Es scheint paradox: Einerseits stagniert das Wirtschaftswachstum, die Konsumlaune ist gering und die Arbeitslosenquote wieder zunehmend. Andererseits steigt die Lebenszufriedenheit der Deutschen im Jahr 2024 fast wieder auf das Vor-Corona-Niveau. 46 Prozent sind mit ihrem Leben hochzufrieden, mitten in der Pandemie waren es nur 37 Prozent. Ein näherer Blick zeigt die Ursachen für das zunehmende Lebensglück: Es sind sinkende Inflationsraten, steigende Löhne und eine Arbeitslosenquote, die zwar langsam steigt, sich aber auf die Bevölkerungsmehrheit noch kaum durchschlägt. Zudem geht es den von der Corona-Pandemie besonders betroffenen Gruppen 2024 wieder wesentlich besser als noch in den Jahren zuvor.
Die allgemeine Lebenszufriedenheit der Deutschen ist 2024 deutlich gestiegen. Auf der Skala zwischen null (»ich bin mit meinem Leben ganz und gar nicht zufrieden«) und zehn (»ich bin mit meinem Leben völlig zufrieden«) wird die Lebenszufriedenheit mit durchschnittlich 7,06 Punkten beurteilt (Abbildung 1).[1] Das sind 0,14 Punkte mehr als letztes Jahr und 0,22 Punkte mehr als 2022. Gegenüber den Corona-Jahren sind die Werte sogar noch positiver: 2020 lag das durchschnittliche Wohlbefinden bei nur 6,74, 2021 bei 6,58 Punkten. Die hohe Lebenszufriedenheit im Vor-Corona-Jahr 2019 (7,14 Punkte) ist dieses Jahr zwar noch nicht erreicht worden. Mit 7,06 Punkten liegt das Wohlbefinden aber wieder leicht oberhalb der Trendlinie seit 2004 (Abbildung 1).
Nicht nur der Durchschnitt, auch die Verteilung der Lebenszufriedenheit zeigt eine Verbesserung des subjektiven Wohlbefindens. Der Anteil an Hochzufriedenen ist gewachsen: 46 Prozent – und damit drei Prozentpunkte mehr als 2023 – geben Werte von acht bis zehn an. 2021 waren es nur 37 Prozent, 2019 (vor Corona) aber mit 49 Prozent nochmal mehr. Nur noch neun Prozent berichten von einer extremen Unzufriedenheit (Werte zwischen null und vier). Das waren 2023 noch elf Prozent und 2021 14 Prozent. Im Vor-Corona-Jahr waren es acht Prozent Unzufriedene.[2]
Abseits weiterer Erklärungen für die gestiegene Lebenszufriedenheit ist es besonders die Corona-Pandemie, welche die Mehrheit der Deutschen 2024 psychisch hinter sich gelassen haben. Das sieht man an den überproportionalen Zufriedenheitszuwächsen bei gerade denjenigen Gruppen, die unter der Pandemie und den mit ihr einhergehenden Maßnahmen besonders gelitten haben: Erwerbstätige Mütter, Jugendliche und junge Erwachsene sowie Alleinlebende berichten im Vergleich zum Vorjahr von um 0,3 bis 0,5 Punkten höheren Zufriedenheitswerten. Im Vergleich zu 2021 liegt zum Beispiel die Lebenszufriedenheit von Schülern (ab 16 Jahren) und Studenten um 0,88 Punkte höher. Auch berufstätige Mütter, die im Corona-Alltag zwischen »Homeoffice, Homeschooling und Housework« jonglieren mussten, geht es inzwischen wieder deutlich besser.[3]
Inflation sinkt, Einkommen gehen hoch und die Arbeitslosigkeit steigt nur langsam
Doch auch wenn die Corona-Pandemie für die meisten bereits in Vergessenheit gerät, so hätte man doch erwarten können, dass sich zumindest die schlechten wirtschaftlichen Kennzahlen der letzten zwei Jahre auf die persönliche Lebenszufriedenheit negativ auswirken würden. Die ökonomische Zufriedenheitsforschung hat gezeigt, dass ein konjunktureller Abschwung mit der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit einer Bevölkerung negativ einhergeht. Ein größer werdender Teil wird in einer Rezession arbeitslos und ist auf das soziale Sicherungsnetz angewiesen. Zudem sinkt die Konsum- und Investitionslaune, allgemeine Unsicherheit greift um sich und das Vertrauen in die Regierungsinstitutionen nimmt ab.[4] Auch liegen die Präferenzen der Menschen eher in einem geglätteten Konjunkturverlauf: Das durchschnittliche Wohlbefinden ist in einer volatilen Makroökonomie geringer als unter durchschnittlichen makroökonomischen Bedingungen.[5]
Doch trotz der ökonomischen Flaute steigt laut unseren Daten die Lebenszufriedenheit. Das hängt mit mindestens zwei Faktoren zusammen:
- Sinkende Inflationsraten in Verbindung mit steigenden Realeinkommen: Die Deutschen können sich 2024 wieder etwa so viel leisten wie 2020. Durch hohe Tariflohnabschlüsse, steuer- und sozialabgabenfreien Inflationsausgleichsprämien sowie der Gaspreisbremse konnten die schlimmsten Verwerfungen durch die Preissteigerungen 2022/2023 abgefangen werden. Das zeigt auch die gestiegene Einkommenszufriedenheit, die von 6,49 (2022) auf 6,81 Punkte (2024) kletterte und wieder auf dem Vor-Inflationsniveau von 2021 (6,78 Punkte) liegt.[6] Überdies verbessert sich seit Anfang 2023 das Konsumklima – auch wenn es noch unterhalb des Vor-Corona-Niveaus liegt.[7]
- Nur langsam steigende Arbeitslosenquote: In einer »normalen« Rezession steigt die Arbeitslosigkeit spürbar an und einer größer werdender Anteil ist auf Arbeitslosengeld und andere sozialstaatliche Auffangnetze angewiesen. Die im Vergleich zu den Löhnen niedrigeren Einkommensersatzleistungen sowie die mit Arbeitslosigkeit einhergehenden psychischen Kosten bewirken im Normalfall eine klare Abnahme der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit. Aufgrund der demographischen Sondersituation Deutschlands steigt der betroffene Bevölkerungsteil aber nur langsam. Diese leicht steigende Arbeitslosigkeit macht sich in den Befragungsdaten aber noch nicht bemerkbar.
