Wie hart soll die EU bei Neuverhandlungen des Brexits verhandeln?

Unter Ökonomen – sowohl auf dem europäischen Festland wie auch auf der britischen Insel – gibt es vergleichsweise wenig Zweifel daran, dass die Europäische Union, insbesondere die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes (freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit und freier Kapital- und Zahlungsverkehr), für alle Seiten vorteilhaft ist. Trotzdem verliert die EU in vielen Ländern zunehmend an Zustimmung, sodass inzwischen das Vereinigte Königreich das Verfahren zum Austritt aus der EU eingeleitet hat. Niemand weiß genau, wie es zu diesem „Betriebsunfall“ kommen konnte. Vermutlich haben jedoch zumindest die folgenden drei Faktoren einen spürbaren Einfluss ausgeübt: (a) Die EU ist immer stärker bestrebt, ihre Kompetenzen auszuweiten (Vertiefung der EU) und sich räumlich auszudehnen (Erweiterung). Dies führt nicht nur zu einem gefühlten Einflussverlust der Bürger auf die Politik, sondern auch zu steigenden Anreizen zum intraeuropäischen Trittbrettfahren (z.B. Verschuldung zu Lasten anderer Nationen). (b) Die europäische Staatsschuldenkrise, die sich zeitweise sogar zu einer ernsten Währungskrise entwickelte, unterhöhlt das Vertrauen in die Wirksamkeit des europäischen Regelsystems. (c) Es herrscht offensichtlich ein großer Dissens darüber, wie mit Migrationsströmen umgegangen werden soll. Prinzipiell aufnahmewillige Länder fürchten dann ein Trittbrettfahrerverhalten durch die Länder, die jede Aufnahme verweigern. Umgekehrt wollen sich letztere Länder nicht durch erstere bevormunden lassen.

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Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?
Wie sollen sich Wirtschaftswissenschaftler in der wirtschaftspolitischen Diskussion verhalten?

Schon wieder so ein nerviger Professorenaufruf! Im April dieses Jahres fühlte ich mich begrenzt erfreut, als ich erneut gefragt wurde, an einem Professorenaufruf – in diesem Fall gegen die Vertiefung der Haftungsunion – teilzunehmen. Mal wieder ein Aufruf, dem wohl ein Gegenaufruf folgen und der letztlich keine Auswirkungen haben wird, außer dass man sich dafür wiederholt rechtfertigen muss. Ist es wirklich nützlich, wenn man ein weiteres Mal in die Öffentlichkeit geht und einen Ökonomenstreit vor aller Augen praktiziert?

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Vertrauen
Unverzichtbare, aber zerbrechliche Grundlage des sozialen Konsenses

1. Das Problem

Am 21. Juli 1969 um 3:56 MEZ haben erstmalig Menschen, Neil Armstrong und Edwin Aldrin, den Mond betreten! –– Haben sie wirklich? Tatsächlich gibt es eine Reihe von Verschwörungstheorien, die das Gegenteil behaupten. So fragte sich der Verfasser dieser Zeilen einst: Warum glaube ich, dass die Meldung von der Mondlandung stimmt? Definitiv war es nicht der Umstand, dass ich mich mit den Argumenten der beiden Seiten intensiv auseinandersetzt hätte. Es reichte schon völlig aus, dass ich denjenigen, die diese Nachricht an mich weitergaben, vertraute: meinen Eltern, meinen Lehrern, meinen Freunden …

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Bitcoins

„Bitcoin ist Betrug.“ So zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 13. September 2017 Jamie Dimon, den CEO der amerikanischen Großbank JPMorgan. Die Währung würde in einem Crash enden, und sollte ein Mitarbeiter von JPMorgan mit Bitcoin handeln, so koste ihn das den Arbeitsplatz. Ganz anders sieht dies eine weitere amerikanische Großbank, Goldman Sachs, die derzeit den Einstieg in den Handel mit Bitcoins und anderen Kryptowährungen prüft. James Morgan, CEO von Morgan-Stanley, sieht im Bitcoin zumindest mehr als eine Modeerscheinung. Die Einschätzungen weichen also dramatisch voneinander ab. Um zu einer eigenen Einschätzung zu gelangen, werden im Folgenden einige Eigenschaften des Bitcoins und mögliche Folgen für die Volkswirtschaft herausgearbeitet.

