Die Tarifauseinandersetzung der GDL mit der Deutschen Bahn geht gerade mit einem einwöchigen Streik in die nächste Runde. Das öffentliche Meinungsbild erscheint geschlossener denn je: Vielerorts ist die Forderung zu vernehmen, dem vermeintlich auf dem Rücken der Allgemeinheit ausgetragenen Konflikt endlich Einhalt zu gebieten. Die Bundesregierung sieht sich in ihrem Vorhaben bestätigt, die Tarifeinheit per Gesetz zu erzwingen.
Ordnungspolitischer Kommentar
Mehr institutionellen Wettbewerb wagen
Tarifpluralität statt Tarifeinheit
„Es gibt für jedes noch so komplexe menschliche Problem einfache Lösungen – sie sind platt, vordergründig plausibel und sachlich falsch.“ (Henry Louis Mencken)
In der Lohn- und Tarifpolitik ist es nicht mehr so, wie es lange Zeit war. Seit der Jahrtausendwende ist das Tarifkartell aus Industriegewerkschaften und Arbeitgeberverbänden in der Defensive. Spartengewerkschaften stören die Kreise der traditionellen Tarifpartner empfindlich. Ärzte, Piloten und Lokführer verhandeln auf eigene Rechnung. Andere Berufsgruppen sind ihnen gefolgt. Allerdings ebbt die Welle tariffähiger Spartengewerkschaften seit Mitte der 00er Jahr ab. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Jahre 2010 war Wasser auf die Mühlen der berufsständischen Störenfriede. Die positive Koalitionsfreiheit gilt nicht nur für Industriegewerkschaften, auch Spartengewerkschaften dürfen sie in Anspruch nehmen. Seither schüren die tarifpolitischen Platzhirsche die Angst vor „englischen“ Verhältnissen. Die Lokführer und Piloten tun gegenwärtig alles, diese Ängste zu bestätigen.
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Tarifeinheit oder Tarifpluralität? (3)
Lohn- und Tarifpolitik auf dem Boden des Grundgesetzes
Spartengewerkschaften sind legitim
„Die Klage über die Schärfe des Wettbewerbs ist in Wirklichkeit meist nur eine Klage über den Mangel an Einfällen.“ (Walter Rathenau)
Es war zu erwarten: Dietrich Creutzburg lässt meine Kritik nicht auf sich sitzen. Er sieht sich nicht als Feind des Wettbewerbs, auch nicht in der Lohn- und Tarifpolitik. Mehr individuelle Vertragsfreiheit auf den Arbeitsmärkten ist sein – und mein – Ideal. Er wehrt sich allerdings mit Händen und Füßen gegen mehr gewerkschaftlichen Wettbewerb und Tarifpluralität in den Unternehmen. Da ist er sich mit den Einheitsgewerkschaften und Arbeitgeberverbänden einig. Auch wenn er keine Argumente dafür liefert, führt für ihn nur der Weg über die Tarifeinheit in den Unternehmen zu mehr individueller Vertragsfreiheit. Der Weg über die Tarifpluralität ist für ihn eine lohn- und tarifpolitische Sackgasse. Wenn ich sein Unbehagen mit der Tarifpluralität richtig deute, sieht er vor allem den größeren Einfluss der Betriebsräte als das eigentliche Hindernis auf dem Weg zu mehr individueller Vertragsfreiheit. Das sehe ich weiter anders. Er hat mich nicht überzeugt, vom Tarifpluralisten zum Tarifeinheitler zu konvertieren.
Tarifeinheit oder Tarifpluralität? (1)Weniger Wettbewerb tut der Marktwirtschaft gut!?
Die FAZ und die Tarifeinheit
„Wettbewerb kann es nie genug geben“ (Roland Vaubel)
Die Welt der Ökonomie steht Kopf, nun auch in der FAZ. Alte Glaubensätze scheinen nicht mehr zu gelten. Mehr Wettbewerb sei nicht per se gut. Manchmal müsse er beschränkt werden, um die Marktwirtschaft vor sich selbst zu schützen. Diese steile These vertritt Dietrich Creutzburg, einer der klügsten ökonomischen Köpfe der FAZ, in dem Kommentar „Warum Tarifeinheit marktwirtschaftlich ist“. In der Lohn- und Tarifpolitik sei eben alles anders als auf Güter- und Faktormärkten. Hier tue nicht mehr, sondern weniger Wettbewerb der Marktwirtschaft gut. Tarifeinheit sei der Tarifpluralität vorzuziehen. Er fordert ein Gesetz, das den wettbewerblichen Ausrutscher des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 2010 endlich korrigiere. Damit liegt er auf der Linie aller im Bundestag vertretenen Parteien. Auch die kartellierten Tarifpartner – Einheitsgewerkschaften und Arbeitgeberverbände – werden seine Ausführungen mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen haben. Richtig werden sie dadurch allerdings noch lange nicht.