Friedrich August von Hayek (1977) schrieb in seinem Werk „Entnationalisierung des Geldes“, dass Regierungen nie ihre Macht dafür einsetzten, auf Dauer ein ordentliches Geld bereitzustellen, „sie unterließen groben Missbrauch nur, als sie einer Disziplin unterworfen waren, wie sie die Goldwährung auferlegte“. Die Golddeckung des Dollars als globale Leitwährung wurde in den frühen 1970er Jahren aufgehoben, so dass seither weltweit Papierwährungen, sogenannte Fiat-Währungen, üblich sind. Diese haben seither dramatisch an Wert gegenüber dem Gold verloren (Abbildung 1). Dieser Prozess hat sich seit der Jahrtausendwende beschleunigt.
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Denn seit 20 bis 30 Jahren haben die großen Zentralbanken die Zinsen immer weiter gesenkt und im großen Umfang Staatsanleihen (und andere Vermögenswerte wie Aktien und Unternehmensanleihen) gekauft. Das hat das Vertrauen in die Weltleitwährungen Dollar und Euro untergraben. Eine Flucht in Sachwerte hat eingesetzt, so dass Aktien-, Immobilien- und Edelmetalpreise stark gestiegen sind. Zudem sind Wettbewerber um das „exorbitante Privileg“ (Giscard d’Estaing) der Leitwährung erschienen: Denn wer die Weltreservewährung emittiert, der profitiert von nahezu unbegrenzten Krediten und immensen Geldschöpfungsgewinnen (McKinnon 2013).
Zum einen sind im Gegensatz zu den öffentlichen Geldmonopolen dezentrale private Digitalwährungen entstanden. Den Pionier Bitcoin kann jeder schaffen (minen), aber die Menge ist glaubhaft beschränkt. Der Kurs zu den gesetzlichen Fiat-Währungen bildet sich frei. Anders als beim Giralgeld, das auf einem Geschäftsbankensystem basiert, werden Zahlungen kryptographisch legitimiert und dezentral abgewickelt. Als Alternativen zum Bitcoin („Altcoins“) haben sich dezentrale oder zentrale Kryptowährungen wie Ether, Ripple, Tether und Dogecoin etabliert, die bezüglich der Glaubwürdigkeit dem Bitcoin mehr oder meist weniger als ebenbürtig gelten. Der stark steigende Wert der Kryptowährungen gemessen in Fiat-Währungen (Abbildung 2) zeigt an, dass – trotz starker Schwankungen – viele auf deren Wertaufbewahrungsfunktion setzen.
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Auch ein privates Firmenkonsortium um den Internetgiganten Facebook will im Wettbewerb um das Geldmonopol mitmischen. Der Diem (ehemals Libra) soll im Gegensatz zu vielen Kryptowährungen fest an Dollar bzw. Euro gebunden sein (Diem 2020) und wird deshalb auch als „Stablecoin“ bezeichnet. Der Vorteil könnte sein, dass internationale Zahlungen in Diem dezentral und billiger sind. Die große Popularität von Facebook könnte für eine schnelle Verbreitung sorgen. Insbesondere für viele Menschen in Entwicklungsländern, die über keine Bankkonten verfügen, könnte der Diem attraktiv sein. Sollten eines Tages die geplanten Festkurse zugunsten einer graduellen Aufwertung gelockert werden, wäre der Anreiz groß, Dollar oder Euro in Diem zu tauschen. Ein Teil des Geldschöpfungsgewinns von Fed und EZB könnte dann in die Taschen von Facebook und Co. wandern.
Auch unter den Papierwährungen scheint ein Wettbewerb um das exorbitante Privileg entbrannt. Zwar haben alle wichtigen Zentralbanken im Gleichlauf mit der Fed die Bilanzen ausgeweitet, sodass der Wettbewerb unter den Fiat-Währungen de facto ausgesetzt ist. Doch könnte nun China, dem der Leitwährungsstatus des Dollars schon lange ein Dorn im Auge ist, ausscheren (Schnabl 2021). Viele Handels- und Finanztransaktionen in Ostasien werden in Dollar abgewickelt und die ostasiatischen Währungen sind immer noch an den Dollar gebunden. Immer dann, wenn die Fed die Geldmenge durch Ankäufe von US-Staatsanleihen ausweitet, sehen sich die Zentralbanken in Ostasien zu Dollarkäufen gezwungen. Sie finanzieren so die Staatsausgaben der USA – z.B. teure Rettungsaktionen auf den Finanzmärkten – mit. McKinnon (2013) spricht von einer quasi unbegrenzten Kreditlinie für die USA, die in Ostasien zunehmend mit Misstrauen betrachtet wird.