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Die zentralistische Vision der Europäischen Kommission
Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion

Am 31. Mai hat die Europäische Kommission ein Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion veröffentlicht. Was könnte man von einem solchen Beitrag gerade im Hinblick auf die unübersehbaren Probleme der EU – Brexit, hohe Arbeitslosigkeit in einer nicht geringen Zahl von Nationen, hohe Staatsverschuldungsquoten, Erstarkung links- und rechtsextremer Parteien in wichtigen Ländern, eine extreme Geldpolitik, die zumindest das zuvor weitgehend gesunde deutsche Bankensystem aushöhlt, das Scheitern der Kooperation im Hinblick auf die Flüchtlingskrise, … ­– erwarten? Der Verfasser dieses Beitrags hätte vermutet, dass die Kommission vor allem nach eigenen Fehlern in Bezug auf Politik und Struktur sowie nach Lösungsmöglichkeiten sucht.

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Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion
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Was bedeutet die Wahl Donald Trumps für uns und für die amerikanische Volkswirtschaft?

Niemand weiß, welchen Verlauf die Amtszeit Donald Trumps nehmen wird. Trotzdem ist es wichtig, halbwegs plausible Erwartungen zu bilden, um gegebenenfalls möglichst effizient reagieren zu können. Um abzuschätzen, wie Trump regieren wird, ist es wichtig zu verstehen, wie er denkt. Im Folgenden gehen wir davon aus, dass der neue amerikanische Präsident seine wirtschaftspolitische Strategie nicht aus der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ableitet, sondern aus seiner persönlichen Lebenserfahrung als sehr erfolgreicher Unternehmer.

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Die Marktwirtschaft
Inkonsistentes Modell oder wichtigste Quelle des Wohlstands?

Marktwirtschaftliche Prozesse stehen seit der Finanz- und Wirtschaftskrise unter einem Dauerbeschuss von rechter und linker Seite. Das Vertrauen in den Selbstorganisationsmechanismus „Markt“ wird damit mehr und mehr ausgehöhlt. Untergangsszenarien gewinnen an Popularität und verleihen dem Staat die Legitimation zu beinahe beliebigen Eingriffen in den Prozess des Wirtschaftens. Dabei wird zumeist übersehen, auf welch dünnem Eis die Marktkritik steht und wie widersprüchlich die vorgebrachten Argumente zum Teil zueinander stehen.

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Die Politik der bodenlosen Fässer
Griechenland, Energie, Flüchtlinge und EZB

Stellen Sie, verehrter Leser, sich vor, Ihr Cousin sei der Spielsucht verfallen. Als die Probleme zunehmen, wendet er sich schließlich an Sie und bittet Sie um finanzielle Hilfe. Wenn Sie ihm 10.000€ leihen, dann kann er einen Kredithai bedienen und wird – so verspricht er – nie wieder ein Casino betreten. Nehmen wir an, Sie erfüllen ihm den Wunsch und Sie werden nach sechs Monaten von ihm erneut um Hilfe gebeten. Diesmal benötigt er 15.000€…

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Politik, das Institutionensystem einer Gesellschaft und ihr Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Marktsystems

Eine Marktwirtschaft, die im Wesentlichen auf dem freiwilligen Austausch von Gütern und Dienstleistungen basiert, bedarf als Grundvoraussetzung eines soliden und funktionsfähigen Rechtssystems (und weiterer Institutionen). Dieses kann die Marktwirtschaft nicht aus sich selbst heraus erzeugen; stattdessen ist sie auf den staatlich-politischen Sektor angewiesen, der die entsprechenden Leistungen bereitstellt.

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Plurale Ökonomik (2)
Was ist richtig an der Kritik heterodoxer Ökonomen?

Anfang September 2015 wurde an der Universität Münster die Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik, der Vereinigung der deutschsprachigen Volkswirte, durchgeführt. Neben der eigentlichen Vereinskonferenz wurde zeitgleich eine von den Medien durchaus beachtete „Konkurrenztagung“ des Netzwerks Plurale Ökonomik (im Folgenden: NPlÖ) organisiert. Ein Grund dafür sei, dass der Verein ihm keine Sessions zur eigenen Organisation bereitstellt, so das Netzwerk in einem Positionspapier.[1] Unabhängig davon, ob bzw. inwieweit der Verein für Socialpolitik anderen Organisationen bei der Verbreitung ihrer Ansätze helfen sollte, liegt der eigentliche Dissens jedoch eher in der Frage, wie man eine hochwertige Wissenschaft definiert. In diesem Punkt kritisiert das NPlÖ nicht ausschließlich die Vereinsführung, sondern die Mehrheit der Ökonomen, die vom Netzwerk dem sogenannten „Mainstream“ – verstanden als mehrheitlich akzeptierte Forschungsausrichtung – zurechnet werden. Deshalb wollen wir uns im Folgenden mit der Frage auseinandersetzen, wie berechtigt die Anliegen des NPlÖ sind und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

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Was ist richtig an der Kritik heterodoxer Ökonomen?“
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