Ungleichheit heute (19)
Des Läba isch koin Schlotzer
Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist grober Unfug

„Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produziert stets die Hölle.“ (Karl Popper)

Steht der europäische Sozialstaat vor einer Revolution? Alte sozialpolitische Glaubenssätze scheinen nicht mehr zu gelten. Manche träumen wieder einmal den schönen Traum eines bedingungslosen Grundeinkommens. In Deutschland ist man bisher allerdings über theoretische Diskussionen nicht hinausgekommen. Die Schweiz ist schon ein Schritt weiter. Ein Volksentscheid soll möglichst bald Klarheit bringen. Für Deutschland werden monatliche Beträge zwischen 500 und 1.000 Euro pro Person diskutiert. Das ist nur der Anfang. 1.500 Euros sollen es künftig schon sein. Die schweizerischen Initiatoren wollen heute schon mehr. 2.550 CHF für Erwachsene und 625 CHF für Kinder sind angedacht. Eine Familie mit zwei Kindern käme so auf ein gesichertes Jahreseinkommen von 75.000 CHF ganz ohne Gegenleistung. Wäre damit der mühsame Kampf gegen die Armut ein für alle Mal entschieden?

Versagt der traditionelle Sozialstaat?

Die Renaissance der steinalten Idee einer negativen Einkommenssteuer kommt nicht von ungefähr. Globalisierung und technischer Fortschritt haben in den letzten Jahrzehnten weltweit nicht nur mehr Wohlstand gebracht. Sie haben auch mit dazu beigetragen, dass die Einkommen ungleicher verteilt werden. Vor allem am oberen Ende sind die Einkommen stark gewachsen. Zumeist stellen sich die Einkommensbezieher unten absolut nicht schlechter. Allerdings hat die relative Armut an Gewicht gewonnen. Und das zählt in einer Demokratie. Die Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens kreiden es dem traditionellen Sozialstaat an, dass er dieses Problem nicht in den Griff bekomme. Sie nehmen es ihm auch übel, dass er die Transferempfänger auf Bedürftigkeit überprüft. Das sei „entwürdigend“, unangemessen und mache die Menschen „unfrei“.

Weitere Kritik zieht die Sozialstaatsbürokratie auf sich. Sie sei ineffizient und wenig treffsicher. Tatsächlich ist die staatliche Umverteilung verworren, die Ziele inkompatibel. Fast 40 Stellen bieten über 150 Sozialleistungen an. Dabei weiß oft die eine Hand nicht, was die andere macht. Die Abstimmung ist zeitintensiv und extrem bürokratisch. Das gilt auch für die Kontrolle. Oft gehen sie auf Kosten der Anspruchsberechtigten. Und noch etwas ärgert nicht nur die Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die vielen sozialen Leistungen produzieren „Umkippeffekte“. Oft nicht harmonisierte Einkommensgrenzen stellen Individuen bisweilen schlechter, wenn ihr Erwerbseinkommen nur leicht ansteigt. Die Anreize für das Arbeitsangebot sind verheerend. Ein bedingungsloses, existenzsicherndes Grundeinkommen würde mit einem Schlag alle diese Probleme lösen.

Dieser Schritt würde allerdings die Grundsätze des Sozialstaates auf den Kopf stellen: Das Prinzip der Subsidiarität und der Leistungsgerechtigkeit. Eigenverantwortung steht an erster Stelle. Erst wenn der Einzelne überfordert ist und auch die Familie nicht helfen kann, springt der Sozialstaat hilfsweise ein. Allerdings ist eine ungleiche Verteilung der Einkommen akzeptabel. Es gilt das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit. Der Sozialstaat garantiert nur ein Existenzminimum. Diese Garantie gilt unabhängig davon, ob jemand unverschuldet oder durch eigenes Zutun in Not geraten ist. Sie wird aber nur gewährt, wenn Individuen bedürftig sind. Die Hilfe des Staates ist nicht umsonst. Der Transferempfänger muss eine Gegenleistung erbringen. Bei Erwerbsfähigen wird erwartet, dass er eine angebotene Arbeit annimmt und der Gemeinschaft nicht weiter zur Last fällt.

