Kein Grund zur Panik: die Schweiz kann sich die Corona-Schulden von 40 Mrd. Franken oder mehr problemlos leisten. Im internationalen Vergleich steht sie mit einer geschätzten maximalen Schuldenquote von 55 Prozent nach Corona immer noch günstig da. Das ist der wohlklingend verführerische Tenor, wie er dieser Tage angestimmt wird. Ist diese Gelassenheit berechtigt? Aus meiner Sicht wiegt sich die Politik hier in einer falschen Sicherheit. Klar, die Beschaffung der zusätzlichen Kredite für die Finanzierung der Bundesausgaben wird den Bund nicht vor grosse Probleme stellen. Schulden sind aktuell rekordbillig und die Märkte werden das Volumen gerne bereitstellen. Dies ist aus einer finanzpolitischen Optik allerdings nicht die entscheidende Frage. Denn die reale Last zur Finanzierung des Staats ergibt sich nicht aus den Schulden, sondern aus den Ausgaben, die man sich in Relation zum erwirtschafteten Sozialprodukt leistet. Wichtig ist deshalb der Blick auf den Bestellzettel der Politik: da sind beim Bund einerseits die à-fonds-perdu-Beiträge im Umfang von 30 Mrd. Franken. Andererseits die Darlehen oder Bankgarantien von 42 Mrd. Franken Während man im zweiten Fall auf eine grossmehrheitliche Rückzahlung hofft, sieht es bei den Beiträgen ohne Gegenleistung anders aus. Sie belasten den Bundeshaushalt vollumfänglich. Die entscheidende Frage ist, ob nur einmalig oder doch dauerhaft.
Ende der „Politik des Freibiers“
Eine (un)endliche Geschichte
(Deutsche) Leistungsbilanzüberschüsse in der Kritik
„Es ist zwar schon alles gesagt, es haben aber noch nicht alle alles gesagt.“ (Karl Valentin)
Alle reden von außenwirtschaftlichen Gleichgewichten. Jeder versteht darunter aber etwas anderes. Meist geht es um die Leistungsbilanz. Anhaltende Überschüsse und Defizite sind vielen ein Ärgernis. Das kommt nicht von ungefähr. In der Euro-Krise hingen den Krisenländern die Leistungsbilanzdefizite wie Mühlsteine um den Hals. Überschussländer kamen besser durch die wirtschaftlich schwere Zeit. Ihnen wird aber vorgeworfen, sie lebten auf Kosten der Defizitländer. Weltweit werden Länder mit Überschüssen aufgefordert, sie nachhaltig abzubauen. Donald Trump ist deren lautstärkster Protagonist. Ansonsten droht er mit handelspolitischem Protektionismus. Die EU hat reagiert. Sie hat sich darauf verständigt, die nationalen Überschüsse in der Leistungsbilanz auf 6 % und die Defizite auf 4 % des BIP zu begrenzen. Die Forderung nach „Leistungsbilanzbremsen“ fällt auch in der Wissenschaft immer öfter auf fruchtbaren Boden. Der Bonner Ökonom Carl-Christian von Weizsäcker[1] ist einer ihrer prominentesten Vertreter. Man fragt sich allerdings, ob es sinnvoll ist, Salden in der Leistungsbilanz zu bekämpfen, zur Not auch mit Werkzeugen aus der planwirtschaftlichen Folterkammer.
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Schuldenkrise, Austerität und Strukturreformen
Ein paar „einfache“ Wahrheiten über die EWU
„Sparen heißt, Geld, das man hat, nicht auszugeben – nicht, Geld nicht auszugeben, das man nicht hat“ (Manfred Rommel)
Wer ständig mehr ausgibt als er einnimmt, bekommt ein Problem, eher früher als später. Zuerst schmilzt das Nettovermögen, dann wachsen die Schulden. Die Kredite werden teurer, der Schuldendienst nimmt zu, neue Kredite sind notwendig. Es wird immer schwieriger, das Leben über die Verhältnisse weiter zu finanzieren. Irgendwann kommt der Punkt, an dem die Gläubiger den Hahn zudrehen. Dem Schuldner bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder er verringert seine Ausgaben oder er erhöht seine Einnahmen. Das gilt für Haushalte und Unternehmen. Es ist aber auch bei Ländern nicht anders.
