Der Energiepolitiks neue Kleider
Energiewende, Ukraine-Krieg und Doppel-Wumms

„Die Gaskrise hat das schmutzige Geheimnis der deutschen Energiewende offenbart: Sie war vielleicht nicht auf Sand, aber auf russischem Gas gebaut, eine Wende von Putins Gnaden.“  (Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz)

An der deutschen Energiepolitik sollte das weltweite Klima genesen. Das ist die Philosophie der parteiübergreifend „grünen“ Politik. Es ist auch die Meinung großer Teile der Wähler. Die Politik entschied, zügig aus fossilen Energieträgern Kohle und Öl und Atomkraft, auszusteigen. Die erneuerbaren Alternativen können die Lücke (noch) nicht füllen. Auch fehlen ausreichend große und leistungsfähige Speicher. Das wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Ein fossiler Back-up ist noch lange unverzichtbar. Grüner Wasserstoff ist gegenwärtig nicht mehr als eine Vision. Bis es soweit ist, soll (importiertes) Gas die Versorgung sichern. Gas soll die Brücke zur goldenen Zeit der nach-fossilen Energieträger bilden. Der russische militärische Angriff auf die Ukraine zeigt allerdings, die grüne Energiepolitik (fast) aller Parteien hat keine neuen Kleider. Die deutsche Energiewende ist nackt. Nun steht die Politik vor den Trümmern ihrer Energiepolitik. Mit einem halben Jahr Verspätung macht sie sich daran, die Scherben zusammenzukehren. Der angekündigte „Doppel-Wumms“ ist ein weiterer Schritt der um sich greifenden Entlasteritis. Die Regierung hat zwar (schuldenfinanzierte) 200 Mrd. Euro ins Schaufenster gestellt. Einen Plan, was konkret zu tun ist, hat sie aber (immer noch) nicht.

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Griechenland wird das zweite Süditalien Europas

  1. Ohne so viel öffentliche Aufgeregtheiten, wie sie in der Vergangenheit als mediale und politische Begleitmusik bei jedem neuen Hilfspaket an Griechenland zu vernehmen waren, ist das dritte Hilfspaket nach nur sehr kurzer parlamentarischer Diskussion in Gang gesetzt worden. Dabei war die politische Begründungssprache immer wieder die alte, die wir schon lange kennen: Griechenland sei auf einem sehr guten Wege, habe schon viele Reformerfolge vollbracht, aber man müsse dem Land noch weitere Zeit für noch mehr Erfolge zugestehen. Politisch deklarierter Optimismus als Dopingstrategie gegen den bürger-öffentlich berechtigten Skeptizismus, der sich auf die nüchterne Rationalität der mit mehr als 180 % des Bruttoinlandsprodukts nicht-tragfähigen Schuldenlast Griechenlands bezieht, also auf die immer unmöglicher werdende Schuldenrückzahlung an die Auslandsgläubiger. Und der zudem die umfänglich bekannte – auch von Tsipras explizit nicht geleugnete – mangelhafte Reformbereitschaft der griechischen Regierung und Bevölkerung in den Fokus nimmt, die nach wie vor mit den grundlegenden troika-verhandlungsvereinbarten Zusagen im heftigen realen Kontrast stehen. Dieser perpetuierte Kontrast ist zur öffentlichen Dauergewöhnung degeneriert mit der politisch-verbalen Einlullung, die Verlängerung des zeitlichen Rückzahlungshorizontes für die griechischen Schulden sei in Verbindung mit Zinserleichterungen auf 80 Jahre ins Auge gefasst. Dahinter steht die Hoffnung, dass viele Bürger von heute nicht recht durchschauen, dass es sich mit dieser Regelung in Wahrheit um einen dauerhaften Schuldenerlass handelt, der nur nicht als solcher bezeichnet werden soll. Zudem trifft es sich „gut“ für Griechenland, dass dieser ganze Vorgang zur Zeit von den Flüchtlingsproblemen dieses Landes überlagert wird, die nach Finanzhilfen aus der EU mit Recht geradezu schreien. In Bezug auf Griechenland vermixt sich damit die Euro-Schuldenkrise in der deutschen und europäischen Öffentlichkeit – vor allem emotional – mit der Flüchtlingskrise dieses Landes. Die neue Empathie in der letzteren dominiert die notwendige Rationalität in der ersteren.

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Ungleichheit heute (10)
Der Staat pflügt die Verteilung um
Das ist nicht ohne Risiken

„Das Spielfeld der Starken, auf dem sie die Schwachen an die Wand spielen, ist die Politik – nicht der Markt!“ (Gerhart Raichle)

Für viele Bürger ist es ein Ärgernis. Die Einkommen verteilen sich immer ungleicher. Ein Ende der Ungleichheit ist nicht in Sicht. Der Widerstand gegen diese Entwicklung wächst. Die Ansicht verbreitet sich, es gehe nicht mehr „gerecht“ zu. Dieser Vorwurf lässt die Politik nicht kalt. Sie hält verteilungspolitisch dagegen. Das tut sie aber nicht nur, weil es sozial „gerecht“ ist. Oft ist Umverteilung auch interessenpolitisch „opportun“. Staatliche Umverteilung und „soziale Gerechtigkeit“ sind immer öfter zwei Paar Schuhe. Eine Korrektur ungleich verteilter Markteinkommen steht auf der Agenda aller politischen Parteien. Steuern und finanzielle Transfers sind die wichtigsten umverteilungspolitischen Werkzeuge. Aber auch Sachleistungen mit distributiv nebulösem Charakter spielen eine oft unterschätzte Rolle. Mit beiden Instrumenten pflügt der Staat die Verteilung um.

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Der Staat pflügt die Verteilung um
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