Souveränität, Demokratie und Grexit
Kopernikanische Wende in Europa?

„Die Ökonomie lässt sich nicht bescheißen.“ (Jörg Niehans)

Das vom Konkurs bedrohte Griechenland darf wieder hoffen. Der Gang zum „Insolvenzrichter“ wurde noch einmal aufgeschoben. Nach der dramatischen Einigung nächtens  in Brüssel und den Zusagen des Parlaments in Athen werden die Euro-Gruppe, der IWF und Griechenland über ein drittes, großvolumiges Hilfspaket verhandeln. Ob sie sich einigen können, ist allerdings nicht sicher. Noch immer droht der Grexit. Das ist erstaunlich. Die Politik hat ein währungspolitisches Tabu gebrochen. Sie diskutiert „Plan B“ ernsthaft. Syriza und Varoufakis sei Dank. Der alte (Schäuble-)Plan eines Europas der „unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ wird wieder aus der Schublade geholt. Das gilt auch für die EWU. Ist das die kopernikanische Wende in der Strategie der europäischen Integration? Hat das ptolemäische Weltbild der EWU als einer Schicksalsgemeinschaft ohne Wiederkehr ausgedient? Es scheint so, als habe die Politik endlich begriffen, wieder stärker auf die heterogenen Interessen der Bürger in den europäischen Nationalstaaten zu hören.

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Euro-Union: Von der Euphorie zur Ernüchterung

Zahlreiche bereits mehrmals als final bezeichnete Verhandlungsrunden und Entscheidungen haben in den vergangenen Monaten der Euro-Union ihren Stempel aufgedrückt. Nun wurde ein weiteres Maßnahmenpaket geschnürt, dessen Inhalte noch nicht bis ins letzte Detail an die Öffentlichkeit gedrungen sind, das aber wohl alle Verhandlungspartner ihr Gesicht wahren ließ. Doch die Erinnerungen an den Champagner, mit dem der Euro seinerzeit in vielen EU-Staaten – auch in Griechenland – begrüßt wurde, sind verblasst. Die Euphorie der ersten Jahre ist einer Ernüchterung gewichen. Nicht mit den Kollateralschäden einer Gemeinschaftswährung haben wir es zu tun, vielmehr zeigen sich die Konstruktionsmängel inzwischen sehr deutlich. Es ist also nach den Lehren zu fragen, die zu ziehen sind.

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Von einem, der auszog, Europa zu verändern
Alexis Tsipras kommt (langsam) voran
5. Update

„Wie der Bulle pisst, eben mal so und mal so.“ (Helmut Schmidt, 1980)

Es ist bizarr, was die Regierung in Athen aufführt. Alexis Tsipras kämpft heute vehement für das, was er letzte Woche noch verbissen attackierte. Er legte am Donnerstag der Euro-Gruppe einen Reformplan vor, der mit dem letzten Angebot der Troika vor dem Referendum fast deckungsgleich ist. Glaubwürdig ist ein solches Verhalten sicher nicht. Aber glaubwürdig war die griechische Politik seit dem erschwindelten Beitritt zur EWU noch nie. Zumeist dominierten Lug und Trug. Immer wieder Tricks und gebrochene Versprechen pflasterten den Weg. Giannis Varoufakis, der zurückgetretene Finanzminister, war ein Meister dieses Fachs des Falschspiels. Es stellt sich deshalb die Frage, wen will Alexis Tsipras dieses Mal austricksen: Seine Wähler oder die Troika? Die Antwort liegt auf der Hand.

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Der griechische Pyrrhussieg

Die griechischen Wähler haben sich entschieden. Sie sagen mit großer Mehrheit Nein zu einem von ihnen als ungerecht empfundenen Vorschlag ihrer Gläubiger aus dem Rest der Eurozone, der weitere Unterstützungsgelder im Austausch gegen die Durchführung von Reformen anbot. Was viele Wähler als Sieg der Demokratie gegen ausländische Unterdrückung empfinden, wird sich jedoch als Pyrrhussieg herausstellen. Hierfür gibt es vor allem drei Gründe.

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Nun haben wir den Bauern-Salat

Griechischer Bauern-Salat ist ein beliebtes Gericht in Deutschland. Das wird vermutlich so bleiben, es sei denn unsere Regierung ruft uns zum Boykott griechischer Speisen auf. Aber wir dürfen wohl darauf vertrauen, dass unsere Regierung nicht zum äußersten schreiten wird. Verblüfft von den griechischen Ereignissen, wie sie ist, wird sie vermutlich nach Wegen suchen, nachzugeben.

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Hütchenspieler in Athen
Grexit: Nai oder Oxi?

