Fabrik investieren, wenn die staatliche Kohle stimmt. Das wirft Schlaglichter auf die Dynamik des Strukturwandels. Ausgewogen ist diese Entwicklung allerdings nicht. Das Geschäftsmodell Deutschland steht auf dem Prüfstand. Deutschland ist ein Nachzügler im inter-sektoralen Strukturwandel. Nun ist aber der Prozess der De-Industrialisierung auch hierzulande in Gang gekommen, stärker als manchen lieb ist. Klimapolitik und Energiekrise beschleunigen die Entwicklung. Die Politik kann den Niedergang der „alten“, oft energieintensiven Industrien nicht aufhalten, auch nicht mit einer Industriepolitik mit der Gießkanne. Es wird ihr aber auch nicht gelingen, „neue“, zukunftsträchtige Branchen mit Subventionen dauerhaft nach Deutschland zu locken. Die Politik maßt sich ein Wissen an, das sie nicht hat. Sie wird scheitern. Helfen kann nur eine allgemeine, diskriminierungsfreie Angebotspolitik. Der Strukturwandel wird zeitlich asynchron verlaufen. Das wird wirtschaftliche, regionale und soziale Probleme machen. Deutschland hat erheblichen Nachholbedarf. Der industrielle Sektor ist zu groß, der dienstleistungsintensive zu klein, grob gesprochen. Das Dilemma ist: Die industriellen Verluste werden zügig eintreten, die möglichen Gewinne bei den Dienstleistungen aber erst zeitverzögert anfallen. Deutschland ist in einer misslichen Situation.

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Der Preis des ZaudernsDie vorsichtige quantitative Straffung gefährdet die Unabhängigkeit des Eurosystems

Auf den Wiederanstieg der Inflationsraten hat das Eurosystem – wenngleich zögerlich – mit einer Neuausrichtung seiner Geldpolitik reagiert. Es hat im Juli 2022 zunächst die Nettoankäufe von Wertpapieren im Rahmen des „Asset Purchase Programmes“ (APP) eingestellt und anschließend damit begonnen, die Leitzinsen stufenweise anzuheben. Dem folgte im Dezember die Ankündigung, ab März 2023 die Wiederanlage fällig werdender Wertpapierbeträge in vorhersehbarer Weise zu reduzieren. Beabsichtigt ist, bis Ende Juni 2023 das APP-Portfolio um monatlich durchschnittlich 15 Mrd. Euro zu vermindern; die Reduktionsgeschwindigkeit für die Zeit nach Juni 2023 steht noch nicht fest (Europäische Zentralbank, 2023a).

„Quantitative Lockerung“ (QE) wurde durch „quantitative Straffung“ (QT) ersetzt. Das Eurosystem folgt dem Beispiel der US Fed, die damit bereits zwischen 2017 und 2019 begonnen hatte, die Straffung aber während der Pandemie aussetzen musste. Ebenso wie die Fed beabsichtigt das Eurosystem nicht, vorhandene Wertpapierbestände am offenen Markt zu verkaufen. Vielmehr wird lediglich auf die Wiederanlage eines Teils der auslaufenden Anlagebeträge verzichtet, und das Eurosystem bleibt weiterhin an den Wertpapiermärkten als Käufer aktiv. Bis Juni 2023 wird etwa die Hälfte der auslaufenden Bestände wieder angelegt, sodass die Überschussliquidität im Bankensektor nur langsam sinkt. Die EZB schätzt, dass diese erst im Jahre 2029 vollständig abgebaut und die Zentralbankbilanz dann immer noch etwa dreimal so groß wie 2007 sein wird (Schnabel, 2023).

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Markt und Moral (3)Warum wir nicht nicht handeln könnenEine Replik

Zunächst ganz vorweg: Ich begrüße die Diskussion sehr, denn wir brauchen mehr davon. Nicht nur ganz generell, sondern auch in freiheitlich denkenden und ordoliberalen Kreisen. Insofern begrüße ich die Veröffentlichung meines Beitrags in diesem Blog, als auch den (erwartungsgemäß kritischen) Kommentar von Joachim Weimann. Gerade wenn wir dort, wo vermutlich andere Meinungen herrschen, sachlich argumentieren, werden Diskussionen spannend und (hoffentlich) auch fruchtbar.

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Die Klimapolitik als Risiko?