Ein nur schwer lösbares Problem der staatlichen Garantie eines Existenzminimums liegt in den allokativen Risiken und Nebenwirkungen. Das deutsche Arbeitslosengeld II ist ein Musterbeispiel. Es wird arbeitsfähigen Arbeitslosen gewährt, unabhängig davon, ob sie einer Arbeit nachgehen oder nicht. Der Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen, ist gering. Eine Transferentzugsrate zwischen 60 und 85 % vermindert die Anreize weiter. Der Konflikt zwischen Allokation und Verteilung ist ungelöst, es ist schwer, der Armutsfalle zu entkommen. Der amerikanische EITC ist weiter. Einkommen werden nur aufgestockt, wenn man einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Andernfalls erhält man die weit weniger hohe Sozialhilfe und wird verpflichtet, gemeinnützige Tätigkeiten (workfare) auszuüben. Allerdings ist der Bezug der Sozialhilfe lebenszeitlich auf maximal fünf Jahre begrenzt.

Elemente eines bedingungslosen Grundeinkommens

Die Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens glauben, dass es gelingt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Das Problem der Armut soll endgültig gelöst, das Arbeitsangebot hingegen nicht negativ beeinflusst werden. Der Zielkonflikt zwischen Allokation und Verteilung, der Generationen von Ökonomen umtreibt, würde ein für alle Mal gelöst. Wie sieht nun diese sozialpolitische Wunderwaffe konkret aus? Sie hat einen harten Kern. Er besteht aus einem bestimmten Betrag, den alle Personen bedingungslos vom Staat erhalten. Die Vorschläge für Deutschland liegen zwischen 500 und 1.500 Euro pro Person, für die Schweiz sind höhere Beträge vorgesehen. Die finanziellen staatlichen Transfers können entweder als Sozialdividende oder als negative Einkommensteuer ausbezahlt werden. Ihre distributiven Wirkungen sind mehr oder weniger identisch.

Mit diesem Betrag sollen die meisten steuer- und beitragsfinanzierten Leistungen des Sozialstaates abgegolten werden. Das gilt für die Gesetzliche Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung. Es trifft aber auch für soziale Leistungen, wie etwa das ALG II, die Sozialhilfe, das Wohn- und Kindergeld, das BaföG, das Erziehungs- und Elterngeld zu. Bei den meisten Vorschlägen werden die Leistungen der Kranken- und Unfallversicherung nicht durch das bedingungslose Grundeinkommen ersetzt. Einige plädieren für eine Grundversicherungspflicht und pauschalen Prämien, andere für ein steuerfinanziertes Gesundheitssystem. Manche sehen staatliche Leistungen bei besonderer Bedürftigkeit vor, wie etwa bei Behinderungen, besonderen Lebenslagen oder Kosten der Unterkunft. Das bedingungslose Grundeinkommen ersetzt den traditionellen Sozialstaat nicht vollständig.

Neben dem harten Kern der staatlichen Transfers unterscheiden sich die Vorschläge darin, wie sie das steuerliche, soziale und arbeitsmarktpolitische Umfeld gestalten wollen. Die größte Hürde für ein bedingungsloses Grundeinkommen ist die Finanzierung. Ein Teil der Mehrausgaben soll durch den Wegfall von staatlichen Sozialausgaben finanziert, der größere Rest über höhere Steuern aufgebracht werden. Bei der Einkommensteuer wird meist eine Flat Tax (einstufiger Einkommensteuertarif mit konstantem Grenzsteuersatz) befürwortet. Eine breitere Bemessungsgrundlage durch weniger steuerliche Ausnahmetatbestände soll den Anstieg der Steuersätze im Zaum halten. Die notwendigen Steuersätze hängen von der Höhe des bedingungslosen Grundeinkommens ab. Sie liegen für Deutschland zwischen 50 und 80 %. Höhere Konsumsteuern sind eine Alternative. Das würde es notwendig machen, die Sätze für die Mehrwertsteuer signifikant anzuheben. Im Gespräch sind Sätze bis zu 50 %.