Der Euro ist noch lange nicht über den Berg.
Ist Deutschland schuld?
“Economists exert a minor and scarcely detectable influence on the societies in which they live.“ (George Stigler)
Der Schlamassel in der Europäischen Währungsunion hält an. Noch ist der Euro nicht über den Berg. Die drei Krisenherde, die sich gegenseitig anstecken, glimmen weiter: Eine Reihe von Ländern in der EWU ist nach wie vor wenig wettbewerbsfähig, die Verschuldung ist fast überall weiter zu hoch, viele Banken sind noch immer unterkapitalisiert. Getrieben wird die Dreifach-Krise in der Eurozone von multiplem „moral hazard“ der Politiker, Wähler und Banker (hier). Sie nahm ihren Ausgang in der Peripherie, in den PIIGS. Das (deutsche) Zentrum und die EZB retteten die EWU vor dem Kollaps. Diese Deutung der Euro-Krise verliert aber an Bedeutung. Sie wird immer seltener in Politik und Medien vertreten. Viel öfter wird versucht, die Geschichte der Krise umzuschreiben. Nun ist die Peripherie das Opfer, vor allem Deutschland ist der Täter. „Deutschland-Bashing“ ist mittlerweile europaweit in Mode. Auch amerikanische Ökonomen, wie Alan Blinder und Paul Krugman, beteiligen sich an der Hexenjagd auf ein „irrlichterndes“ Deutschland.
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Der Euro ist noch lange nicht über den Berg.
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Austerität und Strukturreformen
Wirtschaftspolitisches Teufelszeug oder bittere Medizin?
„Wer jetzt für das Ende der Austerität eintritt, versucht entweder, es sich auf Kosten künftiger Generationen weiter gutgehen zu lassen. Oder aber er will das geliehene Geld sowieso nie ganz zurückzahlen. Doch beides ist letztlich Diebstahl – im ersten Fall an künftigen Generationen, im zweiten an Sparern.“ (Peter A. Fischer)
Die Worte „Austerität“ und „Strukturreform“ haben beste Chancen von einer feuilletonistisch dominierten Jury zu Unwörtern des Jahres 2013 in Europa gewählt zu werden. Eine Politik des aggressiven „Kaputtsparens“ und überzogener Strukturreformen seien schuld an der wachsenden Misere auf den europäischen Arbeitsmärkten. Tatsächlich steigt die Arbeitslosigkeit weiter unvermindert an. Eurostat schätzt, dass im März 2013 im Euroraum über 19,2 Mio. Menschen ohne Arbeit waren. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Datenreihe im Jahre 1995. Prekär ist die Lage vor allem in Griechenland (27,2 %), Spanien (26,7 %) und Portugal (17,5 %), besser ist sie in Österreich (4,7 %), Deutschland (5,4 %) und Luxemburg (5,7 %). Die FAZ plappert zwar von unvermeidbarer künftiger Vollbeschäftigung in Deutschland. Tatsächlich sind aber auch hierzulande noch über 3 Mio. Menschen arbeitslos. Von ökonomischer und gesellschaftlicher Brisanz in der EWU ist die hohe Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen. Hier reichen die Werte in Griechenland schon knapp an die 60 %. In Spanien ist es kaum besser, Italien und Portugal folgen mit einem Abstand von 20 %-Punkten. Diese Entwicklung ist politischer Sprengstoff.
Austerität und Strukturreformen
Wenn nicht jetzt, wann dann?
