Die EU-Kommission hat Ende Januar 2014 ihren Entwurf für eine energie- und klimapolitische Rahmensetzung der Europäischen Union bis 2030 präsentiert. In diesem schlägt sie eine Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes innerhalb der EU bis 2030 um 40% gegenüber 1990 vor. Für die Nationalstaaten sollen dabei jeweils eigene verbindliche Reduktionsziele gelten. Zudem hat die Kommission ein Ausbauziel für Erneuerbare Energien (EE) von 27% auf EU-Ebene bis 2030 benannt, wobei den einzelnen Mitgliedsstaaten keine separaten Zielmarken vorgegeben werden sollen. Bisher sind auf europäischer Ebene die 20-20-20 Ziele zur CO2-Reduktion, zum EE-Ausbau und zur Energieeffizienzsteigerung nur für den Zeitraum bis 2020 festgelegt.
Reaktionen auf die vorgeschlagenen Ziele
Die Reaktionen auf die vorgeschlagenen Ziele der Kommission gehen weit auseinander: Während sich einige Unternehmen und Verbände mit der Zielsetzung gut arrangieren können, wird aus verschiedenen Richtungen erhebliche Kritik geäußert. Auf der einen Seite sehen Handelskammer-Vereinigungen und im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen das CO2-Einsparziel von 40% als zu ambitioniert an. Auf der anderen Seite sehen Umweltverbände und Vertreter der EE-Branche die Erdatmosphäre und die Vorreiterrolle Europas im Klimaschutz wegen zu niedriger Ziele in Gefahr. Von diesen Vertretern, wie auch von einem Teil der deutschen Medien, werden insbesondere die fehlenden verbindlichen Ausbauziele für Erneuerbare Energien auf nationaler Ebene als Beweis einer zu laschen Klimaschutzpolitik interpretiert. Ähnlich sieht dies auch die Große Koalition, die sich laut Koalitionsvertrag im Rahmen des Klimaschutzes neben der Treibhausgasreduktion auch für verbindliche Ziele für Energieeffizienz und den Ausbau der Erneuerbaren Energien einsetzen will.
Klimaschutz muss Treibhausgase reduzieren
Der anthropogene Klimawandel entsteht durch den von Menschen verursachten Ausstoß von Treibhausgasen, insbesondere durch CO2. Soll der Temperaturanstieg begrenzt werden, muss daher die Reduktion des Treibhausgasausstoßes im Mittelpunkt der Klimapolitik stehen. Die Kommission hat dieses Problem erkannt und benennt die vorgeschlagene CO2-Reduktion von 40% bis 2030 als zentrales Klimaschutzziel.
Zum Erreichen der bisherigen Zielwerte im Klimaschutz haben die EU und ihre Mitgliedsstaaten diverse Regeln eingeführt, wobei der europäische Emissionshandel als zentrales Instrument zur Treibhausgasreduktion hervorsticht. Die Energiewirtschaft, energieintensive Industrien sowie die Luftfahrt sind durch dieses Instrument dazu verpflichtet, für jede emittierte Tonne CO2 ein Emissionszertifikat vorzuweisen. Eine festgelegte Emissionsrechtemenge begrenzt den absoluten Umfang des Treibhausgasausstoßes in den beteiligten Sektoren. Jährlich wird diese Menge abgesenkt, wodurch der angestrebte Zielwert erreicht wird. Nach Plänen der Kommission soll der aktuelle Reduktionspfad von 1.74% pro Jahr auf 2.2% im Zeitraum nach 2020 verschärft werden.
Die Emissionszertifikate können von den Marktakteuren untereinander gehandelt werden. Hierdurch entstehen für Unternehmen Anreize, kostengünstige und kreative Emissionsreduktionsmöglichkeiten zu entwickeln und umzusetzen. Eingesparte Zertifikate können dann gewinnbringend verkauft werden. Der Handel ermöglicht somit sektorübergreifend eine kostengünstige Treibhausgasreduktion. Das angestrebte Klimaschutzziel wird effektiv und effizient durch dieses Instrument erreicht.
Der Emissionshandel und die damit verbundenen Klimaschutzbemühungen stehen jedoch momentan wegen niedriger Zertifikatpreise in der Kritik. Aufgrund der niedrigen Preise bestehen nur geringe Anreize für Unternehmen, in energiesparende bzw. emissionsarme Technologien zu investieren. Zwar wird das anvisierte Klimaschutzziel in der vorgegebenen Handelsperiode durch die festgelegte Zertifikatmenge erreicht, jedoch können periodenübergreifende Mengen- und Zielprobleme auftreten. Diese führen zu stark volatilen Preisen und erheblicher Unsicherheit bei den Marktakteuren.
Die Kommission greift dieses Problem in ihrem aktuellen Vorschlag auf und plant eine Marktstabilitätsreserve ab 2021 einzuführen. Bei niedrigen Preisen sollen Zertifikate vom Markt genommen werden, um den Marktpreis zu stabilisieren. Für viele Kritiker kommt dieser Eingriff in sieben Jahren jedoch zu spät, weil sie bis dahin mit dauerhaft niedrigen Preisen auf dem Emissionsmarkt rechnen. Diese Argumentation vernachlässigt jedoch, dass ein für die Zukunft terminierter Instrumenteneingriff bereits die heutigen Marktpreise beeinflusst. In Erwartung zukünftiger höherer (Mindest-)Preise halten Marktakteure ihre Emissionszertifikate bei niedrigen Geboten zurück. Die aktuellen Preise für Zertifikate steigen an und der Anreiz, in emissionsarme Technologien zu investieren, nimmt bereits heute zu.