Unklar ist, wie der Arbeitsmarkt in der neuen Welt eines bedingungslosen Grundeinkommens aussehen soll. Viele Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens glauben, dass uns über kurz oder lang die Arbeit im gewerblichen Bereich ausgehen wird. Es sei notwendig, dass wir schon heute die Weichen stellen sollten, um andere Formen gesellschaftlich ebenfalls wertvoller Tätigkeiten in der Familie, im Ehrenamt oder in der Kunst den Weg zu bereiten. Erst ein bedingungsloses Grundeinkommen mache die Menschen frei vom Zwang zur Erwerbsarbeit. Wo allerdings Erwerbsarbeit notwendig sei, sollen hohe Mindestlöhne ein auskömmliches Einkommen garantieren. Andere Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens sehen diese Vorschläge als weltfremd an. Sie plädieren für eine grundlegende Deregulierung des Arbeitsmarktes. Mit dieser Art der Arbeitsmarktpolitik wollen sie die auch künftig notwendige Erwerbsarbeit forcieren.

Wie wirkt ein bedingungsloses Grundeinkommen?

Die Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens nehmen die Ökonomie nicht ernst. Eine wichtige ökonomische Erkenntnis ist seit Generationen: Institutionelle Arrangements setzen Anreize für menschliches Verhalten. Das gilt auch für institutionelle Designs staatlich garantierter Einkommen. Alle distributiven Versuche, ein universelles soziales Existenzminimum zu garantieren, haben allokative Risiken und Nebenwirkungen. Es gibt keine institutionelle Lösung, die diesen Zielkonflikt vollständig ausräumt. Allerdings lassen sich die allokativen Fehlentwicklungen in Grenzen halten, wenn die begünstigten Individuen eine Gegenleistung für die staatlichen Transfers erbringen müssen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen reißt diese Schranke mutwillig ein. Das  „Tischlein-deck-dich-Spiel“ erodiert die wirtschaftliche Basis. Ein bedingungsloses Grundeinkommen zerstört sich selbst.

Wirtschaftliches Wachstum fällt nicht wie Manna vom Himmel. Es erfordert zumindest dreierlei: Arbeiten, sparen und investieren. Ein bedingungsloses Grundeinkommen senkt die Anreize drastisch, einer gewerblichen Arbeit nachzugehen. Die Erfahrung zeigt, großzügige Leistungen der Arbeitslosenversicherung verringern die Bereitschaft zu arbeiten spürbar. In Deutschland sind viele Arbeitslose nur bereit, wieder eine angebotene Arbeit aufzunehmen, wenn sie spürbar besser bezahlt wird als die Arbeit, die sie vor der Arbeitslosigkeit hatten. Das gilt vor allem für Arbeitnehmer mit geringer Qualifikation. Der soziale Mindestlohn wirkt. Neue empirische Untersuchungen zeigen, dass in den USA ein Großteil des persistenten Anstiegs der Arbeitslosigkeit in der „Großen Rezession“ auf großzügigeren Leistungen der Arbeitslosenversicherung beruht. Schon die relativ geringen Leistungen des ALG I und ALG II verringern somit die Bereitschaft zu arbeiten spürbar. Ein viel üppiger ausgestattetes bedingungsloses Grundeinkommen würde die Anreize zu arbeiten drastisch verringern. Vor allem im unteren Einkommenssegment einfacher Arbeit würden die Arbeitsanreize massiv zerstört.

Eine solche Entwicklung wäre für die Entwicklung des Wohlstandes fatal. Schon heute klagen über 15 % der deutschen Unternehmen über einen Engpass an Fachkräften. Der demographische Wandel wird dieses Problem künftig noch weiter verschärfen. Vor allem gebildetes Personal in den MINT-Fächern fehlt an allen Ecken und Enden. Das IW Köln geht davon aus, dass sich für die Unternehmen bis zum Jahr 2030 eine Lücke von über 1,8 Millionen MINT-Absolventen auftun wird. Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde die negativen Anreize auf Bildung und Arbeitsangebot verstärken. Der Mangel an Fachkräften würde weiter zunehmen. Eine wichtige Grundlage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen würde angegriffen. Das „Geschäftsmodell Deutschland“ käme ins Schleudern.

