Es erscheint unbestritten, dass sich der moderne Profifußball inzwischen zu einer internationalen Industrie entwickelt hat und auf zahlreichen Wertschöpfungsstufen zum materiellen und immateriellen Wohlstand großer Bevölkerungsteile beiträgt (etwa Küting und Strauß 2011; Follert 2018). Wenngleich diese Ökonomisierung auch scharfe Kritik hervorruft, ist doch offensichtlich, dass das Angebot der Produzenten auf eine entsprechende Nachfrage stößt. Mit zunehmender Professionalität produzieren die Klubs in gleichzeitiger Konkurrenz und Kooperation zu ihren Wettbewerbern ein komplexes Unterhaltungsgut, welches auf verschiedenen Distributionskanälen vermarktbar ist (etwa Franck 1995). Nicht zuletzt tragen die Klubs auf den verschiedenen Produktionsstufen in einem nicht unerheblichen Maße zum allgemeinen Wohlstand bei. Es ist daher kaum verwunderlich, dass sich die Wirtschaftswissenschaft im Allgemeinen und die Betriebswirtschaftslehre im Speziellen der ökonomischen Betrachtung der „Fußballindustrie“ seit einigen Jahrzehnten intensiv widmet (etwa Schewe und Littkemann (Hrsg.) 2012)
Betriebswirtschaftliche Aspekte im modernen Fußball
Fußballklubs agieren auf einem speziellen Markt für ein beliebtes Unterhaltungsprodukt und sehen sich mit allen betriebswirtschaftlichen Fragen konfrontiert, die Betriebe anderer Branchen beschäftigen. Auf der gesamten Wertschöpfungskette – von der Erstellung des vermarktungsfähigen Produkts „Fußballspiel“, der die Zusammenstellung des richtigen Personals, der Finanzierung bis zum Absatz des Produkts, der langfristigen Fan-Bindung und der Eröffnung neuer Märkte i.S. organischen Wachstums – eröffnen sich klassische betriebswirtschaftliche Handlungsfelder (hierzu etwa Daumann 2019).
In den vergangenen Jahren rücken insbesondere im internationalen Profifußball Aspekte der Unternehmensrechnung in den Fokus, sodass die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der zunehmend als Kapitalgesellschaften firmierenden Fußballklubs unter dem Schlagwort „Financial Fair Play“ immer mehr ins Bewusstsein der interessierten Öffentlichkeit gerät, da die Lizensierung eng mit der betriebswirtschaftlichen Lage des Klubs verknüpft ist (hierzu Huwer 2014; Strauß 2014). Spätestens durch die erzwungene Spielpause im Zuge der COVID-19-Pandemie und die in diesem Zusammenhang ausbleibenden Einkommensströme durch Fernsehgelder und Ticketverkauf (etwa Drewes, Daumann und Follert 2020; Weber 2020) wird auch Fußballromantikern bewusst, dass das Unterhaltungsprodukt „Fußball“ ohne eine solide betriebswirtschaftliche Basis zumindest in der bekannten Form nur schwer aufrecht zu halten sein wird (zur Rechnungslegung der Klubs in der Pandemie siehe Weber 2020). Insbesondere wird Produzenten und Konsumenten des Fußballs bewusst, wie wichtig eine finanzielle Planung ist, die der eines ordentlichen Kaufmanns entspricht. Während vor allem die hohen Gehaltsaufwendungen schuldrechtliche Verpflichtungen darstellen, sind Erträge oftmals unsicher, was die Notwendigkeit einer Rücklagenbildung in sportlich und damit auch meist wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten verdeutlicht (hierzu auch Drewes, Daumann und Follert 2020).
Der debt to equity swap von RB Leipzig
Die zunehmende Ökonomisierung im Fußball wirkt auf zahlreiche Betrachter noch immer befremdlich, befürchten sie doch, dass der sportliche Aspekt immer mehr in den Hintergrund gerät. Möglicherweise ist die Skepsis aber auch mit mangelnder Kenntnis der ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge begründbar. Während Follert und Daumann (2020) bereits darauf hingewiesen haben, dass die Fußballindustrie strukturelle Besonderheiten aufweist, die sie mit anderen Branchen nur schwer vergleichbar machen, soll hier der Blick dafür geschärft werden, dass das moderne und international vermarktbare Produkt „Fußball“ aus Sicht der Produzenten eine betriebswirtschaftliche Herangehensweise erfordert, um letztlich auch den Konsumenten – auch jenen, die gerade das kritisieren – gerecht zu werden. Welche Bedeutung auch prima facie technisch anmutende Konstrukte bilanz- und gesellschaftsrechtlicher Natur für den modernen Fußball haben können, möchten wir am Beispiel des kürzlich von RB Leipzig vorgenommenen Wandels von Fremd- in Eigenkapital i.H.v. 100 Millionen EUR (sog. „debt to equity swap“) (hierzu Born 2009; Kußmaul und Palm 2012a) aufzeigen. Dieser sorgte für Wasser auf die Mühlen der sog. „Kritiker des modernen Fußballs“. Hierbei handelt es sich in bilanztechnischer Hinsicht um einen Passivtausch, der die Bilanzsumme nicht verändert (etwa Kußmaul und Palm 2012b). Lediglich die rechtliche Mittelherkunft ändert sich. Die schuldrechtliche Position des Darlehensgebers als Gläubiger, die das Recht auf Zins- und Tilgungsleistung verbrieft, wandelt sich in eine Gesellschafterstellung (siehe Kußmaul und Palm 2012a), die regelmäßig mit einem höheren Risiko, aber auch mit einer höheren erwarteten Rendite einhergeht.
