Bis zum letzten Dezember bestand unter Fachleuten Einigkeit, dass die EU ihren Haushalt nicht mit Schulden finanzieren darf. So befindet sich in Kapitel 3 der EU-Haushaltsordnung unter der Überschrift “Grundsatz des Haushaltsausgleichs” der folgende Artikel 17: (1) “Einnahmen und Mittel für Zahlungen sind auszugleichen”. (2) “Die Union und die in den Artikeln 70 und 71 genannten Einrichtungen der Union sind nicht befugt, im Rahmen des Haushalts Kredite aufzunehmen”. Dem entspricht im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Artikel 311 Absatz 2: “Der Haushalt wird unbeschadet der sonstigen Einnahmen vollständig aus Eigenmitteln finanziert”. Eigenmittel sind die Zolleinnahmen und die Finanzierungsbeiträge der Mitgliedstaaten[1]. “Sonstige Einnahmen” im Sinne von Absatz 2 sind Einnahmen außerhalb des Haushalts[2]. Entsprechend kommen auch die einschlägigen rechtswissenschaftlichen Kommentare einhellig zu dem Schluss, dass eine Schuldenfinanzierung des EU-Haushalts nicht erlaubt ist.
Verfassungsbeschwerde gegen die Schuldenfinanzierung des EU-Haushalts
Kurz kommentiert
Ein Deal … aber der falsche …
Zur Einigung über den langfristigen EU-Haushalt
Bis zum letzten Donnerstag haben Polen und Ungarn den langfristigen EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 und den damit verknüpften Corona-Aufbaupakt durch ihr Veto blockiert. Stein des Anstoßes war dabei das Rechtsstaatsprinzip, auf das sich beide Länder nicht verpflichten lassen wollten, weil sie es als Einmischung in innere Angelegenheiten ansehen. Mein am 16. November erschienener Beitrag (hier) zu diesem Thema schloss daher mit dem Satz: Bisher ist es nicht gelungen, den Regierungen in Polen und Ungarn ihre Zustimmung zum Haushaltsentwurf – einschließlich der umstrittenen Konditionalitätsregelung – durch Zugeständnisse an anderer Stelle „abzukaufen“.
Der Streit um den EU-Haushalt
Am 21. Juli 2020 haben die Staats- und Regierungschefs der 27 EU Mitgliedsländer – auch als Reaktion auf die Corona-Pandemie – den langfristigen EU-Haushalt[1] 2021-2027 beschlossen. „Ein Haushalt als Motor für die Erholung nach der COVID?19?Krise“ soll(te) es sein, der sich – wie Abbildung 1 veranschaulicht – aus dem mehrjährigen Finanzrahmen („normaler“ Haushalt) in Höhe von 1,074 Billion Euro und dem Corona-Aufbauplan in Höhe von 750 Mrd. Euro zusammensetzt. Der Aufbauplan beinhaltet wiederum 390 Mrd. Euro als nicht rückzahlbare Zuschüsse und 360 Mrd. Euro als Kredite. Mit seiner Hilfe soll der langfristige Haushalt der EU aufgestockt werden, um die unmittelbaren wirtschaftlichen und sozialen Schäden, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind, zu beheben‚ „den Aufbau anzukurbeln und eine bessere Zukunft für die nächste Generation vorzubereiten“. Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, hat dazu gesagt: „Wir haben einen Deal zum Aufbaupaket und zum EU-Haushalt erreicht. Natürlich waren es schwierige Verhandlungen in einer für alle Europäerinnen und Europäer sehr schwierigen Zeit. Es war ein Marathon, der in einen Erfolg für alle 27 Mitgliedstaaten, besonders aber für die Menschen mündete. Es ist ein guter Deal. Es ist ein starker Deal. Vor allem aber ist es gerade jetzt der richtige Deal für Europa. Diese Einigung ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die EU eine treibende Kraft ist.“
Ordnungspolitischer Kommentar
Rechtsstaatlichkeit im EU-Haushalt
Im Mai hat die EU-Kommission ihren Entwurf für den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 vorgestellt. Der Vorschlag sieht insbesondere vor, dass Mittel aus dem EU-Haushalt in Zukunft an die Bedingung der Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden könnten. Die Diskussion um eine mögliche Konditionalität von Zahlungen ist nicht neu. Sowohl ex-ante als auch makroökonomische Konditionalitäten werden im EU-Haushalt bereits eingesetzt. Der Vorschlag würde aber eine deutliche Ausweitung des Einflusses der Kommission bedeuten. Zum Teil wird als Kondition nicht nur von Rechtsstaatlichkeit, sondern allgemeiner von demokratischen Prinzipen gesprochen.
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Rechtsstaatlichkeit im EU-Haushalt“ weiterlesen
Eine eigene Steuer für die EU? Nein, danke!
Wenn es darum geht, Kandidaten für eine eigene Steuer der EU zu erfinden, ist die Europäische Kommission in jüngster Zeit zur Höchstform aufgelaufen. Nachdem sie bereits im August 2010 eine EU-Treibgassteuer und eine EU-Abgabe auf den Rohstoffverbrauch ins Gespräch gebracht hatte, hat sie im Oktober 2010 in einem Grundsatzpapier zum künftigen EU-Haushalt gleich vier neue Vorschläge für eine eigene Einnahmequelle der Gemeinschaft gemacht: Eine EU-Steuer auf den Finanzsektor, die Einnahmen aus Versteigerungen der Emissionszertifikate, eine europäische Luftverkehrsabgabe sowie eine ,echte“˜ europäische Mehrwertsteuer. Seither lassen EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Haushaltskommissar Janusz Lewandowski keine Gelegenheit aus, diese Forderungen gebetsmühlenartig zu wiederholen. Vehemente Unterstützung erfahren sie dabei vom Europäischen Parlament, das im November 2010 seine Zustimmung zum EU-Budget 2011 sogar davon abhängig machen wollte, dass die Mitgliedstaaten „die Debatte über die Einführung einer EU-Steuer vorantreiben“ sollten. Letztlich gaben sich die Abgeordneten dann im Dezember mit einem Versprechen der Kommission zufrieden, 2011 konkrete Vorschläge vorzulegen, wie die Einnahmen der EU „neu gestaltet“ werden sollen.