Im Schlaraffenland eines bedingungslosen Grundeinkommens ändert sich auch das individuelle Sparverhalten. Sinken die Anreize zu arbeiten, geht auch die Fähigkeit zurück zu sparen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen reduziert aber auch die Neigung für die Zukunft vorzusorgen. Der Staat nimmt den Individuen diese Aufgabe ab. Die „komfortable Stallfütterung“ (Wilhelm Röpke) erzieht zur Unselbständigkeit und führt zum Verlust der Freiheit. Das gilt für alle, vor allem aber für untere Einkommensschichten. Ist das bedingungslose Grundeinkommen allerdings so großzügig bemessen, dass es – wie in der Schweiz gefordert – über dem Median-Einkommen liegt, befällt das Virus der „Faulheit“ auch die Mittelschicht. Damit ändert sich das individuelle Sparverhalten flächendeckend. Ein bedingungsloses Grundeinkommen eicht die Gesellschaft auf Konsum. Die Anreize verkümmern, zu arbeiten, zu sparen und zu investieren.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen verändert das investive Verhalten. Vor allem junge Arbeitnehmer hätten kaum noch Anreize, in Humankapital zu investieren. Besser bezahlte Beschäftigungen rücken in weite Ferne. Damit fehlt Unternehmen die Humankapital-Basis für Innovationen. Explodierende Steuern legen sich wie Mehltau auf Wachstum und Beschäftigung. Höhere direkte Steuern drücken die individuelle Bereitschaft, in Humankapital zu investieren. Sie tragen auch mit dazu bei, dass Investoren in Realkapital das Land in Scharen verlassen. Der innovative Schwung erlahmt, produktive Arbeitsplätze gehen massenhaft verloren. Höhere Konsumsteuern sind kein Ausweg. Auch sie belasten das wirtschaftliche Wachstum. Die Anreize der Arbeitnehmer wachsen, in die Schattenwirtschaft abzuwandern. Nur am Rande sei erwähnt: Unerwünschte distributive Nebenwirkungen pflastern den Weg höherer Konsumsteuern.

Ende der Mängel des Sozialstaates?

Das alles wissen die Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens natürlich, wenn sie ökonomisch nicht auf den Kopf gefallen sind. Das Argument, dass mit einem solchen Schritt der verteilende Sozialstaat transparenter würde, ist zweifellos richtig. Auch das Ärgernis nicht aufeinander abgestimmter Leistungen würde beseitigt. Ein Pluspunkt wäre sicher auch, dass kostspielige Kontrollen wegfallen würden. Die Kosten der Sozialbürokratie könnten sinken. Das alles gilt aber nur, wenn das bedingungslose Grundeinkommen den traditionellen Sozialstaat ersetzen würde. Tatsächlich zeigen die verschiedenen Vorschläge aber etwas anderes. Auch bei einem bedingungslosen Grundeinkommen sollen wesentliche Teile der Kranken- und Pflegeversicherung erhalten bleiben. Auch weitere individuell abgestimmte Leistungen in bestimmten Lebenslagen sind vorgesehen.

Große finanzielle Entlastungseffekte aus der „Stilllegung“ weiter Teile des traditionellen Sozialstaates sind eine Illusion. Das gilt vor allem für die Systeme der Sozialen Sicherung. Der Sozialstaat produziert „Soziale Sicherheit“ und „Soziale Gerechtigkeit“. Ein bedingungsloses Grundeinkommen soll helfen, „Soziale Gerechtigkeit“ kostengünstiger herzustellen. Das Gegenteil ist der Fall. Es wäre ökonomisch dumm, die Lasten über eine Stilllegung der relativ effizienten Produktion von „Sozialer Sicherheit“ zu finanzieren. Viel sinnvoller wäre es, beide Güter strikt getrennt herzustellen. Die Allokationsverluste wären geringer. Wo es noch nicht der Fall ist, sollte in den Systemen der Sozialen Sicherung das Prinzip der Äquivalenz konsequent umgesetzt werden. Die Produktion von „Sozialer Gerechtigkeit“ muss dagegen über Steuern finanziert werden. Eine Quersubventionierung des bedingungslosen Grundeinkommens aus den Systemen der Sozialen Sicherung ist ineffizient.

