Der Energiepolitiks neue Kleider
Energiewende, Ukraine-Krieg und Doppel-Wumms

„Die Gaskrise hat das schmutzige Geheimnis der deutschen Energiewende offenbart: Sie war vielleicht nicht auf Sand, aber auf russischem Gas gebaut, eine Wende von Putins Gnaden.“  (Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz)

An der deutschen Energiepolitik sollte das weltweite Klima genesen. Das ist die Philosophie der parteiübergreifend „grünen“ Politik. Es ist auch die Meinung großer Teile der Wähler. Die Politik entschied, zügig aus fossilen Energieträgern Kohle und Öl und Atomkraft, auszusteigen. Die erneuerbaren Alternativen können die Lücke (noch) nicht füllen. Auch fehlen ausreichend große und leistungsfähige Speicher. Das wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Ein fossiler Back-up ist noch lange unverzichtbar. Grüner Wasserstoff ist gegenwärtig nicht mehr als eine Vision. Bis es soweit ist, soll (importiertes) Gas die Versorgung sichern. Gas soll die Brücke zur goldenen Zeit der nach-fossilen Energieträger bilden. Der russische militärische Angriff auf die Ukraine zeigt allerdings, die grüne Energiepolitik (fast) aller Parteien hat keine neuen Kleider. Die deutsche Energiewende ist nackt. Nun steht die Politik vor den Trümmern ihrer Energiepolitik. Mit einem halben Jahr Verspätung macht sie sich daran, die Scherben zusammenzukehren. Der angekündigte „Doppel-Wumms“ ist ein weiterer Schritt der um sich greifenden Entlasteritis. Die Regierung hat zwar (schuldenfinanzierte) 200 Mrd. Euro ins Schaufenster gestellt. Einen Plan, was konkret zu tun ist, hat sie aber (immer noch) nicht.

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Gastbeitrag
Deutsche Energieversorgung an einem historischen Wendepunkt

Trotz des langjährigen Ausbaus der erneuerbaren Energien ist Deutschland – wie die meisten anderen Industrieländer der Welt – immer noch auf fossile Energieträger angewiesen. Deutschland importiert fast 70% seiner Energieressourcen, wobei Russland derzeit der größte Lieferant von fossilen Energien ist. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat zu einem historischen Wendepunkt in der deutschen Energieversorgung geführt. Deutschland ist bestrebt, seine Abhängigkeit von Energieeinfuhren aus Russland so schnell wie möglich zu verringern. Die jahrzehntelange energiepolitische Verbindung zwischen Deutschland und Russland, die auch in den heißesten Zeiten des Kalten Krieges Bestand hatte, soll in den kommenden Jahren gelockert werden. Eine Renaissance dieser Energiebeziehungen ist unter dem derzeitigen politischen Regime in Russland kaum vorstellbar.

Deutschland plant einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, wird aber auch in LNG-Infrastrukturen zur Diversifizierung der Gasversorgung, neue Gaskraftwerke, Stromnetze, Energieeffizienz von Gebäuden, Industrieprozessen und Mobilitätsdienstleistungen, kohlenstoffarme Heiztechnologien wie elektrische Wärmepumpen, Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, Stromspeichertechnologien und Infrastrukturen zur Herstellung, zum Transport und zur Nutzung von (grünem) Wasserstoff in energieintensiven Industrien investieren. All diesen Zielen sind viele Grenzen gesetzt. Dazu zählen Kapazitäts- und Fachkräftemangel im Handwerk, im Baugewerbe und bei den Herstellern von Investitionsgütern, begrenzte finanzielle Mittel auf der Ebene der Verbraucher, der Unternehmen und des Staates, der Zeitaufwand für Planungs- und Genehmigungsverfahren oder lokale Widerstände gegen Windparks, neue Kraftwerke und/oder den Netzausbau.

Das kurzfristige Risiko, von den russischen Gas- und Öllieferungen abgeschnitten zu werden, ist im (industriellen) Wärmemarkt ausgeprägter und weniger schwerwiegend im Stromsektor. Während es sehr wahrscheinlich ist, dass die Gasversorgung bis Herbst 2022 gesichert ist, sind Engpässe für den Winter 2022/23 nicht auszuschließen. Die großen (politischen) Aufgaben auf kurze Sicht sind die Erhöhung der LNG-Importe auf europäischer Ebene, das Auffüllen der Gasspeicherkapazitäten über die Sommermonate und die Sicherung der Steinkohleversorgung. Wenn es im nächsten Winter zu physischen Engpässen bei Gas kommen sollte, könnten nachfrageseitige Maßnahmen ins Spiel kommen. Dazu gehört die planmäßige und geordnete Abschaltung von Industrieanlagen mit hohem Gasverbrauch. Der Verbrauch von Erdgas für Heizzwecke in privaten Haushalten würde gegenüber industriellen Anwendungen bevorzugt behandelt werden. Ein schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien ist eine Konsequenz aus der aktuellen Energiekrise, aber keine kurzfristige Lösung angesichts der begrenzten Möglichkeiten auf der Angebotsseite.

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