Politischer Druck
Ein Dauerbrenner in der wirtschaftspolitischen Debatte zur Euro-Schuldenkrise ist die heftige Kritik an die anhaltend hohen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands. Von 2008 bis 2013 sind diese Überschüsse von 6,2 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt auf 7 Prozent angestiegen (2008-13: durchschnittlich 6,5 Prozent; Quelle: Deutsche Bundesbank). Für das laufende Jahr 2014 erwarten die Wirtschaftsforschungsinstitute (Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2013) erneut einen Überschuss von mindestens 7 Prozent. Die Exportüberschüsse, die im Außenhandel erzielt werden, liegen noch etwas darüber (traditionell weisen die anderen Teilbilanzen der Leistungsbilanz, mit Ausnahme der Bilanz der grenzüberschreitenden Erwerbs- und Vermögenseinkommen, einen negativen Saldo aus).
Internationale Organisationen (IMF), ausländische Regierungen (USA) und Wirtschaftsnobelpreisträger (Krugman) werfen Deutschland vor, die Weltwirtschaft im Allgemeinen und die Eurozone im Besonderen gravierenden Ungleichgewichten auszusetzen. Die Krisenländer Südeuropas beschweren sich lauthals darüber, dass Deutschlands Leistungsbilanzüberschüsse ihnen die wirtschaftliche Sanierung gehörig erschwert. Auf G20-Gipfeln wird Deutschland unverhohlen vorgehalten, auf Kosten der Defizitländer (auch nichteuropäische wie vor allem die USA) zu wirtschaften.  Immer wieder heißt es, die deutsche Binnennachfrage sei zu schwach, die Bundesregierung betreibe eine zu restriktive Finanzpolitik und die Unternehmen verschafften sich über eine moderate Lohnentwicklung unlautere Wettbewerbsvorteile gegenüber ausländischen Anbietern. Die Kritik verstummt selbst dann nicht, wenn die Binnennachfrage der wichtigste Konjunkturmotor ist und der Außenbeitrag zum Wachstum negativ ausfällt (wie in 2013 und voraussichtlich 2014) und obwohl Deutschland zu den importstärksten Ländern der Welt zählt (nach den USA und China und weit vor Frankreich).  Dieses keynesianische Denken findet sich auch hierzulande bei manchen Politikern, Gewerkschaftsführern, Wirtschaftsjournalisten und Makroökonomen, die allesamt die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse als anstößig, weil gegenüber den Südländern „unsolidarisch“ brandmarken. Die Europäische Kommission prüft jetzt, ob der deutsche Leistungsbilanzüberschuss „übermäßig“ ist und die wirtschaftliche Erholung in den Krisenländern behindert. Gemäß europäischen Six Pack ist die Obergrenze für einen Leistungsbilanzüberschuss 6 Prozent. Unter Umständen droht Deutschland ein Sanktionsverfahren und ein Bußgeld von bis zu 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (rund 3 Mrd. Euro). Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Europäische Kommission die Südländer nachdrücklich ermahnt, alles zu tun, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erhöhen, und zugleich Deutschland wegen seiner hohen Wettbewerbsfähigkeit kritisch beäugt!
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Worauf zu achten ist“ weiterlesen