Wie geht es weiter mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt?

1. Entstehung und Entwicklung des Stabilitäts- und Wachstumspakts

Im Vorfeld der Europäischen Währungsunion (EWU) wurde deutlich, dass die Koordination der Fiskalpolitik zum Problem innerhalb des neu zu schaffenden Währungsgebiets werden könnte. Denn während die Geldpolitik nach dem erfolgreichen Beitritt zur EWU dem nationalen Zugriff der Mitgliedsländer entzogen und zentral von der Europäischen Zentralbank (EZB) gesteuert wird, bleibt die nationale Zuständigkeit bei der Fiskalpolitik weiterhin erhalten. Um eine übermäßige Staatsverschuldung auch nach einem Beitritt zur EWU zu vermeiden, setzte man daher auf zwei Regelungen: Zum einen sollte der Marktmechanismus über länderspezifische Risikoprämien in den Zinssätzen dazu führen, dass sich die Kreditaufnahme für hoch verschuldete Mitgliedsländer verteuert und dadurch der Anreiz, sich weiter zu verschulden, sinkt. Zum anderen wurde – quasi als zweite Verteidigungslinie – 1997 auf Drängen des deutschen Finanzministers Waigel der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) eingeführt, der feste Grenzwerte für die Neuverschuldung (3 Prozent bezogen auf das nominale BIP) und den Schuldenstand (60 Prozent bezogen auf das nominale BIP) vorgibt, bei deren Überschreiten Sanktionen für das betreffende Land vorgesehen sind. Gemäß Gleichung (2) im Anhang sind beide Kriterien nicht unabhängig voneinander. Unter der Annahme eines Wirtschaftswachstums von 5 Prozent ist eine Neuverschuldungsquote von 3 Prozent langfristig kompatibel mit einer Schuldenstandsquote von 60 Prozent.

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Euro-Finanzminister hoffen auf ein Wunder – oder: Der (politische) Zweck heiligt die Mittel

Griechenland soll zwei Jahre mehr Zeit bekommen, um seine Sparziele bzw. –vorgaben zu realisieren. Dieses Ergebnis verkündete Jean-Claude Juncker, der Chef der Euro-Gruppe, am 12. November auf einer Pressekonferenz und stellte sich damit demonstrativ gegen die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde. Sie hatte hingegen gefordert, Griechenland habe seine vereinbarten Sparziele bis 2020 umzusetzen, um die Tragfähigkeit der Schulden zu gewährleisten. „Was wir als IWF als wichtig ansehen, ist eine Tragfähigkeit der griechischen Schulden“, sagte sie[1]. „Aus unserer Sicht ist der angemessene Zeitplan: 120 Prozent im Jahr 2020. Wir haben ganz klar unterschiedliche Ansichten.“ Das Beharren des IWF auf dem vereinbarten Zeitpunkt könnte ein Hinweis darauf sein, dass man die bisherige (politische) Praxis, unrealistische Annahmen über die Entwicklung Griechenlands zur Grundlage der weiteren Planungen zu machen, nicht länger mittragen will. Sieht der IWF die Schuldentragfähigkeit nämlich als nicht gesichert an, darf er keine weiteren Kredite an Griechenland vergeben.

Vor diesem Hintergrund stellen sich insbesondere 3 Fragen, die im Folgenden diskutiert werden sollen:

  1. Woher kommt der Zielwert von 120 Prozent und wie sinnvoll ist er?
  2. Wie wird die Finanzierungslücke von 33 Mrd. Euro gedeckt, wenn der Zielwert erst 2022 erreicht werden muss?
  3. Wie wahrscheinlich ist es, dass Griechenland 2020 oder 2022 das angestrebte Ziel einer Schuldenstandsquote von 120 Prozent erreicht?

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