Der „debt to equity swap“ ist aus sowohl aus Sicht der theoretischen als auch aus Sicht der praktisch-gestaltenden Betriebswirtschaftslehre weder außergewöhnlich noch besonders anrüchig. Während die Konstruktion des Vorgangs gesellschaftsrechtlicher Natur ist, ergeben sich die Implikationen im Hinblick auf die Finanz- und Ertragslage aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen. Aufgrund der hohen Aufmerksamkeit, die die Transaktion in der Medienlandschaft bekommen hat (etwa https://www.kicker.de/777048/artikel), lohnt es sich, die Wandlung im Gesamtkontext des modernen Profifußballs in Deutschland genauer zu betrachten. Originär wird der „debt to equity swap“ als Sanierungsinstrument verwandt und wurde 2011 als § 225a in die Insolvenzordnung der Bundesrepublik Deutschland übernommen (hierzu Kußmaul und Palm 2012a). Somit schlägt die Norm eine Brücke zwischen dem Insolvenz- und dem Gesellschaftsrecht (so Bauer und Dimmling (2011); Kußmaul und Palm 2012b) (zu Insolvenzen und ihren verbandsrechtlichen Besonderheiten im Fußball siehe jüngst Weimar 2020). Allgemein strebt der „debt to equity swap“ an, Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung abzuwenden, und geht ferner mit weiteren positiven Effekten einher (siehe Kußmaul und Palm 2012a). Durch die Umwandlung wird die Bilanzrelation zwischen Eigen- und Fremdkapital gestärkt, was sich positiv auf den Überschuldungsstatus (§ 19 Abs. 2 InsO) auswirkt. Auf finanzwirtschaftlicher Ebene wird die Liquiditätslage der Gesellschaft zwar nicht unmittelbar durch die Wandlung gefördert, da die schuldrechtlichen Zins- und Tilgungsverpflichtungen entfallen und fortan lediglich ein Gewinnbeteiligungsrecht besteht. Durch den Effekt auf die Bilanzkennzahlen verbessert sich möglicherweise das Rating des Schuldners und eine erneute Fremdkapitalaufnahme wird erleichtert. Die dargestellten Motive sind freilich Stereotypen, sie müssen nicht zwangsläufig auf den Einzelfall zutreffen; bislang ist über die individuelle Situation von RB Leipzig zu wenig bekannt, um eine seriöse Aussage hinsichtlich der Motive zu treffen. Insgesamt kann jedoch festgestellt werden, dass der „debt to equity swap“ auch im Profifußball als effektives Instrument zur Überwindung von Krisen angesehen werden kann (bereits Küting und Strauß 2011).
Aspekte der Corporate Governance
Hinsichtlich der sportökonomischen Würdigung des Sachverhalts sei noch auf die Bedeutung der Kapitalumwandlung im Rahmen der Unternehmensverfassung im Allgemeinen und der sog. „50 % + 1“-Regel (hierzu etwa Lopatta, Bucholz und Storz 2014) in Deutschland im Speziellen hingewiesen. Mit der Zielsetzung, dass der Verein weiterhin die Kontrolle über die als Kapitalgesellschaft ausgegliederte Profiabteilung behält, wird – bis auf wenige Ausnahmen – gemäß den Ligastatuten (§ 16c Nr. 3 DFB-Satzung sowie § 8 Nr. 3 Ligaverband-Satzung) verlangt, dass die Mehrheit der Stimmrechte (50 % + eine Stimme) an einer Fußball-Kapitalgesellschaft in den Händen des eingetragenen Vereins liegt. Kaum eine andere Regelung bringt den Konflikt zwischen Kommerzialisierung und Tradition im deutschen Profifußball so deutlich zum Ausdruck und beinhaltet zugleich auch zahlreiche, bislang ungeklärte rechtliche Fragen bezüglich ihrer Legitimation, insbesondere bezogen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Klubs (etwa Franck 2010). Übertragen auf die RB Leipzig GmbH ist die Red Bull GmbH zwar Mehrheitsgesellschafter, jedoch scheint die Vereinssatzung des RB Leipzig e.V. darauf abzuzielen, dass dem Verein – unabhängig vom Nennbetrag – mindestens 50 % plus eine Stimme zugesprochen werden, sodass die „50 % + 1“-Regel zumindest de jure weiterhin gewahrt bliebe.