Viele sehen im Klimawandel das größte Problem der Menschheit und wollen die Erderwärmung auf 1,5 oder höchstens 2 Grad begrenzen. Dafür müsste die gesamte Welt bis rund 2050 klimaneutral sein. Die dazu notwendige Dekarbonisierung verlangt einen präzedenzlosen politischen und wirtschaftlichen Kraftakt. Während sich ihre Vertreter fast ausschließlich auf die Klimawissenschaften berufen, betrachten wir die heutige Klimapolitik auch aus politisch-ökonomischer Perspektive. Dabei zeigt sich: Sie vernachlässigt das Konzept der Nachhaltigkeit sowie das reale menschliche Verhalten in Wirtschaft und Politik und ist insofern „klimanaiv“.

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VideoVermessenes Staatswachstum Vier Perspektiven auf die Entwicklung des staatlichen Fussabdrucks in der Schweiz

Wird der Staat ausgehöhlt und totgespart? Die jüngste Avenir-Suisse-Publikation zeigt: Das Gegenteil ist der Fall. Von links bis rechts wird der Staat zunehmend als Gehilfe zur Erfüllung jeweiliger Partikularinteressen gesehen. Die Studie (hier) vermisst in vier Kapiteln die Entwicklung der staatlichen Einflusssphäre. Anschliessend werden Vorschläge präsentiert, um ihre Ausbreitung unter Kontrolle zu halten.

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Markt und Moral (2)Warum wir doch fliegen können

Den Ausführungen von Herrn Polk liegen meines Erachtens einige grundlegende Missverständnisse zugrunde, die ich gerne erläutern möchte:

Das umweltpolitische Kernproblem, mit dem wir es bei der Klimapolitik zu tun haben, besteht darin, dass sich die Menschen bei der Bereitstellung von Klimaschutz in einem sozialen Dilemma befinden. Damit ist gemeint, dass es einen nicht suspendierbaren Widerspruch zwischen individuell rationalem Verhalten und kollektiv rationaler Lösung gibt. Aus der Sicht eines Individuums ist es nicht rational einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, weil mit diesem kein Einfluss auf die Erderwärmung möglich ist, die Kosten dafür aber in vollem Umfang vom Individuum getragen werden müssten. Es ist schlicht nicht vernünftig, etwas zu tun, was keinen Ertrag aber hohe Kosten erzeugt. Gleichzeitig wäre es aber kollektiv rational, wenn alle einen Beitrag leisteten, weil sich damit alle besserstellen würden (trotz der dann zu tragenden individuellen Kosten). Dieser Widerspruch begründet eine Legitimation für kollektives Handeln, weil es das soziale Dilemma beseitigt und zu einer Pareto-Verbesserung führt.

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Markt und Moral (1)Warum wir nicht fliegen sollten

„Es muss aber auch Aufgabe der Politik sein, für das Klima schlechte Entscheidungen, wie die unsere, zu verhindern und in gute zu lenken.“ (Luisa und Yannick, #LetzteGeneration in TAZ online vom 2.2.2023 zum Vorwurf, sie seien in den Urlaub nach Asien geflogen.)

Die Klimadebatte ist von heftigen Auseinandersetzungen geprägt: Während sich Menschen aller Altersgruppen besorgt um das Klima und die Entwicklung der Menschheit zeigen und zum Protest durch zivilen Ungehorsam aufrufen, zeigen sich andere von der Klimaproblematik gänzlich unberührt und emittieren weiter, als gäbe es kein Morgen: Urlaubsflüge und tonnenschwere Autos gehören ebenso zum Lifestyle wie ein unbesorgter Fleischkonsum ohne Reue. Dabei wird der Klimawandel zwar auch uns, aber vermutlich deutlich härter die Bevölkerung in ärmeren Teilen der Welt treffen: Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Anpassungskosten immens sein werden. Die Potentiale sie zu schultern sind ungleich verteilt. Die Flut in Pakistan 2022 gibt einen Hinweis darauf, was uns (und andere) erwartet.

Die Fronten zwischen Besorgten und Unbesorgten sind oft klar gezogen. Wer sich nicht vor schlechter Laune fürchtet, kann das auf Twitter täglich nachvollziehen. Aber es geht auch anders. In dem Buch „Klima muss sich lohnen“ scheut sich der Präsident des ZEW, Achim Wambach, nicht die aktuelle Debatte aufzunehmen und klare Stellung zu beziehen (Wambach 2022). Dabei ist er nicht von der Frage geleitet, OB wir mehr Klimaschutz brauchen (er unterstellt hier Konsens; hoffen wir, dass er in Bezug auf die Umsetzung Recht behält), sondern WIE dieses Mehr an Klimaschutz am besten zu erreichen ist. Die Ökonomik kann hierzu einiges beitragen.

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