In den letzten Jahren hat die verteilungspolitische Debatte in Deutschland an Fahrt gewonnen. Sie vollzieht sich zumeist antizyklisch zur konjunkturellen Entwicklung. Da die deutsche Wirtschaft trotz des scharfen Einbruchs 2009 relativ unbeschadet durch die Krise gekommen ist und in den letzten drei Jahren beachtliche Wachstumsraten zu verzeichnen waren, verwundert dies zunächst nicht. Doch auch die strukturellen Veränderungen des letzten Jahrzehnts im Sozialen und auf dem Arbeitsmarkt haben in den Augen mancher die Balance zwischen Effizienz und Gerechtigkeit gestört.
Gerade in Deutschland spielt dabei die Lage der Mittelschicht eine wesentliche Rolle. Als Ludwig Erhard in der noch jungen Bundesrepublik „Wohlstand für alle“ zum Paradigma der Wirtschafts- und Sozialpolitik ausrief, schuf er zugleich den Mythos der breiten Mittelschicht, die maßvoll und möglichst im Gleichschritt von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren sollte. Die Mittelschicht ist seither die Arena zentraler gesellschaftlicher Prozesse. Wahlen werden in der Mitte gewonnen. Die Mittelschicht trägt mit ihren Steuern die Finanzierung des Staates. Die Mittelschicht ist die Basis des deutschen Wirtschaftsmodells.
„Ungleichheit heute (5)
Die Mittelschicht schrumpft – Wo liegt der Handlungsbedarf?“ weiterlesen