Ordnungspolitischer Kommentar
Umweltschutz sauber eintüten
Die EU reduziert den Plastiktütenverbrauch

In diesen Tagen beginnt das große Weihnachtsgeschäft. Auch dieses Jahr werden wieder Spielzeugautos, Woll­socken und viele andere Geschenke gekauft und fast jedes Mal wandert eine Plastiktüte mit über die Verkaufstheke. Im Schnitt benutzt jeder der 507 Millionen europäischen Bürger 200 Plastiktüten pro Jahr. Wenn es nach der Euro­päische Union geht, wird sich dies schon bald ändern. Mit einem jährlichen Verbrauch von insgesamt 70 Plastik­tüten pro Kopf nutzen die deutschen Konsumenten zwar unterdurchschnittlich viele Plastikbeutel im europäischen Vergleich, dennoch müssten wohl auch hierzulande poli­tische Maßnahmen ergriffen werden, wenn das von der EU geplante Gesetz in Kraft tritt.

Der Gesetzesvorschlag der EU

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass alle europäischen Mitgliedstaaten die Anzahl leichter Plastiktüten bis 2025 auf 40 Stück pro Kopf und Jahr reduzieren müssen. Leichte Plastiktüten, wie sie üblicherweise kostenlos im Handel ausgegeben werden, machen einen Großteil der verwendeten Tragetaschen aus. Erreichen Mitglieds­staaten dieses Mengenziel nicht, sollen sie den Geschäf­ten die kostenfreie Ausgabe dieser Tüten untersagen. Eine Verabschiedung des Gesetzes im kommenden Frühling gilt als wahrscheinlich.

Während einigen Akteuren die vorgesehene Regelung zu weit geht, fordern andere, Plastiktüten vollständig zu ver­bie­ten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Zielsetzung der Gesetzesinitiative. Die EU verweist vor allem auf zwei Probleme, die mit dem Konsum von Plastiktüten einhergehen: Zum einen wird der hohe Ressourcenverbrauch bei ihrer Produk­tion und zum anderen ihre mangelhafte abfall­wirtschaftliche Bilanz beklagt.

Die Zielsetzung ist kritisch zu hinterfragen

Es wird kritisiert, dass die Produktion von kurzlebigen Plastiktüten mit einem hohen Verbrauch endlicher Roh­stoffe einhergeht. Neben dem Grundrohstoff Erdöl wird bei der Produktion viel Energie eingesetzt. Aus der End­lichkeit von Rohstoffen lässt sich jedoch aus wirtschafts­politischer Perspektive kein Staatseingriff begründen. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass sich die Knappheit von Gütern in den Preisen am Markt widerspiegelt.

Mit zunehmender Knappheit werden die Preise dieser Roh­stoffe ansteigen, wodurch die Nachfrage abnehmen wird. Je höher der Preis für Plastiktüten ist, umso weniger Unter­nehmen werden ihren Kunden Plastikbeutel unent­geltlich zur Verfügung stellen. Wird das Problem bei der Produktion hingegen in den damit einhergehenden nega­tiven Effekten auf die Umwelt gesehen, so wären Instru­mente zielgerichtet auf der Ebene des Schadstoff­ausstoßes zu implementieren. Beispielsweise begrenzt in diesem Sinne der europäische Emissionshandel unmit­telbar den Treibhausgasausstoß. Den Verbrauch des spezi­fischen Endprodukts Plastiktüte einzuschränken, wird solchen Umweltproblemen hingegen nicht gerecht.