Festzuhalten ist, dass der Emissionshandel insgesamt ein äußerst effizientes Klimaschutzinstrument darstellt, um das benannte Treibhausgasziel effektiv zu erreichen. Es motiviert die Marktakteure nach den kostengünstigsten Reduktionsmöglichkeiten zu suchen.
Ein EE-Ausbauziel ist für den Klimaschutz unnötig
Der Einsatz von Erneuerbaren Energien stellt eine solche Reduktionsmöglichkeit dar – sofern und soweit die Erneuerbaren Energien emissionsproduzierende Energieformen substituieren. Darüber hinaus existieren jedoch zahlreiche Alternativen zur CO2-Emissionsreduktion, wie z.B. der Einsatz energieeffizienter Technologien, der Wechsel zu treibhausgasärmeren Brennstoffen, die organisatorische Optimierung etc. Bestimmt die Politik nun ein Ausbauziel für Erneuerbare Energien, legt sie sich auf eine bestimmte Form der Emissionsvermeidung fest und begrenzt somit das Entdeckungsverfahren des Marktes nach den preiswertesten Lösungen. Teure EE-Anlagen werden kostengünstigeren Alternativen vorgezogen. Es entstehen volkswirtschaftliche Zusatzkosten, ohne dass weitere Klimaschutzwirkungen erzeugt werden. Wird beispielsweise der Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strombereich politisch gefördert, führt der Zubau von neuen EE-Anlagen zunächst zu einer Nachfragereduktion nach Emissionszertifikaten. Aufgrund der Mengenfixierung im Emissionshandel sinkt jedoch allein der Preis der Zertifikate, nicht aber die Menge der Treibhausgase. So wird die CO2-Reduktion einer Windkraftanlage durch eine unterlassene Einsparmaßnahme an einer anderen Stelle wieder aufgehoben. Ein zusätzliches Ausbauziel für Erneuerbare Energien führt somit nicht zu mehr, sondern voraussichtlich zu einem teureren Klimaschutz.
Lernkurveneffekte – Ein Grund für ein EE-Ziel?
Befürworter eines EE-Ziels argumentieren, dass durch den politisch motivierten Ausbau der Erneuerbaren Energien die Preise für EE-Anlagen aufgrund von Lernkurveneffekten erheblich gesunken seien. Zwar würden wegen der Mengenfixierung des Emissionshandels keine Treibhausgase in Europa eingespart, jedoch sänken durch niedrigere Preise für EE-Anlagen die Klimaschutzkosten weltweit. Außerhalb der EU würden daher zunehmend Treibhausgase eingespart.
Diese Lernkurven- und Kostenreduktionseffekte könnten laut dieser Argumentation von den Marktakteuren alleine jedoch nicht erzielt werden. Unternehmen müssten damit rechnen, dass ihre Forschungs- und Innovationsergebnisse schnell an die Konkurrenz gelangen. Entstandene Forschungskosten könnten daher nicht vollständig durch Pioniergewinne auf dem Markt amortisiert werden, weswegen die Forschungsanstrengungen der Unternehmen geringer als möglich seien. Die Kostendegression der Erneuerbaren Energien würde ohne politische Unterstützung ausbleiben.
In der Tat sind die Kosten der EE-Anlagen in der Vergangenheit erheblich gesunken. Zudem ist wohl plausibel davon auszugehen, dass die weltweite Förderung der Erneuerbaren Energien einen entscheidenden Einfluss darauf hatte. Doch verkennt das Argument, dass es auch Lernkurven und Kostensenkungen bei den anderen Emissionsreduktionsmöglichkeiten geben würde, die sich ohne die Förderung der Erneuerbaren Energien stärker am Markt durchgesetzt hätten. Auch diese Alternativen würden zu verstärkten Klimaschutzbemühungen außerhalb der EU führen. Zudem gilt das Wissen über den konkreten Verlauf von Lernkurven unterschiedlicher Technologien als äußerst unsicher, weshalb von einer spezifischen staatlichen Technologieförderung aus Klimaschutzgründen abzuraten ist.
Wird der Informationstransfer bei der Entwicklung von EE-Technologien als besonders gravierendes Innovationshemmnis angesehen, könnte eine verstärkte Förderung der Grundlagenforschung in diesem Bereich ein sinnvoller Staatseingriff sein.
Fazit
Klimaschutz sollte möglichst effizient und somit technologieneutral ausgestaltet werden, d.h. sich allein an der Treibhausgasreduktion orientieren. Kostengünstiger Klimaschutz ist auch für die Akzeptanz der europäischen Vorreiterrolle bei der Bevölkerung wichtig. Die EU-Kommission hat mit einer CO2-Einsparung von 80-95% für das Jahr 2050 bereits ambitionierte Langfristziele geäußert. Erneuerbare Energien werden in der Energieversorgung dabei wahrscheinlich eine große Rolle spielen, doch sollten volkswirtschaftliche Zusatzbelastungen in Form von politisch fixierten Technologiezielen vermieden werden. Wenn es unseren Regierungsvertretern tatsächlich um Klimaschutz geht, sollten sie diese Aspekte bei der nun anstehenden Konkretisierung der europäischen Energie- und Klimapolitik dringend beachten.
Dieser Text ist zugleich als Ausgabe Nr. 02/2014 der Reihe Ordnungspolitischer Kommentar des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln und des Otto-Wolff-Instituts für Wirtschaftsordnung erschienen
- Ordnungspolitischer Kommentar
Klimaschutz technologieneutral gestalten! - 14. Februar 2014
Eine Antwort auf „Ordnungspolitischer Kommentar
Klimaschutz technologieneutral gestalten!“