“2. Würzburger Ordnungstag“
Stabilisierung oder nur Verschnaufpause
Wie geht es weiter mit der Mittelschicht?

„If technology disrupts enough, who knows what will happen?“ (Lawrence Katz)

Verteilungsfragen haben weiterhin Hochkonjunktur. Die jüngsten Reformen der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in Deutschland waren allesamt Reaktionen auf eine tatsächliche oder auch nur wahrgenommene Zunahme der Einkommensungleichheit. Thomas Piketty (2014) ist das seltene Kunststück gelungen, ein ökonomisches Fachbuch auf die Beststellerlisten diesseits und jenseits des Atlantiks zu bringen. Ende 2014 hat die OECD in einem Working Paper dargestellt, dass die gestiegene Einkommensungleichheit in den entwickelten Industriestaaten einen erheblichen Teil des Wachstumspotentials aufgezehrt hat (Cingano 2014) und damit große Medienaufmerksamkeit erlangt.

In Deutschland steht bei Verteilungsfragen oft das Wohl und Wehe der Mittelschicht im Vordergrund. Die Bertelsmann Stiftung hat Anfang 2013 eine Studie vorgelegt, die die Entwicklung der Mittelschicht seit Mitte der 1980er Jahre analysiert. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse findet sich auch in diesem Blog (Thode 2013). Zentrales Ergebnis war, dass die Mittelschicht seit Ende der 90er Jahre bis zum Beginn dieses Jahrzehnts kontinuierlich geschrumpft ist. Dafür lässt sich eine Reihe von Ursachen anführen. Erstens hat der Anteil von Ein-Personen- und Alleinerziehendenhaushalten in diesem Zeitraum deutlich zugenommen. Während im Jahr 1996 knapp 12,7 Millionen Personen (15,6% der Gesamtbevölkerung) allein in ihrem Haushalt lebten, waren es 2011 bereits 15,9 Millionen (19,6%) (Destatis 2012). Zwischen 1996 und 2009 ist die Zahl der Alleinerziehenden um gut 20% gestiegen (Destatis 2010). Mittlerweile ist in jeder fünften Familie nur ein Elternteil vertreten. Alleinlebenden ist es nicht möglich, Skalenerträge zu realisieren, die in größeren Haushalten anfallen, z. B. bei der Miete des Wohnraums. Alleinerziehende haben häufig Schwierigkeiten, in Vollzeit erwerbstätig zu sein und können daher oftmals nur ein geringes Einkommen erzielen.


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BücherMarkt
Patrik Schellenbauer und Daniel Müller-Jentsch: Der strapazierte Mittelstand

Mythos Mittelschicht: Steht die Ampel für das Rückgrat der Bevölkerung auf Rot? Rot ist die Leitfarbe des Buches „Der strapazierte Mittelstand – Zwischen Ambition, Anspruch und Ernüchterung“, das die Mittelschicht – in der Schweiz ist Mittelstand ein Synonym – unter die Lupe nimmt. Die Beiträge unterschiedlicher Autoren und Wissenschaftler lassen allerdings auch den Schluss zu, dass die Zukunft der mittleren Einkommensschichten nicht schwarz aussehen muss.

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Ungleichheit heute (6)
Die deutsche „Mitte“ ist stabil
Wie lange noch?

„Soziale Marktwirtschaft ist eine von zwei schlechten ökonomischen Ideen des 20. Jahrhunderts, die andere war der Kommunismus.“ (Edmund Phelps)

Die „Mittelschicht“ scheint unter Druck zu stehen. In den Medien wird ihr baldiger Zerfall prophezeit. Die Gefahr sei groß, in Hartz-IV-Gefilde abzustürzen. Tatsächlich ist in Deutschland die Angst vor dem Jobverlust weit verbreitet. Wirtschaftlicher und sozialer Abstieg seien dann unvermeidlich. Die Chance aufzusteigen, könne man vergessen. Fähigkeiten und Leistung zählten nicht mehr. Für berufliche Karrieren seien der Status der Familie und „Vitamin B“ entscheidend. Wer unten sei, bliebe unten. Die „Mittelschicht“ brenne an beiden Enden: Ein Aufstieg sei kaum möglich, Abstieg an der Tagesordnung. Das alles gehe an die Substanz der „Sozialen Marktwirtschaft“. Die „Mittelschicht“ als ökonomischer, sozialer und politischer Stabilitätsanker zerbrösle. Das Ende der „Sozialen Marktwirtschaft“ sei nicht mehr weit.

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Die deutsche „Mitte“ ist stabil
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Ungleichheit heute (5)
Die Mittelschicht schrumpft – Wo liegt der Handlungsbedarf?

In den letzten Jahren hat die verteilungspolitische Debatte in Deutschland an Fahrt gewonnen. Sie vollzieht sich zumeist antizyklisch zur konjunkturellen Entwicklung. Da die deutsche Wirtschaft trotz des scharfen Einbruchs 2009 relativ unbeschadet durch die Krise gekommen ist und in den letzten drei Jahren beachtliche Wachstumsraten zu verzeichnen waren, verwundert dies zunächst nicht. Doch auch die strukturellen Veränderungen des letzten Jahrzehnts im Sozialen und auf dem Arbeitsmarkt haben in den Augen mancher die Balance zwischen Effizienz und Gerechtigkeit gestört.

Gerade in Deutschland spielt dabei die Lage der Mittelschicht eine wesentliche Rolle. Als Ludwig Erhard in der noch jungen Bundesrepublik „Wohlstand für alle“ zum Paradigma der Wirtschafts- und Sozialpolitik ausrief, schuf er zugleich den Mythos der breiten Mittelschicht, die maßvoll und möglichst im Gleichschritt von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren sollte. Die Mittelschicht ist seither die Arena zentraler gesellschaftlicher Prozesse. Wahlen werden in der Mitte gewonnen. Die Mittelschicht trägt mit ihren Steuern die Finanzierung des Staates. Die Mittelschicht ist die Basis des deutschen Wirtschaftsmodells.

Ungleichheit heute (5)
Die Mittelschicht schrumpft – Wo liegt der Handlungsbedarf?“
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Ungleichheit heute (2)
Der Staat strapaziert die Schweizer Mittelschicht

In kaum einem anderen Land wird die Mittelschicht derart stark als Garant für wirtschaftliche Dynamik und politische Stabilität wahrgenommen wie in der Schweiz. So wichtig die Mittelschicht für das Schweizer Selbstverständnis ist, so verbreitet sind die Diskussionen über ihre Sorgen: Stagnierende Löhne, eine sich öffnende Einkommensschere, erodierende Kaufkraft oder die Konkurrenz durch qualifizierte Zuwanderer im Arbeits- und Wohnungsmarkt sind seit Jahren fester Bestandteil der öffentlichen Debatte. Diese rollt das jüngste Buch des liberalen Think-Tank Avenir Suisse neu auf und kommt zu einem ambivalenten Fazit: Zwar geht es der Schweizer Mittelschicht heute besser als vor 20 Jahren. Von einer Erosion kann also nicht gesprochen werden. Doch wird sie durch die staatliche Umverteilung zugunsten von unteren Einkommensschichten zurückgeworfen. Zugleich wird ihr der soziale Aufstieg erschwert. Dies schwächt die relative Position der Schweizer Mittelschicht.

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Der Staat strapaziert die Schweizer Mittelschicht“
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