Gastbeitrag:
Rückgang der Schattenwirtschaft in Deutschland: Fluch oder Segen?

Obwohl in vielen Ländern auf den offiziellen Arbeitsmärkten die Arbeitslosigkeit zurückgeht, existieren außerhalb der offiziellen Wirtschaft gleichzeitig in beträchtlichem Maße Beschäftigungsmöglichkeiten. Vor diesem Hintergrund werden das Ausmaß und die zeitliche Entwicklung der Schattenwirtschaft heutzutage gerade in Deutschland intensiv und kontrovers diskutiert. Darüber hinaus wird über Möglichkeiten nachgedacht, wie man die schattenwirtschaftlichen Aktivitäten in die offizielle Wirtschaft überführen kann.

Betrachtet man die Entwicklung der Schattenwirtschaft für Deutschland, so war diese nach starken Anstiegen bis Anfang dieses Jahrzehnts seit dem Jahr 2003 von 370 Mrd. € bis 2006 auf 345,5 Mrd. € rückläufig (Methoden zur Schätzung der Schattenwirtschaft werden in folgenden Büchern ausführlich dargestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen: FRIEDRICH SCHNEIDER (2004), Arbeit im Schatten: Eine Wachstumsmaschine für Deutschland?, Wiesbaden: Gabler Verlag; Friedrich SCHNEIDER und Dominik ENSTE (2002), The Shadow Economy: An International Survey, Cambridge (UK): Cambridge University Press.). Maßgeblich für das Sinken der Schattenwirtschaft in den Jahren 2004 bis 2006 war insbesondere die zum 1. April 2003 eingeführte erweiterte Mini-Job-Regelung, die das Volumen der Schattenwirtschaft nach Schätzungen in den Jahren 2004 und 2005 um insgesamt etwa 9 Mrd. € sinken ließ. Ein weiterer Anstieg der Zahl der Mini-Jobs, die bereits in 2005 gegenüber dem Vorjahr nicht mehr gewachsen war, fand im Jahr 2006 nicht statt, im Gegenteil: der Anstieg des Versicherungsbeitrages von 25% auf 30% zur Mitte des Jahres 2006 führte zu einem Rückgang um etwa 134.000 Mini-Jobs.

Inwieweit die beschlossenen Maßnahmen zur besseren Koordinierung und effizienteren Bekämpfung der Schattenwirtschaft sowie das seit August 2004 in Kraft getretene strengere und neue Gesetz zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft zu einer Dämpfung dieser beigetragen haben, ist sehr schwer zu erfassen. Bei den durchgeführten Simulationen zeigt sich, dass durch dieses Gesetz die Schattenwirtschaft in Deutschland bis 2006 um etwa 1,0 Mrd. € gesunken sein dürfte. Insgesamt kann aber bezweifelt werden, dass allein mit strengeren Maßnahmen die Schattenwirtschaft nennenswert eingedämmt werden kann, da der Kontrollaufwand hier doch sehr hoch ist und bei vielen haushaltsnahen Dienstleistungen, die heute schwarz erbracht werden, der Bürger kein Unrechtsbewusstsein hat und diese als Kavaliersdelikte betrachtet.

Für das Jahr 2007 wurde erstmals seit drei Jahren wieder ein Anstieg der Schattenwirtschaft gegenüber dem Vorjahr um 3,5 Mrd. € oder 1% auf 349 Mrd. € berechnet. Da gleichzeitig die offizielle Wirtschaft jedoch mit nominal knapp 3% stärker gewachsen ist als die Schattenwirtschaft, verbesserte sich die Relation aus Schattenwirtschaft und offizieller Wirtschaft auch im Jahr 2007 weiter. Während der Wert der Schattenwirtschaft im Jahr 2003 in Relation zum offiziellen BIP noch 17,1% und in 2006 noch 15,0% ausmachte, lag dieser Wert im Jahr 2007 mit knapp 14,7% sogar erstmals wieder unter dem Wert des Jahres 1998.

