Was für ein Tor von Mario Götze, was für ein unvergesslicher Moment. Deutschland ist Weltmeister. Es herrscht Fußballbegeisterung im Land. Viele Millionen Fans konnten daher den Start in die „Weltmeister-Liga“ kaum abwarten. Der Wunsch nach „Public-Viewing“ ist vielerorts ungebrochen und doch bleiben zur neuen Bundesligasaison in vielen Kneipen die Bildschirme aus.
Nach der zweiten Preisanpassung innerhalb kurzer Zeit sind die Gebühren für die Liveübertragungen laut dem Gaststätten- und Hotelverband im vergangenen Jahr im Schnitt um 70 bis 80 Prozent angestiegen. Die Wirte werfen dem Bezahlsender Sky das Ausnutzen seiner gegenwärtigen Monopolposition vor. Der Sender weist die Kritik von sich und spricht von gestiegenen Lizenzgebühren. Ein Blick hinter die Kulissen lohnt, da sich auch das Kartellamt dem Thema angenommen hat.
Die Vermarktung der Bundesliga-Übertragungsrechte
Die Grundlage für die Fernsehbilder liefert der ligagebundene Fußball-Wettbewerb der 36 deutschen Bundesligavereine. Als Veranstalter der 1. und 2. Liga fungiert der Ligaverband (DFL), in dem alle am Spielbetrieb beteiligten Vereine bzw. ihre in Kapitalgesellschaften ausgegliederten Profisparten zusammengeschlossen sind. Der Ligaverband ist von den Vereinen mit der zentralen Versteigerung der TV-Rechte beauftragt. Aus wettbewerbstheoretischer Perspektive hat dieses Vermarktungskonstrukt die institutionelle Form eines Syndikats. Es handelt sich hierbei um eine als Kartell organisierte gemeinsame Verkaufsorganisation, die sich durch eine Zwangsmitgliedschaft für alle am Wettbewerb teilnehmenden Vereine gegen Abweichler aus den eigenen Reihen absichert. Individuelle Vermarktungskonzepte der Vereine werden so ausgeschlossen. Die Aussicht auf eine zeitlich befristete Alleinstellung für Fußball-Liveübertragung forciert die Gebote von Medienkonzernen bei der zentralen Versteigerung. Der Erlös für die zusammengeschlossenen Vereine wird durch die Vergabe an einen Medienpartner maximiert. Die Liveübertragungsrechte wurden von der DFL zuletzt im Jahr 2012 für vier Spielzeiten für ungefähr 2 Milliarden Euro an den Medienkonzern Sky versteigert. Der meistbietende Sender muss die zeitlich befristete Monopolstellung auf dem Endkundenmarkt nutzen, um die Lizenzgebühren einzuspielen. Dazu werden die fertig produzierten Liveübertragungen auf den Teilmärkten für Gewerbekunden und für private Endverbraucher zu Preisen verkauft, die der Sender für einnahmenmaximierend erachtet. Es ist davon auszugehen, dass der Großteil dieser erzielbaren Renten auf dem Endkundenmarkt bereits in Form entsprechend hoher Auktionsgebote an die DFL geflossen ist.
Kernproblem: Marktabgrenzung
Aus wettbewerbspolitischer Sicht stellt sich die Frage, ob eine Eingriffsnotwendigkeit im Fall dieses gewinnmaximierenden und zentralisierten Lizenzverkaufs durch die DFL besteht. Von entscheidender Bedeutung bei der Beurteilung möglicher Monopolstellungen eines Anbieters ist die Definition des sachlich relevanten Marktes. Der sachlich relevante Markt umfasst alle Waren und Leistungen, die von der Marktgegenseite hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihres vorgesehenen Verwendungszweckes als substituierbar angesehen werden. Im Grundsatz hat jeder Anbieter eines spezifischen, patentierten Produkts ein Monopol auf eben jenes. Sofern Konsumenten beispielsweise unbedingt ein Mobiltelefon einer ganz speziellen Marke kaufen wollen, hat der entsprechende Hersteller selbstverständlich einen erheblichen Preissetzungsspielraum bei diesem Produkt. Da aber aufgrund der guten Substituierbarkeit gemeinhin auch die Produkte der Konkurrenz zum relevanten Markt für Mobiltelefone gezählt werden, würde hier wohl niemand von einer Monopolstellung sprechen und nach einem wettbewerbspolitischen Eingriff rufen.
Fußballbundesliga – Ein Fall für das Kartellamt?
