Schuldenkrise, Austerität und Strukturreformen
Ein paar „einfache“ Wahrheiten über die EWU

„Sparen heißt, Geld, das man hat, nicht auszugeben – nicht, Geld nicht auszugeben, das man nicht hat“ (Manfred Rommel)

Wer ständig mehr ausgibt als er einnimmt, bekommt ein Problem, eher früher als später. Zuerst schmilzt das Nettovermögen, dann wachsen die Schulden. Die Kredite werden teurer, der Schuldendienst nimmt zu, neue Kredite sind notwendig. Es wird immer schwieriger, das Leben über die Verhältnisse weiter zu finanzieren. Irgendwann kommt der Punkt, an dem die Gläubiger den Hahn zudrehen. Dem Schuldner bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder er verringert seine Ausgaben oder er erhöht seine Einnahmen. Das gilt für Haushalte und Unternehmen. Es ist aber auch bei Ländern nicht anders.

Schuldenkrise

Spätestens die Eurokrise brachte es an den Tag: In der EWU ist die staatliche Verschuldung zu hoch. Schon bei Ausbruch der Krise standen viele ihrer Mitglieder zu stark in der Kreide. Mit den Krediten finanzierten die Staaten immer seltener staatliche Investitionen. Immer öfter wurden auch große Teile des (konsumtiven) Sozialstaates auf Pump gekauft. Das wirtschaftliche Wachstum litt. In der Finanz- und Euro-Krise wuchs der staatliche Schuldenturm weiter. In einigen Ländern wurde die staatliche Verschuldung nicht mehr tragfähig. Das Vertrauen der privaten Kapitalmärkte schwand rapide. In Ländern der Peripherie kam es zum „sudden stop“.

Nun war in den Krisenländern der EWU guter Rat teuer. Öffentliche Kapitalgeber ersetzten private. Fiskalische (und monetäre) Rettungsschirme machten es möglich. Die Steuerzahler der Gläubigerländer hatten aber wenig Lust, die Zeche der Schuldnerländer zu zahlen. Sie forderten von ihnen ein Ende der „Party“. Es führt kein Weg daran vorbei, die staatlichen Haushalte der Schuldnerländer zu konsolidieren. Nachhaltig in Ordnung gebracht werden sie aber meist nur, wenn konsumtive staatliche Ausgaben zurückgefahren werden. Schief geht es oft, wenn allein die Steuern erhöht werden. Die erste Variante ist eine „gute“ Austerität, die zweite eine „schlechte“.

Haushaltskonsolidierung

Es ist nicht damit getan, konsumtive staatliche Ausgaben zu kürzen. Auch die Struktur von Ausgaben und Einnahmen muss auf den Prüfstand. Investive Ausgaben müssen ein größeres, konsumtive ein geringeres Gewicht erhalten. Damit führt aber an einer Reform des Sozialstaates kein Weg vorbei. Das senkt die konsumtiven Ausgaben. Solche Reformen sind aber ein politisches Himmelfahrtskommando. Auch die Struktur der Einnahmen kann nicht so bleiben. Das Gewicht der direkten Steuern auf Einkommen muss sinken, das der indirekten Steuern auf den Konsum („fiskalische“ Abwertung) weiter steigen. Vor allem der (verteilungs-)politische Widerstand ist aber erheblich.

Kein Wunder, dass die Politik oft versucht, defizitäre staatliche Haushalte über die Einnahmeseite zu konsolidieren. Der Versuch scheitert meist, wenn Steuern und Abgaben erhöht werden. Höhere effektive Steuer- und Abgabensätze schwächen die Anreize von Arbeitnehmern und Unternehmen zu arbeiten, zu sparen und zu investieren. Damit werden die Quellen des wirtschaftlichen Wachstums verschüttet. Höhere Einnahmen erweisen sich als Illusion. Der Schuldenfalle entkommen Länder nur, wenn sie es schaffen, stärker zu wachsen. Die staatlichen Einnahmen nehmen dann zu, ohne dass die anreizschädlichen marginalen Belastungen mit Steuern und Abgaben steigen.