Dieses hirnrissige Manöver wird allerdings nicht gelingen. Die Ansprüche der Beitragszahler in den Systemen der Sozialen Sicherung sind eigentumsrechtlich geschützt. Das gilt zumindest für die Gesetzliche Rentenversicherung. Es ist in einer stark alternden Gesellschaft nicht möglich, die Rentner zu enteignen, um das Projekt eines bedingungslosen Grundeinkommens zu finanzieren. Die Kostenspirale eines bedingungslosen Grundeinkommens würde sich noch aus zwei anderen Gründen immer schneller drehen. Zum einen würde die Freizügigkeit in der EU den Weg für Freizeitliebhaber aus ganz Europa nach Deutschland freimachen. Zum anderen würden die gewaltigen Unterschiede in den weltweiten Einkommen große Anreize zu Wohlfahrtswanderungen schaffen. Horst Siebert war der Meinung, ein bedingungsloses Grundeinkommen würde eine Völkerwanderung unerreichten Ausmaßes aus dem Nicht-Europäischen Ausland in Bewegung setzen. Es ist nicht zu erwarten, dass andere Länder so dumm sein werden, ebenfalls ein bedingungsloses Grundeinkommen zu installieren.

Der grundlegende Irrtum der Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens liegt darin, dass sie von einem festen realen Sozialprodukt ausgehen, das beliebig umverteilt werden kann. Das ist eine Milchmädchenrechnung. Tatsächlich haben alle verteilungspolitischen Maßnahmen in der Realität einen mehr oder weniger starken Einfluss auf die Höhe des Outputs. Der Zielkonflikt zwischen Allokation und Verteilung ist nicht tot zu kriegen. Intelligente institutionelle Arrangements können ihn allenfalls vermindern. Das gilt auch für ein Grundeinkommen, vor allem wenn es bedingungslos ist. Von ihm gehen starke negative Anreize auf die wichtigen Treiber des wirtschaftlichen Wachstums aus, das Arbeitsangebot, die Ersparnisse und die Investitionen. Das gilt für die Leistungs- und die Finanzierungsseite des bedingungslosen Grundeinkommens. Die Gefahr ist groß, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen das Sozialprodukt drastisch schrumpft. Damit zerstört es sich und die freie Gesellschaft.

Fazit

Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens ist eine Schnapsidee. Mit ihm gelingt es nicht, die vielen Mängel des gegenwärtigen Sozialstaates in den Griff zu bekommen. Das Gegenteil ist der Fall. Eine solche sozialpolitische Revolution endet in einem wirtschaftlichen, politischen und persönlichen Desaster. Die Welt wird nicht gerechter, der Sozialstaat nicht effizienter, der Wohlstand schrumpft drastisch. Der Staat übernimmt immer mehr das Kommando. In der Gesellschaft setzt sich eine Anspruchsspirale in Gang. Ansprüche auf immer mehr staatliche Leistungen ohne individuelle Gegenleistungen schießen wie Pilze aus dem Boden. Der Staat erzieht die Menschen zur Unselbständigkeit. Am Ende verlieren sie ihre individuelle Freiheit. Der Illusion des distributiven „Tischlein-deck-dich“ folgt in der Realität der „Knüppel aus dem Sack“. Wir sollten unbedingt die Finger von einem bedingungslosen Grundeinkommen lassen.

Literatur:

Habermacher, F. und G. Kirchgässner (2013): Das garantierte Mindesteinkommen: Eine (leider) nicht bezahlbare Idee. Universität St. Gallen, School of Economics and Political Science. Diskussionspapier Nr. 2013-13, April (hier)

Raddatz, G. (2013): Das bedingungslose Grundeinkommen – Ein unhaltbares Versprechen. Argumente zu Marktwirtschaft und Politik. Nr. 123, September 2013, Berlin (hier)

Siebert, H. (2007): Ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden – ein schlimmer Irrweg, in: Wirtschaftliche Freiheit vom 22. Juli 2007 (hier)

Beiträge der Serie “Ungleichheit heute“:

Klaus Gründler: Bildung hilft, die Ungleichheit zu reduzieren

Mustafa Coban: Kombilöhne versus Working Poor. Der Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit

Norbert Berthold: Geldpolitik und Ungleichheit. Machen Notenbanken die Welt ungleicher?

