Auf Frank Knight, dem Pionier der Informationsökonomik, geht die heutige Unterscheidung zwischen Ungewissheit (uncertainty) und Risiko (risk) zurück. Wenn es um die Einschätzung von möglichen künftigen Schadensfällen geht, so gilt bei Risiko: Man kennt zwar die Höhe der Schäden im Vorhinein nicht, aber man kennt einen Mittelwert (den Erwartungswert), mit dem in einem bestimmten Zeitraum Schäden auftreten, und man kennt die im Mittel zu erwartenden Abweichungen von diesem Mittelwert (die Varianz). Für die Bestimmung von Erwartungswert und Varianz gibt es zwei Quellen: theoretische Zusammenhänge oder systematische Beobachtung über eine möglichst große Zahl an vergangenen Zeiträumen. Steht weder das eine noch das andere zur Verfügung, dann kennt man Erwartungswert und Varianz nicht. In diesem Falle spricht man seit Frank Knight von Ungewissheit. Oft ist es ein Segen, dass man Erwartungswert und Varianz eines Schadensfalls nicht kennt, denn es bedeutet in der Regel, dass er selten aufgetreten ist – wie etwa die Kernschmelze in einem Atomkraftwerk oder ein Flugzeugabsturz bei einer bestimmten Fluggesellschaft. Umgekehrt bedeutet dies aber, dass man beispielsweise aus der Unfallstatistik der gängigen Fluggesellschaften keine vernünftigen Rückschlüsse auf deren Sicherheitsstandards ziehen kann. Würden die Flugzeuge – statistisch betrachtet – „hinreichend häufig“ abstürzen, dann könnte man daraus Wahrscheinlichkeiten eines Absturzes bei diesem oder jenem Carrier berechnen und sein Verhalten daran ausrichten.
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