Strukturreformen

Wirtschaftliches Wachstum fällt nicht wie Manna vom Himmel. Die Länder müssen schon etwas dafür tun. Eine höhere internationale Wettbewerbsfähigkeit ist eine große Hilfe. Gerade daran mangelt es aber in den Krisenländern in der EWU. Mit der Einführung des Euro sanken dort die realen Zinsen. Das verzerrte die Allokation. Human- und Realkapital wurden wenig produktiv eingesetzt. Die holländische Krankheit griff um sich. Der (Sozial)Staat wurde weiter ausgebaut. Das alles ließ die Kosten der Produktion explodieren. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit ging verloren. Die Länder in der Krise haben nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie werden besser oder billiger.

Das eine wie das andere gelingt nicht ohne Strukturreformen. Der Wettbewerb auf Güter- und Faktormärkten muss intensiver werden. Nicht nur in den Krisenländern sind die Arbeitsmärkte verriegelt. Stark segmentierte Arbeitsmärkte dominieren. Die Arbeitslosigkeit ist skandalös hoch. Das geht vor allem zu Lasten der jungen Generation. Aber auch die Güter- und Dienstleistungsmärkte sind oft verriegelt. Der Zugang ist versperrt, Vetternwirtschaft blüht. Junge, dynamische Unternehmen kommen nur schwer in den Markt. Die Produktivitätsfortschritte lassen zu wünschen übrig. Eine hohe Arbeitslosigkeit und zu wenig Innovation bremsen das wirtschaftliche Wachstum.

Fazit

Die Krisenländer der EWU kämpfen mit zweierlei: Einer Verschuldung, die nicht tragfähig ist und strukturellen Defiziten, die Güter- und Faktormärkte verriegeln. Dagegen helfen nur eine Politik der „guten“ Austerität und mehr Wettbewerb auf den Märkten. Das eine ist wie das andere kurzfristig sehr schmerzhaft. Ohne diese bittere Medizin gesunden allerdings die Krisenländer wirtschaftlich nicht. Schon auf mittlere Sicht verspricht diese Therapie aber mehr wirtschaftliches Wachstum und mehr Wohlstand für alle. Austerität und Strukturreformen sind alternativlos. Richtig ist allerdings auch: Mit einer eigenen Währung würden die Krisenländer schneller wachsen und gesunden.

Hinweis: Eine kürzere Version des Beitrages erscheint in bdvd-aktuell, Nr. 130.

Blog-Beiträge zum Thema:

Norbert Berthold: Austerität und Strukturreformen. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Norbert Berthold: Austerität und Strukturreformen. Wirtschaftspolitisches Teufelszeug oder bittere Medizin?

2 Antworten auf „Schuldenkrise, Austerität und Strukturreformen
Ein paar „einfache“ Wahrheiten über die EWU

  1. Zitat aus Ihrem Text: „Die holländische Krankheit griff um sich. Der (Sozial)Staat wurde weiter ausgebaut. Das alles ließ die Kosten der Produktion explodieren. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit ging verloren.“
    Das gilt auch für die BRD. Seit Maueröffnung haben wir viel Wertschöpfung an sozial ärmere Volkswirtschaften verloren (incl. Sockelarbeitslosigkeit) und uns sehr von den absurden Preise der Premiumautos abhängig gemacht – flankiert von absurden Zinssätzen. (seit 2000 Bruttoanlagevermögen Kfz-Sektor +34%, Restindustrie Minus -1%: http://www.welt.de/wirtschaft/article139427042/Deutschlands-Wohlergehen-haengt-an-den-Autobauern.html)
    Ausgerechnet das Konsumprodukt AUTO, werden wir im Musterland richtigere Entscheidungen treffen, wenn es so weit ist?

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