Rainer Hank: Ungleichheit und Gerechtigkeit: Was hat das miteinander zu tun?

Klaus Gründler: Ungleichheit und Krisen

Norbert Berthold: „Reichtum ist distributive Umweltverschmutzung“. Höhere Steuern oder mehr Wettbewerb?

Klaus Gründler: Ungleichheit und Wachstum

Norbert Berthold: Der amerikanische Traum – Bremst Ungleichheit die soziale Mobilität?

Norbert Berthold: Der Staat pflügt die Verteilung um

Norbert Berthold: Die Ungleichheit wird männlicher

Norbert Berthold: Krieg der Modelle. Technologie oder Institutionen?

Michael Grömling: Einkommensverteilung – Vorsicht vor der Konjunktur!

Norbert Berthold: Die deutsche “Mitte“ ist stabil. Wie lange noch?

Eric Thode: Die Mittelschicht schrumpft – Wo liegt der Handlungsbedarf?

Norbert Berthold: Geringe Stundenlöhne, kurze Arbeitszeiten. Treiben Frauen die Ungleichheit?

Norbert Berthold: Deutschland wird ungleicher. Was sagt die Lohnverteilung?

Simon Hurst: Der Staat strapaziert die Schweizer Mittelschicht

Norbert Berthold: Einkommensungleichheit in OECD-Ländern. Wo stehen wir?

Norbert Berthold: Ungleichheit, soziale Mobilität und Humankapital

23 Antworten auf „Ungleichheit heute (19)
Des Läba isch koin Schlotzer
Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist grober Unfug

  1. Sehr schön. Sehr pointierter und ironischer Seitenhieb an die „Grundeinkommens-Befürworter“! Besonders die Zeile „Der Staat erzieht die Menschen zur Unselbständigkeit. Am Ende verlieren sie ihre individuelle Freiheit.“ Ich habe viel gelacht! Bitte mehr davon!

  2. Bezug auf wissenschaftliche Quellen wäre hin und wieder schön, wenn man schon anderen vorhält, sie „nehmen die Ökonomie nicht ernst“

    Zum Beißpiel interessiert mich, worauf diese Annahme fußt: „Allerdings lassen sich die allokativen Fehlentwicklungen in Grenzen halten, wenn die begünstigten Individuen eine Gegenleistung für die staatlichen Transfers erbringen müssen“

    Als Wirtschaftliberaler sehe ich die Probleme allokativer Fehlentwicklung in der Hauptsache natürlich in der Verwaltung. Also wenn Dritte für andere Entscheiden was zu produzieren, was zum leben notwendig ist. (großes Beißpiel Kommunismus).

    Auf ein wissenschaftliches Studienbeißpiel zu allokativen Fehlentwicklungen, im Zusammenhang mit gegenleißtungslosen cash-transfers wäre ich sehr gespannt.
    Vor allem in Anbetracht der Tatsache dass Wohlfarten wie Give Directly eher am effizienten Ende des Wohlfartsspektrums stehen.