Das zweite Problem betrifft die unkontrollierte Entsor­gung von Plastiktüten. Diese werden von den Konsu­menten zum Teil achtlos in der Natur zurückgelassen, wo sie Flora, Fauna und Mensch schaden. Eine Studie der Europäischen Kommission beziffert diesen Anteil auf 8% aller ausgegebenen Plastiktüten. Besonders problematisch ist dies, wenn die Tüten – teils über Flüsse – in Meeres­gewässer gelangen und dort unter anderem Biodiversität, Fischfang, Schifffahrt und Tourismus beeinträchtigen. Die damit einhergehenden Kosten entstehen größtenteils bei Dritten und werden nicht vollständig von denjenigen getragen, die sie verursachen. Aus wirtschaftspolitischer Perspektive können diese negativen externen Effekte einen staatlichen Eingriff legitimieren. Das Problem der Plastiktütenentsorgung kann zudem grenzübergreifende Auswirkungen haben, so dass ein Eingreifen auf euro­päischer Ebene gerechtfertigt sein könnte.

Ein Pfandsystem als treffsicheres Instrument

Ein geeignetes Instrument könnte ein Pfandsystem für Plastiktüten sein, das die Bürger durch Anreiz­mechanismen zu umweltkonformen Verhalten motiviert. Beim Erhalt einer Plastiktüte muss der Konsument ein monetäres Pfand beim Verkäufer hinterlegen, welches er bei Rückgabe der Plastiktüte zurückerhält. Nach Rück­gabe der Plastiktüten bei einer Pfandstelle gelangen die Tüten zurück in den kontrollierten Stoffkreislauf und können anschließend fachgerecht entsorgt werden. Der Pfandbetrag sollte sich an der Schadenshöhe der unkon­trollierten Entsorgung in der Umwelt orientieren. Bringt ein Konsument die Plastiktüte nicht wieder zu einer Sammelstelle zurück, verzichtet er auf das Pfand und bezahlt somit indirekt eine Strafgebühr in Höhe des durch ihn verursachten negativen externen Effekts. Der Pfand­betrag stellt nicht nur für den Nutzer der Plastiktüte, sondern auch für Dritte eine Motivation dar, diese zurück­zugeben. Dritte werden somit für das Beseitigen des Plas­tiktüten­mülls und dem damit verbundenen positiven Effekt auf ihre Mitbürger monetär entlohnt. Je höher der Pfandbetrag ist, umso eher werden die Bürger die Plastik­tüten zu einer Pfandstelle zurückbringen. Da­mit den Bür­gern eine unkomplizierte Einlösung ihres Pfands gewähr­leistet wird, bietet es sich an, alle Händler, die Plastiktü­ten ausgeben, nicht nur zur Rücknahme der eigenen, sondern aller Plastiktüten zu verpflichten.

Das Pfand als ökonomisches Instrument bietet den Vor­teil, dass es zielgerichtet an den negativen externen Effek­ten der unkontrollierten Plastiktütenentsorgung an­setzt. Zudem muss der Umweltsünder nicht durch Kontroll­en ausgemacht werden. Vielmehr liegt es am Konsumenten, der nicht durch zusätzliche Kosten belastet werden möchte, durch die Rückgabe der Plastiktüten aufzuzeigen, dass er sich regelkonform verhalten hat.

Beim Aufbau und Betrieb eines Pfandsystems würden allerdings hohe Transaktionskosten, beispielsweise für die Anschaffung von Rücknahmeautomaten, anfallen. Wenn diese Kosten den Nutzen der Plastiktütenausgabe für die Geschäfte übersteigen, entscheiden sich die Unternehmen gegen die Einrichtung einer Rückgabestelle und dement­sprechend auch gegen die Ausgabe von Plastiktüten. Das Pfandsystem entspräche dann einem nicht unmittelbar intendierten Quasi-Verbot dieser Tüten. Sind die Nutzen­einbußen des Quasi-Verbots im Verhältnis zum Umwelt­nutzen unverhältnismäßig hoch, wäre es aus gesamt­gesell­schaftlicher Sicht empfehlenswert, von ei­nem Pfandsystem als Instrument Abstand zu nehmen.