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So hat China seit einiger Zeit seinen Bestand an US-Staatsanleihen Schritt für Schritt reduziert (Abbildung 3). Statt US-Staatsanleihen zu halten, wurde in Infrastruktur in Entwicklungsländern investiert und ähnlich wie in Russland wurden die Goldbestände aufgestockt (Abbildung 4). Zudem wächst die Bilanz der People’s Bank of China deutlich langsamer als die der Fed. Das gilt insbesondere für die Corona-Krise, in der die Fed zur Stabilisierung der US-amerikanischen Wirtschaft die Bilanz wieder stark ausgeweitet hat. Seit einem Jahr ist ein Aufwertungstrend des Renminbis gegenüber dem Dollar zu beobachten, so dass der Anreiz wächst, Dollar in Renminbi zu tauschen. Ähnlich wie Deutschland und Westeuropa in den 1970er Jahren, könnten sich China und seine wirtschaftlich eng verflochtenen Nachbarländer vom Dollar lösen (Schnabl 2021). Zudem ist China mit der Entwicklung eines digitalen Renminbis vorangeeilt, dessen Zahlungssystem die Vormachtstellung der USA bei internationalen Finanztransaktionen unterwandern könnte (Knoerich 2021).
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Die großen Zentralbanken werden sich jedoch nicht ohne weiteres die Butter vom Brot nehmen lassen. Die People’s Bank of China hat Kryptowährungen bereits als Zahlungsmittel verboten. EZB und Fed untersuchen mit Hochdruck die Entwicklung eigener digitaler Zentralbankwährungen (CBDC) (EZB 2020 bzw. Fed 2021), die womöglich dezentrale Zahlungen abseits der Geschäftsbanken möglich machen. Würden die Bürger gegenüber den digitalen Euros und Dollars skeptisch bleiben, könnte mit strenger Regulierung oder gar Verbot der privaten Kryptowährungen die Beliebtheit der digitalen Zentralbankwährungen befördert werden. Warnungen wichtiger Zentralbankvertreter wie Christine Lagarde oder Andrew Bailey, dass Kryptowährungen dunklen Geschäften dienten und aufgrund der hohen Volatilität ein Totalverlust drohe (Reuters 2021 bzw. Treasury Committee 2021), scheinen als Abschreckung nicht ausreichend zu sein.
Der Ausgang des Rennens ist ungewiss. Fest steht, dass die Glaubwürdigkeit der führenden Fiat-Währungen stark gelitten hat. Deren Instabilität hat Krisen begünstigt und das Wachstum geschwächt (Schnabl 2019), so dass der Wunsch nach einem alternativen Wertaufbewahrungsmittel groß ist. Wer am Ende den staatlichen Währungsmonopolen von Dollar und Euro am besten Paroli bieten wird, dürfte nicht zuletzt von der Qualität der zugrundliegenden Technologie (Bitcoin vs. Altcoins) bzw. dem Einfluss der dahinterstehenden Institution (Facebook oder People’s Bank of China) abhängen.
Vielleicht finden aber auch angesichts der wachsenden Konkurrenz die etablierten Zentralbanken zur Tugend der Währungsstabilität zurück. Am Ende der Hochinflationsphase der 1970er Jahre, brach Paul Volcker (2018) als neuer Präsident der US-Zentralbank mit starken Zinserhöhungen der Inflation das Rückgrat, nicht zuletzt, um den internationalen Leitwährungsstatus des Dollars zu sichern. Sollte das nun auch passieren, wäre das ein Beweis für den disziplinierenden Effekt des Währungswettbewerbs wie ihn Hayek (1977) vorgeschlagen hat.
Quellen:
Diem (2020): White Paper v2.0.
EZB (2020): Report On a Digital Euro.
Hayek, F. A. (1977): Entnationalisierung des Geldes, Mohr-Siebeck, Tübingen.
Knoerich, J. (2021): China’s New Digital Currency: Implications for Renminbi Internationalization and the US Dollar, in: Bilotta, N. und Botti, F.: The (Near) Future of Central Bank Digital Currencies, Risks and Opportunities for the Global Economy and Society, Peter Lang, Bern, S. 145-166.
McKinnon, R. (2013): The Unloved Dollar Standard: From Bretton Woods to the Rise of China, Oxford University Press, Oxford.
Reuters (2021): ECB’s Lagarde calls for regulating Bitcoin’s „funny business“.
Schnabl, G. (2019): Central Banking and Crisis Management from the Perspective of Austrian Business Cycle Theory, in: Mayes, D., Siklos, P. und Sturm, J.-E.: The Oxford Handbook of the Economics of Central Banking, Oxford University Press, Oxford, S. 551-584.
Schnabl, G. (2021): Will China overthrow US dollar hegemony in East Asia? Nikkei Asian Review 28.1.2021
Treasury Committee (2021): Oral Evidence: Bank of England Monetary Policy Reports, HC 142.
Volcker, P. (2018): Keeping at It: The Quest for Sound Money and Good Government, PublicAffairs, New York.
Kürzlich lass ich von Berichten wonach chinesische Banken 1000 Mrd. US-Dollar auf Konten liegen haben. Da China weiterhin riesige Exportüberschüsse hat, kommen ständig neue Dollar ins Land, nur werden die jetzt offensichtlich nicht mehr in Staatsanleihen investiert. Da mit steigenden Zinsen gerechnet wurde, ist das nachvollziehbar. Die Situation hat sich also nicht geändert, nur in der Statistik ist es nicht zu sehen.