  3. Moin!

    Was ist der Mensch? Immer mehr wird das zur entscheidenden Frage, denn davon hängt ab, welche Gesichtspunkte bei sozialen Fragen wirklich zählen. Zur Beantwortung dieser Frage empfehle ich, daß jeder bei sich selbst und im nächsten Umkreis schauen geht, ohne ideologische Scheuklappen und irgendwelche Systeme im Kopf. Einfach wirklich hinschauen. Eine der Erkenntnisse wird dabei möglicherweise sein, daß Druck im Lebendigen immer zerstörerisch wirkt und das saugende Prinzip förderlich. Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens, die übrigens historisch gesehen sehr neu ist und bisher meines Wissens auch erst in wenigen (südamerikanischen) Ländern langsam eingeführt wird, bietet die Chance, endlich die Arbeit vom Erwerb zu trennen. Das müßte ein Grundanliegen eines Blogs sein, der sich „wirtschaftliche Freiheit“ nennt, denn die herkömmliche Situation all derer, die nicht reich sind, ist eine der wirtschaftlichen Unfreiheit und des Druckes. Ich versuche seit Jahren, Geld für eine eigene Softwareentwicklung zu bekommen und es hat sich bisher als unmöglich erwiesen, daher muß ich mich mit irgendwelchen Arbeiten über Wasser halten und kann meine Fähigkeiten nicht für die Menschengemeinschaft einsetzen, was einen großen Verlust für alle bedeutet. Nicht weil ich so eingebildet bin, sondern weil es grundlegend neuen Konzepten hier im System prinzipiell so ergeht und dadurch sehr viele Innovationen unterbunden werden. Ein bedingungsloses Grundeinkommen hätte mein Problem umfassend gelöst und zugleich zu einer Mehrung des Wohlstandes aller beigetragen.
    Wenn Sie, wie aus dem Artikel hervorgeht, ein bedingungsloses Grundeinkommen für nicht umsetzbar halten, so setzen Sie doch Ihre Fähigkeiten ein, um einen Weg für die Umsetzung zu entwickeln. Ist es nicht peinlich, daß uns Brasilianer zB. etwas vormachen müssen, was eigentlich aus mitteleuropäischem Denken entwickelt wurde?

  4. »Selbst Unternehmer wie Götz Werner (Gründer der dm Drogeriekette) sprechen sich immer mehr für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus, weil sie erkannt haben, dass dies der einzig richtige Schritt ist und weitaus mehr Vorteile mit sich bringen würde«

    http://www.neopresse.com/gesellschaft/bedingungsloses-grundeinkommen-1-000-euro-im-monat-fuer-jeden/

    Auch an dem obigen vor kurzem erschienenen Artikel lässt sich erkennen: Kaum eine Idee bewegt die Menschen in den letzten Jahren so sehr wie das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Das lässt sich leicht an der Vielzahl von Modellen ablesen, die mittlerweile die Diskussionen durchfluten. Je nach Modell und Finanzierungsansatz gibt es unterschiedliche Begriffe für im Prinzip Vergleichbares: »Gesellschaftsdividende«, »Negative Einkommensteuer«, »ausgezahlter Mehrwertsteuerfreibetrag«, »Teilhabeabgabe« sind nur einige davon. Überall wird diskutiert, theoretisiert – wie soll das gehen? Arbeitet dann noch einer? Was ist mit den Schmarotzern? Aber wie geht es denn nun wirklich? Wie wäre es endlich mal mit Praxis statt mit Theorie?!

    Hier ist unser Vorschlag dazu:
    http://bgekoeln.ning.com/profiles/blogs/bedingungsloses-grundeinkommen-nicht-warten-sondern-starten

  5. „Wirtschaftliches Wachstum fällt nicht wie Manna vom Himmel. Es erfordert zumindest dreierlei: Arbeiten, sparen und investieren.“
    Was bedeutet heutzutage „investieren“? Das bedeutet oftmals Tätigkeiten, die durch Menschen ausgeführt werden, zu automatisieren. Selbst in China ist dies mittlerweile der Fall (siehe http://www.pcworld.com/article/2043026/foxconn-to-speed-up-robot-army-deployment-20000-robots-already-in-its-factories.html oder in Deutschland in MV: http://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Oestliches-Mecklenburg/Schneidemaschinenhersteller-waechst-trotz-Krise (MV ist nicht für seine hohen Löhne bekannt)).
    Stellt sich die Frage: Was ist Ihr Plan mit den entlassenen Menschen? (PS: Sie sollen sich was anderes suchen ist keine Lösung, denn „das andere“ wird auch automatisiert, so weit möglich)

    „Ein bedingungsloses Grundeinkommen senkt die Anreize drastisch, einer gewerblichen Arbeit nachzugehen.“ Das stimmt nur bedingt. Wenn man die Sanktionen beim Hartz IV ignorieren würde (wie damals die Sozialhilfe), müßten die Leute einer gewerblichen Arbeit nur nachgehen, wenn sie mehr Ansprüche haben als Essen, Trinken, Wohnung und medizinische Versorgung. Zugegeben, es gibt Leute, denen das genügt und die sich mit 400Euro im Monat arangiert haben. Aber die Masse der Leute hat doch höhere Ansprüche an sich. Das Problem ist, welches sich aus der Automatisierung ergibt: Welche gewerblichen Arbeit sollen diese Leute denn nachgehen?