„In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod.“ (Friedrich von Logau)
Nach den Wahlen in Frankreich und Griechenland steht die Rettungsmission des Euro vor dem Aus. Eisernes Sparen und strukturelle Reformen sitzen auf der Anklagebank. Viele Wähler in Europa sind gewillt, das Joch der „deutschen“ Strategie der Euro-Rettung abzuschütteln. Der wirtschaftliche Absturz und eine wachsende Arbeitslosigkeit verbreiten europaweit Angst und Schrecken. Eine Mehrheit meint, „Austerität“ und Strukturreformen führten in die wirtschaftliche Katastrophe. Deshalb könne die Droge der staatlichen Verschuldung jetzt noch nicht abgesetzt werden. Der harte „deutsche“ Kern der EWU sieht das (noch) anders. Nur ein harter Sparkurs und strukturelle Reformen würden die Basis für wirtschaftliches Wachstum schaffen. Ein Ende des finanziellen Dopings sei alternativlos, ein harter Entzug unabdingbar.
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Nepper, Schlepper, Bauernfänger
Austerität ist alternativlos
„Fog in the Channel, continent isolated“. (Britischer Scherz)
Nun wird alles gut. Auf dem Gipfel von Brüssel haben „Merkozy“ den Euro gerettet, wieder einmal. Die währungspolitischen Weichen wurden neu gestellt, gravierende Probleme gelöst. Nichts wurde auf die lange Bank geschoben. Endlich bricht eine neue Ära der Integration in Europa an. Das ist die übliche politische Rhetorik nach Gipfeln. Die Ernüchterung erfolgt meist schon wenig später. Das ist auch dieses Mal nicht anders. Die Märkte sind weiter sehr beunruhigt. Für sie ist der gordische Knoten nicht durchschlagen. Die eigentlichen Probleme der PIGS, Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite, sind weiter ungelöst. Das umstrittene Gipfelergebnis wurde allerdings durch David Camerons Aufstand in den Hintergrund gedrängt. Großbritannien ist nicht bereit, den kollektiven wirtschafts- und währungspolitischen Weg in Europa weiter zu gehen. Es schert aus der Front der Willigen aus.
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Ordnungsruf
Der gefesselte Leviathan
Ein Nachtrag zum Austeritätsregime
Der Leviathan, jenes Fabelwesen, welches Ressourcen vom Privatsektor zum Staat umverteilen will, ist mit der aktuellen Lage zufrieden. Seine wichtigsten Widersacher, die Herrschaft des Marktes und die Herrschaft des Rechts, liegen am Boden. Und das wird dann auch noch als erfolgreiche Krisenbewältigung gefeiert. Stefan Homburg hat im neuesten Wirtschaftsdienst zurecht auf diese Paradoxie hingewiesen. Da der geschätzte ZEIT-Kollege Mark Schieritz im Herdentrieb unverdrossen die Existenz des Leviathan leugnet und „beim besten Willen keinen Schuldenberg erkennen kann“, sollen hier ein paar grundsätzliche Dinge klar gestellt werden.
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Der gefesselte Leviathan
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Austerität als Zeitsignatur
Oder: Warum Paternalismus auch keine Lösung ist
Das Regime, unter dem nicht erst seit der aktuellen Fiskalkrise alle Wohlfahrtsstaaten stehen, heißt Austerität: Es ist der disziplinierende Zwang, künftig mit weniger oder gar keinen Schulden auszukommen. Griechenland kürzt die Beamtenpensionen, Spanien lockert den Kündigungsschutz und Deutschland streicht den Heizkostenzuschuss. Wie hilflos und letztlich unzureichend auch immer dies sein mag: Schulden zu machen ist für Staaten schwieriger geworden – zumal trotz in Aussicht gestellter Rettungsschirme die Kapitalmärkte ihre Risikoaufschläge nicht nennenswert reduzieren.
„Austerität als Zeitsignatur
Oder: Warum Paternalismus auch keine Lösung ist“ weiterlesen