“Economists’ predictions should always be taken as gospel“ (Arnold Kling)

Griechenland und die „Troika“ haben sich hoffnungslos verkämpft. Das mitunter bizarre Gerangel ums Geld geht weiter. Nun soll ein Referendum den Weg weisen. Die Positionen der Spieler sind klar. Die Regierung Tsipras fordert „Geld ohne Reformen“. Mit der verhassten Politik der Austerität solle endlich Schluss sein. Strukturreformen seien Folterwerkzeuge einer neoliberalen Politik. Ein großer Schuldenschnitt sei unabdingbar, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. Und Griechenland wolle weiter in der EWU bleiben. Das sieht die Troika ganz anders. Ihre Philosophie ist „Geld gegen Reformen“. Eine rigorose Sparpolitik sei unabdingbar, um die seit langem defizitären Haushalte zu konsolidieren. International wettbewerbsfähig werde Griechenland nur, wenn es Güter- und Faktormärkte wirklich öffne und den (Sozial-)Staat grundlegend reformiere. Ein weiterer offizieller Schuldenschnitt komme gegenwärtig nicht in Frage, zumindest nicht für den IWF und die EZB. Es ist offensichtlich, dass beide Verhandlungsseiten vor einer „mission impossible“ stehen. Sie können unmöglich alle ihre Ziele erreichen. Aus diesen Dilemmata wird das griechische Referendum die beiden Kontrahenten nicht herausführen.

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Wie geht es weiter mit Griechenland?

Am Dienstag um Mitternacht lief das aktuelle – zweimal verlängerte – Hilfsprogramm für Griechenland aus. Fünf Monate wurde darüber spekuliert, ob es zur staatlichen Insolvenz Griechenlands und zum Austritt aus der Währungsunion, dem Grexit, kommen würde oder nicht. Am letzten Freitag sah es dann – nach langem Hin und Her – zunächst nach einer Einigung aus. Die Gläubiger-Institutionen EU, EZB und IWF erklärten sich bereit, das aktuelle Hilfsprogramm erneut zu verlängern – und zwar um weitere fünf Monate bis Ende November 2015. In diesem Rahmen bot man Griechenland nicht nur die ausstehenden 7,2 Mrd. Euro an, um die es zunächst ging, sondern einen Gesamtbetrag in Höhe von 15,5 Mrd. Euro, damit Griechenland seinen Schuldendienst – in Ermangelung eines Primärüberschusses – bis November hätte bedienen können. Darüber hinaus wurde ein drittes Hilfspaket in Aussicht gestellt. Griechenland hätte also umfangreiche Hilfen erhalten, ohne selbst (im Vorhinein) wesentliche Spar- und Reformauflagen erfüllen oder zugestehen zu müssen.

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Grexit jetzt!

  1. Von Ökonomen, die etwas von Währungsunionen verstehen und politik-unabhängig analysieren, ist es längst prognostiziert worden: Griechenland gehört nicht in die Euro-Zone, schon von Anfang an nicht, und deshalb wird der Grexit über kurz oder lang kommen. Er stärkt dann Griechenland und die Euro-Zone, weil das Land von der erdrückenden Last eines überhöhten Euro-Wechselkurses, einer damit einhergehenden zu scharfen Austeritätspolitik und die Euro-Zone von einer endlosen Umverteilungspolitik zulasten der europäischen Steuerzahler befreit würde. Von Politikern, die nichts von Währungsunionen verstehen und die Ökonomen engstirnige europa-empathielose  Materialisten schelten und deshalb pathetisch immer wieder das „Große Ganze“ für ein solidarisches Europa beschwören, gilt der Grexit als verheerendes Scheitern einer visionären politischen Integrationsidee, das es um jeden Preis zu verhindern gelte.
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Das Eurosystem in der griechischen ELA-Falle

Seit Anfang des Jahres vergibt die griechische Zentralbank (Bank of Greece, BoG) verstärkt Nothilfe-Kredite („emergency liquidity assistance“, ELA) an Geschäftsbanken, um deren Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Im Juni 2015 betrug das ELA-Volumen mehr als 80 Mrd. Euro. Begründet werden diese Kredite zumeist mit erhöhten Bargeldabhebungen durch die Griechen, die sich gegen einen möglichen „Grexit“ wappnen. Dem gegenüber befürchten Kritiker einen Missbrauch der ELAs durch die Bank of Greece und mutmaßen, dass hinter den ELAs eine indirekte monetäre Staatsfinanzierung steht und dass die ELAs einer Konkursverschleppung bei den Geschäftsbanken Vorschub leisten.

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Griechenland (23)
Nach dem Grexit

In nicht allzu ferner Zukunft wird der Grexit Realität geworden sein. Nicht deshalb, weil die übrigen Euro-Länder Griechenland aus der Eurozone herausgeworfen hätten. Denn daran haben sie überwiegend kein Interesse und es würde ihnen auch die vertragliche Handhabe dafür fehlen. Auch nicht deshalb, weil Griechenland freiwillig aus der Eurozone ausgetreten wäre. Denn daran haben weder die griechische Regierung noch die griechische Bevölkerung ein Interesse und auch dafür gibt es keine vertragliche Handhabe. Stattdessen wird Griechenland in Kürze durch einen Staatsbankrott aus der Europäischen Währungsunion ausgeschieden sein.

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