Austerität und Strukturreformen
Wenn nicht jetzt, wann dann?

„In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod.“ (Friedrich von Logau)

Nach den Wahlen in Frankreich und Griechenland steht die Rettungsmission des Euro vor dem Aus. Eisernes Sparen und strukturelle Reformen sitzen auf der Anklagebank. Viele Wähler in Europa sind gewillt, das Joch der „deutschen“ Strategie der Euro-Rettung abzuschütteln. Der wirtschaftliche Absturz und eine wachsende Arbeitslosigkeit verbreiten europaweit Angst und Schrecken. Eine Mehrheit meint, „Austerität“ und Strukturreformen führten in die wirtschaftliche Katastrophe. Deshalb könne die Droge der staatlichen Verschuldung jetzt noch nicht abgesetzt werden. Der harte „deutsche“ Kern der EWU sieht das (noch) anders. Nur ein harter Sparkurs und strukturelle Reformen würden die Basis für wirtschaftliches Wachstum schaffen. Ein Ende des finanziellen Dopings sei alternativlos, ein harter Entzug unabdingbar.

Die Diagnose

Die Mitglieder der EWU werden von zwei Problemen geplagt. Das eine Problem ist eine nicht nachhaltige staatliche Verschuldung. Im Gegensatz zu früheren wirtschaftlichen Rückschlägen war die Staatsverschuldung schon bei Ausbruch der Krise viel zu hoch. Große Teile des staatlichen Konsums wurden auf Pump finanziert. Mit der Finanz- und Eurokrise wurden kommenden Generationen weitere Lasten draufgesattelt. Vor allem die Hilfen für Banken, die sich gewaltig verzockt hatten, schlugen zu Buche. Die nicht tragfähige staatliche Verschuldung untergräbt heute das Vertrauen der Kapitalmärkte. Hohe Risikoprämien für immer mehr Mitgliedsländer der EWU sind das Ergebnis. Es ist unbestritten, dass die Staatsverschuldung drastisch abgebaut werden muss.

Das zweite Problem ist die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit peripherer Mitglieder. Eine Ursache ist der kreditfinanzierte Sozialstaat. Über ihn gelang es den Tarifparteien, beschäftigungspolitische Lasten auf Dritte abzuwälzen. Darunter litten die Arbeitsmärkte. Lohn- und tarifpolitisches „moral hazard“ wucherte, die  internationale Wettbewerbsfähigkeit brach ein. Eine zweite Ursache setzte der Euro selbst. Die erwartete Haftungsgemeinschaft der Mitgliedsländer erodierte die Risikoprämien auf den Kapitalmärkten. In der Peripherie wurden Anreize für Private und den Staat gesetzt, sich verstärkt zu verschulden. Die Scheinblüte des Aufschwungs in „falschen“ Sektoren induzierte eine Preis-Lohn-Preis-Spirale. Kein Wunder, dass die Wettbewerbsfähigkeit litt.

Die Therapie

Ein Doppelpack aus sparen und reformieren hilft, den Vertrauensverlust der Kapitalmärkte abzubauen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Mit einer Politik der Austerität wird den Kapitalmärkten signalisiert, dass die Haushalte konsolidiert werden. Meist gelingt eine nachhaltige Konsolidierung allerdings nur, wenn die Ausgaben sinken, nicht wenn die Steuern steigen. Mehr investive und weniger konsumtive staatliche Ausgaben sind sinnvoll. Auch weniger Steuern auf Einkommen und mehr auf den Konsum („fiskalische Abwertung“) können helfen. Die Problemländer können sich wieder zu tragfähigen Zinsen finanzieren. Kurzfristig negative Auswirkungen auf die zyklische Arbeitslosigkeit sind möglich. Tatsächlich ist die Arbeitslosigkeit der Peripherie primär klassisch und strukturell. Der kurzfristige Anstieg sollte sich deshalb in Grenzen halten.

Flexiblere Arbeitsmärkte minimieren Beschäftigungsrisiken. Dazu trägt eine Politik der Austerität selbst bei. Mit „Sparhaushalten“ werden staatliche Kanäle verstopft, über die Tarifpartner beschäftigungspolitische Lasten auf Dritte abwälzen. Lohn- und tarifpolitisches „moral hazard“ sinkt, die Anreize zu Strukturreformen nehmen zu, die internationale Wettbewerbsfähigkeit steigt, Wachstum erhält wieder eine Chance. Mögliche kurzfristig ungünstige Folgen für die Arbeitslosigkeit lassen sich verringern, wenn sklerotisierte Arbeits- und Gütermärkte auf Vordermann gebracht werden. Das gilt vor allem für die Peripherie. Es ist kein Zufall, dass die Länder mit den größten Schulden die am stärksten verkrusteten Arbeits- und Gütermärkte haben.