    „Die „komfortable Stallfütterung“ (Wilhelm Röpke) erzieht zur Unselbständigkeit und führt zum Verlust der Freiheit.“ Was Unselbstständigkeit mit dem Verlust von Freiheit zu tun hat, verstehe ich nicht. Insbesondere verstehe ich „Freiheit“ in diesem Kontext nicht. Was verliereich denn? Darf ich nicht reisen? Essen was ich will? Aussprechen was ich will? Den Arzt wählen, den ich will? Kaufen was ich möchte? Welche „Freiheit“ verliere ich denn, wenn ich nicht für 5,50Brutto pro Stunde arbeiten muss, um meine Kinder zu ernähren?

    „Damit ändert sich das individuelle Sparverhalten flächendeckend. Ein bedingungsloses Grundeinkommen eicht die Gesellschaft auf Konsum. Die Anreize verkümmern, zu arbeiten, zu sparen und zu investieren.“ Ist es nicht genau das, was die Wirtschaft will? Konsum, Konsum, Konsum! In dem von Ihnen gepriesenen Wunderland USA haben die Leute bereits Mitte des Monats ihre Kredikarten ausgereizt und leben den Rest des Monats auf Pump! Das Konzept des Sparens ist dort vollkommen unbekannt! Zusammen mit der kurzen Lebenszeit heutiger Industrieprodukte ist es doch genau das, was die Wirtschaft überhaupt am Laufen hält. Würden die Leute alle anfangen zu sparen und nur hochwertige und langlebige Produkte kaufen, würde doch ein Großteil der Unternehmen sofort pleite gehen. Wovon sollte Apple denn leben, wenn die Leute nur alle 5 Jahre ein neues iPhone kaufen?

    Alles in allem ein Artikel geschrieben von jemandem, der erwartet seine Arbeit kann nicht automatisiert werden und der nicht nachvollziehen kann, wie es ist für 6Euro brutto arbeiten zu __müssen__!

  6. In Kürze

    1) Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE), über das 2015 oder 2016 abgestimmt wird, kommt einem neuen Gesellschaftsentwurf gleich: 2500 Franken monatlich für jede volljährige Person als Grundrecht ohne jegliche Gegenleistung sollen die aktuellen Sozialversicherungsinstrumente ersetzen.

    2) Eine Finanzierung des BGE über die Konsumbesteuerung würde einen MWST-Satz von 56 % bedeuten. Sollen die anderen Sozialversicherungsabgaben abgeschafft werden, wären gar 80 % nötig.

    3) Die Annahmen, mit denen die Befürworter die Notwendigkeit eines BGE begründen, sind falsch.

    4) Das BGE ist entgegen oft gehörter Beteuerungen kein liberales Konzept, denn es untergräbt die Eigenverantwortung des Individuums zu Lasten der gesamten Gesellschaft.

    5) Das BGE ist unsozial, denn es hilft nur jenen, die sich selbst helfen können. Für die wirklich Hilfsbedürftigen ist es hingegen ein Rückschritt.

    Zusammenfassung des Avenir-Standpunktes 5 „Einkommen ohne Grund. Warum das bedingungslose Grundeinkommen keines seiner Versprechen hält.“ von Lukus Rühli

  7. Despite tentative bipartisan support for basic income in the U.S, the concept has gained greatest traction outside America. Switzerland has become the first country to hold a referendum on basic income at a national level; in 2015, the Swiss Parliament will vote on whether to extend a basic income of 2,500 Swiss francs (about $2,600) per month to every Swiss resident.

    From Newsweek

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