Bei aller Kritik an einer zunehmenden Kommerzialisierung des professionellen Fußballs sollte doch wahrgenommen werden, dass deutsche Klubs im internationalen Wettbewerb Nachteile in Kauf nehmen müssen, da bspw. Klubs der englischen Premier League regelmäßig auf Finanzspritzen ihrer „sugar daddies“ zurückgreifen können (Franck 2010). Insgesamt zeigt der Sachverhalt die enge Verbindung zwischen Gesellschaftsrecht, Unternehmensfinanzierung und Rechnungslegung, die selbstverständlich auch im modernen Profifußball eine exponierte Stellung einnimmt. Moderne sportökonomische Forschung wird daher kaum umhinkommen, sich auch mit den betriebswirtschaftlichen Aspekten des Profifußballs zu beschäftigen.
Literatur
Bauer, A. und Dimmling, M. (2011), Endlich im Gesetz(entwurf): Der Debt-Equity-Swap. Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht, S. 517-521.
Born, A. (2009), Aktuelle Steuerfragen im Zusammenhang mit Debt-Equity-Swap-Transaktionen, Betriebs Berater, S. 1730-1735.
Daumann, F. (2019), Grundlagen der Sportökonomie, 4. A., Tübingen.
Drewes, M., Daumann, F. und Follert, F. (2020), Exploring the sports economic impact of COVID-19 on professional soccer. Soccer and Society, doi: 10.1080/14660970.2020.1802256.
Follert, F. (2018), Ökonomisierung des Fußballs. Das Wirtschaftsstudium, S. 668-670.
Follert, F. und Daumann, F. (2020), „The show must go on”!? Sportökonomische Hintergründe zum Bundesliganeustart in Zeiten von COVID-19. Wirtschaftliche Freiheit vom 7. Mai 2020, http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=27240.
Franck, E. (1995), Die ökonomischen Institutionen der Teamsportindustrie: Eine Organisationsbetrachtung, Wiesbaden.
Franck, E. (2010), „Zombierennen“ und „Patenonkel“ – Warum deutsche Fußballklubs in der Champions League regelmäßig den Kürzeren ziehen. Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Sonderheft 62, S. 1-13.
Huwer, E. (2014), Der Jahresabschluss von Fußballunternehmen, Berlin.
Kußmaul, H. und Palm, T. (2012a), Der Debt to Equity Swap als Sanierungsinstrument. Eine Analyse der rechtlichen Ausgestaltung. Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung, S. 67-72.
Kußmaul, H. und Palm, T. (2012b), Der Debt to Equity Swap (DES) als Sanierungsinstrument im deutschen Steuerrecht. Konterkarieren sanierungsfeindliche Steuerwirkungen die gesetzgeberischen Absichten? Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung, S. 107-113.
Küting, K. und Strauß, M. (2011), Finanzielle und bilanzielle Krisenstrategien im Profifußball. Der Betrieb, S. 2613-2621.
Lopatta, K., Buchholz, F. und Storz, B. (2014), Die ,50+1‘-Regel im deutschen Profifußball – Ein Reformvorschlag auf Basis eines Vergleichs der europäischen Top 5 Fußballligen. Sport und Gesellschaft, S. 3-33.
Schewe, Gerhard und Littkemann, Jörn (Hrsg), Sportmanagement: Der Profifußball aus sportökonomischer Perspektive, 3. A., Schorndorf.
Strauß, M. (2014), Fußballunternehmen in Europa : Konzernrechnungslegung, Lizenzierung und finanzielles Fairplay im deutschen und europäischen Profifußball, Berlin.
Weber, C. (2020), Auswirkungen des Coronavirus SARS-CoV-2 auf die Rechnungslegung und Lizenzierung im deutschen Profifußball. Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung, S. 320-327.
Weimar, D. (2020), Insolvenzrelevante Fußball-Verbandsregularien in Deutschland. Ökonomische Besonderheiten, Fehlanreize und Reformansätze. German Journal of Exercise and Sport Research, doi: 10.1007/s12662-020-00666-7.