Überdies gibt es weitere Sonderfaktoren, die 2024 – wenn auch nur schwach – positiv auf die Lebenszufriedenheit einzahlen: So hat sich die Situation im privaten Bausektor durch die gesunkenen Zinsen wieder etwas entspannt. Außerdem fahren die Deutschen wieder ähnlich oft und lange in den Urlaub wie vor Corona. Die Zufriedenheiten mit dem Freizeit- und Familienleben, mit der beruflichen Situation sowie mit der eigenen Gesundheit sind alle ebenfalls gegenüber 2023 gestiegen.[8]
Die Stimmung ist im persönlichen Umfeld der meisten Deutschen also bestens. Offenbar klafft damit 2024 eine besonders große Lücke zwischen der hohen Lebenszufriedenheit der Bevölkerung und der eher gedrückten Stimmungslage in der polit-medialen Öffentlichkeit. Dieses Phänomen ist zwar nicht neu, denn schon früher wurden das eigene Leben und die allgemeine wirtschaftliche bzw. gesellschaftliche Situation sehr unterschiedlich beurteilt. Wenn allerdings die Bewertung beider Welten derart groß ist, eröffnet sich die Frage, ob wir in der Öffentlichkeit hinsichtlich des guten und glücklichen Lebens überhaupt die richtigen Diskussionen führen oder ob diese am Leben der meisten Menschen vorbeigehen.
[1] Ergebnis von 12 monatlichen repräsentativen Befragungen durch das Institut für Demoskopie Allensbach zwischen Juli 2023 und Juni 2024. Insgesamt 12.452 Befragte. Die Befragungen liefen in mündlich-persönlicher Form ab und sind Teil einer Mehrthemenumfrage (mit wechselnden Themen). Die Befragungen liefen seit 2011 gleich ab, um einen Längsschnittvergleich zu gewährleisten. Vor 2011 wird auf das SOEP zurückgegriffen, welches eine ähnliche Befragungsform nutzt. Näheres zu den Befragungen und Daten siehe Raffelhüschen, B.; Renz, T. (2024): SKL Glücksatlas. Penguin-Verlag: München, S. 58-59.
[2] Der Rest zu 100 Prozent sind jeweils die »mäßig Zufriedenen« (Werte von fünf bis sieben).
[3] Das heißt zweifelsohne nicht, dass nach wie vor kleinere Teile der Bevölkerung unter den Nachwirkungen der Corona-Zeit leiden. So gibt es z.B. das Krankheitsbild des »Long Covid« mit Symptomen wie Erschöpfung, Konzentrationsproblemen und Kurzatmigkeit. Außerdem wird von einer Zunahme der Nachfrage nach Psychotherapeuten insbesondere vonseiten junger Erwachsener berichtet. Siehe dazu u.a. den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags (2022): Wartezeiten auf eine Psychotherapie. Studien und Umfragen. https://www.bundestag.de/resource/blob/916578/53724d526490deea69f736b1fda83e76/WD-9-059-22-pdf-data.pdf
[zuletzt aufgerufen am 21.11.2024]. Siehe auch den Beitrag zum Glücksatlas 2021 in der Wirtschaftlichen Freiheit vom 20.11.2021: Raffelhüschen, B.; Renz, T. (2021): »Lockdown kostet 0,52 Zufriedenheitspunkte«. Wirtschaftliche Freiheit. https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=30110 [zuletzt aufgerufen am 21.11.2024].
[4] Siehe zum Beispiel Deaton, A. (2011): The financial crisis and the well-being of America. In: Deaton, A. (Hrsg.): Investigations in the Economics of Aging. University of Chicago Press, S. 343-368 oder ein neueres Papier von Morgan, R.; O’Connor, K.J. (2022): Labor market policy and subjective well-being during the great recession. In: Journal of Happiness Studies, Vol. 23(2), S. 391-422.
[5] Siehe Wolfers, J. (2003): Is Business cycle volatility costly? Evidence from surveys of subjective well-being. In: International Finance, Vol. 6(1), S. 1–26.
[6] 2023: 6,64 Punkte. Mündlich-persönliche Befragungen durch das IfD Allensbach jeweils von Februar bis Mai eines Jahres.
[7] Siehe GfK-Konsumklimaindex: »Konsumklima klettert auf den höchsten Stand seit April 2022« Pressemitteilung vom 29.10.2024. https://www.nim.org/konsumklima/detail-konsumklima/konsumklima-klettert-auf-den-hoechsten-stand-seit-april-2022 [zuletzt aufgerufen am 21.11.2024].
[8] Bei Interesse können die Zahlen beim Autor angefragt werden: timon.renz@vwl.uni-freiburg.de