Die Reha

Der Weg aus der Krise ist lang und steinig. Er führt nur über hartes Sparen und mühsame Reformen. Die fiskalischen Lasten müssen heute getragen werden. Ein „weiter so“ auf Kosten künftiger Generationen ist keine Option. Die Bürde ist leichter zu tragen, wenn die Quellen des Wachstums sprudeln. Austerität und Strukturreformen helfen dabei. Mit einer Politik der Austerität kann verlorenes Vertrauen der Kapitalmärkte zurück gewonnen werden. Ausländisches Kapital ist wieder eher bereit, investive inländische Ausgaben zu finanzieren. Strukturelle Reformen intensivieren den Wettbewerb auf Güter- und Faktormärkten. Das tut der Produktivität und der Beschäftigung gut. Austerität und Strukturreformen stärken das langfristige Wachstum. Es wächst sich leichter aus den Schulden.

Das ist nicht der Fall, wenn die Fiskalpolitik gelockert wird. Noch nie hat staatliche Nachfragepolitik das Potentialwachstum erhöht. Das Trendwachstum hängt vom Tempo des Produktivitätsfortschritts und der Entwicklung der arbeitsfähigen Bevölkerung ab. Mehr Wachstum ist auch bei knappen Kassen möglich. Empirisch existiert ein signifikanter Zusammenhang von wirtschaftlicher Freiheit und wirtschaftlichem Wachstum. Der wichtigste Treiber, der Freiheit in Wachstum transformiert, ist das private Unternehmertum. Krisenländer müssen deshalb stärker privatisieren, deregulieren und entbürokratisieren. Allerdings nutzt das wenig, wenn der Finanzsektor am Boden liegt. Eine Rekapitalisierung der Banken in den Krisenländern muss deshalb vorn auf der Agenda stehen.

Fazit

Die Kritik an Austerität und Strukturreformen ist daneben. Nachdem die Party vorbei ist, muss der angerichtete Flurschaden beseitigt werden. Dabei können die Länder nur zwischen Pest und Cholera wählen. Alle Ideen, die vorgeben, das währungspolitische Schlamassel schmerzfrei zu beseitigen, sind halbseiden. Das gilt für Eurobonds, eine Banklizenz für den ESM oder eine EZB als „lender of last resort“ für Staaten. Es trifft aber auch für die berüchtigte Strategie einer höheren Inflationsrate zu. Alle diese Vorschläge zerstören die Geschäftsgrundlage der EWU: Den Haftungsausschluss, die Unabhängigkeit der EZB und die Preisniveaustabilität. Die Krise bietet die einmalige Chance, die EWU nachhaltig zu reformieren. Wenn nicht jetzt, wann denn dann?

 

9 Antworten auf „Austerität und Strukturreformen
Wenn nicht jetzt, wann dann?

  1. Entweder man stoppt die Kreditexpansion oder die Kreditexpansion stopp einen. Es wäre gut die alten immer noch gültigen Regeln der Ökonomen der österreichischen Schule zu beachten. Wer es nicht tut bezahlt mit dem Zusammenbruch einer Währung und verarmt damit sehr Viele.

  2. Auch in Deutschland werden wir einige der oben genannten Punkte noch beherzigen müssen, um zukünftigen Druck der Finanzmärkte erst gar nicht entstehen zu lassen. Natürlich ist die Ausgangslage mit den Hartz-Reformen und der Rente ab 67 eine deutlich andere als bspw. in Griechenland, aber auch schon in Frankreich sehen wir deutlich, dass im Vergleich zu unseren Reformen dort noch deutlich mehr alte Zöpfe abzuschneiden sind.

    Nur wenn man die Schuldenseuche bekämpft, wird man der Erpressbarkeit durch die Finanzmärkte entgehen können. Ohne die ernsthaften Sparbemühungen, die anzustrengen sind, machen auch keine Wachstumspakete oder dergleichen Sinn.

  3. Wenn wir endlich alle Schulden getilgt haben und uns auch nicht mehr neu verschulden; wieviel Geld bleibt uns dann eigentlich übrig?

    mfg
    bruno

  4. Alberto Alesian erläutert in einem Beitrag für VoxEU überzeugend, weshalb eine Haushaltskonsolidierung über einen Abbau von staatlichen Ausgaben und eine wachstumsfreundliche Politik die beste aller Lösungen ist. Er bestätigt meine These: Austerität und Strukturreformen sind alternativlos.

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