In 2007 beeinflussten die Mehrwertsteuererhöhung, die Erhöhung der privaten Einkommensteuer für Personen mit besonders hohem Einkommen, die Anhebung der Versicherungsbeiträge bei den gewerblichen Mini-Jobs von 25 auf 30 %, die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge und der Rentenbeitragssätze um 0,5 bzw. 0,4 Prozentpunkte sowie die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von 6,5% auf 4,2% das Ausmaß der Schattenwirtschaft nachhaltig.

Während die Koalitionsbeschlüsse im Jahr 2006 einen moderaten Rückgang der Schattenwirtschaft bewirkten, stieg im Jahr 2007 hauptsächlich aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung und anderen Maßnahmen die Schattenwirtschaft um 1,6 bis 3,5 Mrd. €.

Für das Jahr 2008 wird wiederum wie in den Jahren 2004/05 und 2006 ein Rückgang der Schattenwirtschaft gegenüber dem Vorjahr zwischen 1,74 und 2,72 Mrd. € prognostiziert, unter der Annahme, dass flächendeckende Mindestlöhne eingeführt werden. Trifft man die Annahme, dass keine flächendeckende Mindestlöhne eingeführt werden, sinkt die Schattenwirtschaft im Jahr 2008 zwischen 4,74 und 8,72 Mrd. €.

Wie beeinflussen nun die Maßnahmen die Größe der Schattenwirtschaft in Deutschland in 2008? Die wichtigsten Maßnahmen sind in Tabelle 1 aufgeführt. Hierbei gibt es zwei Maßnahmen, die die Schattenwirtschaft erhöhen und drei Maßnahmen, die die Schattenwirtschaft senken. Die Maßnahme, die die Schattenwirtschaft am meisten erhöhen würde, wäre eine flächendeckende Einführung der Mindestlöhne. Dies würde die Schattenwirtschaft zwischen 3 und 6 Mrd. € erhöhen. Die Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte von 1,7 auf 1,9% wird die Schattenwirtschaft um 160 bis 280 Mio. € erhöhen. Hingegen wirkt sich die Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung von 4,2 auf 3,3% negativ auf die Schattenwirtschaft aus. D.h. sie wird zwischen 900 Mio. und 1,5 Mrd. € sinken. Ebenso wirkt sich die Ausweitung der steuerlichen Absetzbarkeit von privaten Haushaltsaufwendungen für Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie Kinderbetreuung negativ auf die Schattenwirtschaft mit einer Reduktion zwischen 2,0 und 4,0 Mrd. € aus. Darüber hinaus hat die gute Konjunktur und der beträchtliche Rückgang der Arbeitslosigkeit dafür gesorgt, dass die Schattenwirtschaft zwischen 2 und 3,5 Mrd. € sinken wird. Dies ergibt einen Nettoeffekt bei Berücksichtigung aller Maßnahmen von einem Rückgang der Schattenwirtschaft von 1,74 bis 2,72 Mrd. €, oder wenn man die Mindestlöhne nicht berücksichtigt von 4,74 bis 8,720 Mrd. €. Ingesamt gesehen ist in Deutschland damit wieder ein Rückgang der Schattenwirtschaft für das Jahr 2008 festzustellen, der umso stärker ausfällt, je nachdem, ob es zu einer flächendeckenden Einführung der Mindestlöhne kommt oder nicht.

Tabelle 1:
Die Auswirkungen der guten Konjunktur mit der geplanten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der großen Koalition (Stand Jänner 2008) für 2008 auf die Schattenwirtschaft


Quelle: Eigene Berechnungen.

Wirtschafts- und gesellschaftspolitisch stellt sich die entscheidende Frage, was von Seiten des Staates unternommen werden sollte, damit der rückläufige Trend in der Schattenwirtschaft von 2003 bis 2006 und der von 2008 unterstützt werden kann. Entscheidend ist hierbei die Frage, ob es gelingen kann, die vielen Millionen Arbeitsstunden oder Millionen von Jobs in der Schattenwirtschaft in offizielle zu überführen. Nur wenn die wirtschaftspolitische Herausforderung bewältigt wird, dass durch den Rückgang der Schattenwirtschaft mehr offizielle Vollerwerbsarbeitsplätze entstehen und damit die Arbeitslosigkeit zurückgeht, wirkt sich das Sinken der Schattenwirtschaft für eine Volkswirtschaft als „Segen“ aus. Entstehen zum Beispiel lediglich mehr Mini- oder Midi-Jobs, bedeutet dies zwar einen Teilerfolg, der sich aber als „Fluch“ für die Sozialkassen auswirken kann.

