Wie geht es weiter mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt?

1. Entstehung und Entwicklung des Stabilitäts- und Wachstumspakts

Im Vorfeld der Europäischen Währungsunion (EWU) wurde deutlich, dass die Koordination der Fiskalpolitik zum Problem innerhalb des neu zu schaffenden Währungsgebiets werden könnte. Denn während die Geldpolitik nach dem erfolgreichen Beitritt zur EWU dem nationalen Zugriff der Mitgliedsländer entzogen und zentral von der Europäischen Zentralbank (EZB) gesteuert wird, bleibt die nationale Zuständigkeit bei der Fiskalpolitik weiterhin erhalten. Um eine übermäßige Staatsverschuldung auch nach einem Beitritt zur EWU zu vermeiden, setzte man daher auf zwei Regelungen: Zum einen sollte der Marktmechanismus über länderspezifische Risikoprämien in den Zinssätzen dazu führen, dass sich die Kreditaufnahme für hoch verschuldete Mitgliedsländer verteuert und dadurch der Anreiz, sich weiter zu verschulden, sinkt. Zum anderen wurde – quasi als zweite Verteidigungslinie – 1997 auf Drängen des deutschen Finanzministers Waigel der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) eingeführt, der feste Grenzwerte für die Neuverschuldung (3 Prozent bezogen auf das nominale BIP) und den Schuldenstand (60 Prozent bezogen auf das nominale BIP) vorgibt, bei deren Überschreiten Sanktionen für das betreffende Land vorgesehen sind. Gemäß Gleichung (2) im Anhang sind beide Kriterien nicht unabhängig voneinander. Unter der Annahme eines Wirtschaftswachstums von 5 Prozent ist eine Neuverschuldungsquote von 3 Prozent langfristig kompatibel mit einer Schuldenstandsquote von 60 Prozent.

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Gastbeitrag
Ist die EU noch eine Rechtsgemeinschaft?
Anmerkungen aus ökonomischer Sicht

Das Thema „Rechtsgemeinschaft“[1] impliziert, dass sich ein Ökonom dazu eigentlich nicht äußern dürfte. Allerdings sind seit Gründung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) – auf diesen Zeitraum soll sich dieser Kommentar beschränken – eine Vielzahl von finanz- und geldpolitischen Maßnahmen ergriffen worden, die zumindest als Überdehnungstatbestände eingestuft werden können und zu denen auch der „Überdehnungstatbestand Rechtsstaatlichkeit“ zählt (H.-J. Haß, Die große Überdehnung – Eine etwas altmodische Sicht auf die Finanzkrise, in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Nr. 3/2013, S. 53 ff.). Insofern erscheint es nicht übertrieben, die Geschichte der Europäischen Währungsunion pointiert als eine Kette von möglichen Rechtsbeugungen oder zumindest rechtlich fragwürdigen Ereignissen zu betrachten und zu prüfen. Dabei mag sich der Ökonom damit trösten, dass nicht nur in seiner Wissenschaftsdisziplin, sondern auch in der Jurisprudenz durchaus unterschiedliche Auffassungen existieren, inwieweit die Finanz- und Geldpolitik in der EU seit 1999 eindeutig gegen geltendes Recht verstoßen hat oder sich möglicherweise nur am ,Rande der Legalität“˜ bewegt hat. Zumindest scheint es aber, dass die im Folgenden genannten Maßnahmen eine Reihe grundlegender Überzeugungen verletzt haben (bzw. noch verletzen), die bei der Gründung der WWU im Konsens vereinbart wurden und die gerne als der „Geist des Vertrags von Maastricht“ apostrophiert werden. Die damit verbundenen Probleme betreffen primär die Ebene der Finanzpolitik, darüber hinaus aber in den letzten Jahren auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank.

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