Ein Mengenziel als Second-Best-Lösung

Alternativ besteht die Möglichkeit, auf der Verbrauchs­ebene anzusetzen, also den Konsum von Plastiktüten ins­gesamt zu reduzieren. Eine solche Mengenregulierung ist nur angebracht, wenn entsprechende Maßnahmen mit deutlich geringeren Transaktionskosten einhergehen als ein Pfandsystem, da sie den Nachteil mangelnder Treff­sicher­heit haben: Von entsprechenden Regelungen sind alle Nutzer von Plastiktüten betroffen, unabhängig davon, wie sie diese entsorgen. Diese Pauschalisierung ist zudem nur dann in Kauf zu nehmen, wenn sie als weniger gra­vierend als der ökologische Schaden der achtlos weg­geworfenen Plastiktüten angesehen wird.

Die EU plant eine solche Mengen­regulierung. Welche Instrumente zum Erreichen der Vor­gaben eingesetzt wer­den, soll den Ländern freigestellt werden. Zur Konsum­reduktion sind insbesondere Preis­instrumente denkbar, die eine Lenkungs­wirkung entfalten: Wenn der Konsum von Plastiktüten mit einer Gebühr verbunden ist, werden voraussichtlich viele Kunden auf den Erwerb von Tüten verzichten. Es ist zu erwarten, dass vor allem die­jenigen weniger Plastiktüten nachfragen, die einen relativ geringen Nutzen aus deren Gebrauch ziehen. Die Kunden, die Tüten dringend benötigen, werden sie weiterhin er­werben. So wird der Verbrauch dort reduziert, wo der Verzicht mit geringen Einschränkungen verbun­den ist.

Preisinstrumente können unterschiedlich ausgestaltet sein. In der aktuellen Debatte wird häufig gefordert, alle Ge­schäfte zu verpflichten, mindestens einen vorgegebenen Preis für Plastiktüten zu verlangen. Solche Mindestpreise für Tüten reduzieren allerdings nicht nur deren Konsum, sondern führen auch zu Mehreinnahmen, die zumindest teilweise als Gewinne bei den Unternehmen verbleiben. Dies könnte problematisch sein, weil es An­reize für Unter­nehmen schafft, besonders viele Plastik­tüten in Um­lauf zu bringen. Zu bevorzugen wäre demgegenüber eine staatlich erhobe­ne Steuer, die ebenfalls zu einem Preis­aufschlag für Plastik­tüten führen würde. Anders als bei Mindestpreisen kann der Staat hierbei die entste­henden Einnahmen zur Beseitigung des Plastikmülls verwenden. So würden potentielle Umwelt­sünder an den bei Fehl­verhalten entstehenden Kosten beteiligt.

In der öffentlichen Debatte wird darauf verwiesen, dass die Konsumenten bei Einführung einer Steuer andere Taschen und Verpackungen verstärkt nachfragen werden. Zu prüfen ist, ob diese mit einem ähnlichen Müllproblem einhergehen, um sie dann gegebenenfalls in ein Steuer­system einzubeziehen.

Der Weihnachtsmann lässt grüßen

Ein Pfandsystem würde dem Kern des Plastiktüten­problems gerecht und sollte deshalb bevorzugt in Be­tracht gezogen werden. Je nach Höhe der anfallenden Trans­aktions­kosten kann auch eine Begrenzung der Plas­tik­tütenmenge ein sinnvoller Weg sein, deren unkontrol­lierter Entsorgung zu begegnen. Mit einem europäischen Gesetz zur Mengenreduktion ist zeit­nah zu rechnen und so lohnt es sich für Verbraucher, über Alternativen nachzudenken. Der Weihnachtsmann macht es vor: Er wird wohl auch in diesem Jahr einen Jutesack ver­wenden, statt mit Plastik­tüten unterwegs zu sein.

 

Dieser Text ist zugleich als Ausgabe Nr. 12/2014 der Reihe Ordnungspolitischer Kommentar des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln und des Otto-Wolff-Instituts für Wirtschaftsordnung erschienen.

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