Ob und in welchem Maße die Überführung schattenwirtschaftlicher Tätigkeiten in die offizielle Wirtschaft auf gesetzlichem Wege (d.h. mit strengeren Strafen – wie in Deutschland seit August 2004 verwirklicht) gelingt, ist sehr fraglich, da zwei Drittel der Wertschöpfung der Schattenwirtschaft von selbständig und unselbständig beschäftigen Deutschen und Österreichern erwirtschaftet wird, d.h. sie ist ein Massenphänomen zwischen Konstanz und Flensburg und zwischen dem Bodensee und dem Neusiedlersee. Darüber hinaus haben weder die Deutschen noch die Österreicher ein Unrechtsbewusstsein, wenn sie schwarz arbeiten (oder lassen), da mehr als zwei Drittel der Befragten (Umfrage September 2006 in Österreich) Schwarzarbeit als Kavaliersdelikt betrachten.

Um in noch stärkerem Maße schattenwirtschaftliche Aktivitäten in die offizielle Wirtschaft zu überführen, sollte die Politik vielmehr noch stärker an den Ursachen der Schattenwirtschaft ansetzen, wobei hier in den vergangenen Jahren teilweise bereits wichtige Schritte in die richtige Richtung unternommen wurden. Kaum Erfolge gab es bislang jedoch bei dem Versuch, die Lohnnebenkosten, die direkt den Faktor Arbeit belasten, insgesamt zu reduzieren. Diese Maßnahme ist langfristig sicherlich die wichtigste und effizienteste, die allerdings einen gesellschaftlichen Konsens zu ihrer Durchsetzung erfordert und gegebenenfalls eines Konsenses bedarf, dafür andere Steuern (z.B. auf Energie) zu erhöhen.

Abschließend soll noch auf die Frage eingegangen werden, ob eine rückläufige Schattenwirtschaft für Deutschland ein Fluch oder ein Segen ist. Wenn man davon ausgeht, dass zwei Drittel der Schattenwirtschaftsaktivitäten komplementär sind, d.h. diese Güter und Dienstleistungen in der offiziellen Wirtschaft ohne Schattenwirtschaft nicht erstellt würden, dann kann eine steigende Schattenwirtschaft als wohlfahrtssteigernd gesehen werden, insbesondere da auch 2/3 des schwarz verdienten Geldes in der offiziellen Wirtschaft für Konsumgüter ausgegeben werden. Ein Rückgang der Schattenwirtschaft wirkt nur dann wohl-fahrtssteigernd, wenn zumindest ein Teil dieser Schattenwirtschaftsleistungen in der offiziellen Wirtschaft erbracht werden. Werden diese „schwarzen“ Dienstleistungen nicht erbracht, dann sinkt die gesamte (d.h. offizielle und „schwarze“) Wertschöpfung. Es ist daher entscheidend, dass wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen so gesetzt werden, dass ein starker Anreiz entsteht, diese bislang „schwarz“ erbrachten Leistungen in die offizielle Wirtschaft zu überführen, sodass sich das Eindämmen der Schattenwirtschaft dann als „ Segen“ für die gesamte Wirtschaft auswirken kann. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass staatliche Institutionen durch Steuerausfälle aber insbesondere durch Ausfälle bei den Sozialversicherungs- und Krankenkassen am stärksten negativ von einer steigenden Schattenwirtschaft betroffen sind. Es ist daher also auch bei den finanz- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen Sorge zu tragen, dass ein Anreiz entsteht, mehr offizielle Vollerwerbsarbeitsplätze zu schaffen, so dass die Einnahmen bei den Sozialversicherungs- und Krankenversicherungsträgern wieder zunehmen. Nur in diesem Fall wirkt sich ein Rückgang der Schattenwirtschaft auch für die staatlichen Institutionen als Segen aus.

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