Bei den Liveübertragungsrechten der Bundesliga stellt sich die Lage schwieriger dar. Eine weit gefasste Marktdefinition könnte die Fußballübertragungen einem Markt für fernsehgebundene Unterhaltungsproduktionen zuordnen, auf dem sie in Konkurrenz zu Spielfilmen oder anderen Sportübertragungen angeboten werden. Das in der Vergangenheit schon mehrfach mit dieser Fragestellung befasste Kartellamt hat den relevanten Markt jedoch deutlich enger gefasst und sieht in Filmen und Golfübertragungen keine guten Substitute zu Livesendungen von Fußballspielen. Demnach gehören die Übertragungsrechte der Bundesliga zum Markt für ganzjährig ausgetragene Fußballwettbewerbe. Zu diesem sind noch der DFB-Pokal und die Europapokalspiele mit deutscher Beteiligung zu zählen. Innerhalb dieser engen Marktdefinition fällt den Übertragungsrechten an der Bundesliga eine marktbeherrschende Stellung zu. Das Kartellamt hat der zentralen Versteigerung durch die DFL daher zuletzt nur unter Auflagen zu Begrenzung der Preissetzungsmacht zugestimmt.
Mehre Marktteilnehmer durch getrennte Rechte…
Die erste Auflage des Kartellamts forderte die Versteigerung der Liveübertragungsrechte für das Bezahlfernsehen in mehreren getrennten Paketen. Die einzelnen Spielpaarungen an den Spieltagen der beiden Profiligen wurden auf mehrere Rechtepakete aufgeteilt. Damit war jede Spielansetzung nur exklusiv über ein bestimmtes Rechtepaket zu ersteigern. Die so unterteilten Pakete wurden auf der Auktion einmal für den klassischen Übertragungsweg über das herkömmliche Fernsehsignal und einmal für die datenbasierte Übertragung über das Internet und Mobilnetz angeboten. Die Auflagen des Kartellamts sahen jedoch keine sogenannte „No-Single-Buyer“ Regel vor, sodass ein Bieter sämtliche Rechtepakete erwerben durfte.
… erfordern ein anderes Auktionsdesign.
Bei diesem Auktionsdesign bestehen allerdings Anreizstrukturen, die für einen zentralen Auktionsgewinner sprechen. Auch wenn der Gewinn eines Pakets schon zu einem Vertriebsmonopol für einen kleinen Teil der Spiele führen würde, sichert erst der Kauf aller Pakete eine marktbeherrschende Stellung und befreit vom Preissetzungsdruck der Mitanbieter. Im speziellen Fall der Liveübertragungsrechte ist die Bündelung aller Pakete auf Bieterseite von zusätzlichem Interesse, weil der gleichzeitige Zugriff auf alle Live-Spiele Voraussetzung für das populäre Endprodukt einer Live-Konferenzschaltung ist. Der beobachtbare empirische Befund mit einem zentralen Käufer aller Liverechte für alle Übertragungswege deckt sich mit diesen theoretischen Überlegungen. Sofern zur Begrenzung von Marktmacht mehre Marktteilnehmer ermöglicht werden sollen, ist die vom Kartellamt genehmigte Trennung der Pakete unzureichend. Das gleiche dürfte für die, aus unterschiedlichen Richtungen, geforderte dezentrale Vermarktung durch die einzelnen Vereine gelten. Die Aussichten auf Monopolrenditen im Endkundenmarkt erhöhen auch hier die Wahrscheinlichkeit eines zentralen Käufers. Sofern man einen Preiswettbewerb über mehrere Anbieter forcieren möchte, könnte die Einführung einer „No-Single-Buyer“ Regel ein geeigneter Lösungsansatz sein. So könnten die Spiele beispielsweise auf unterschiedlichen Übertragungswegen von mehreren Sendern parallel ausgestrahlt werden.
Weniger Preissetzungsmacht durch zeitnahe Zusammenfassungen im Free-TV…
Unter Umständen ist die starke Regulierungsauflage einer verpflichtenden Mehrfachversteigerung der Liveübertragungsrechte jedoch nicht notwendig, um die Folgen einer Marktkonzentration abzufangen. In der Vergangenheit hat das Kartellamt mehrfach auf eine mögliche Substituierbarkeit einer Liveübertragung durch eine zeitnahe Zusammenfassung der Bundesligaspiele hingewiesen. Vor diesem Hintergrund hat das Kartellamt auch in der letzten Versteigerungsrunde ein Paket mit einer zeitnahen Berichterstattung im frei empfangbaren Fernsehen eingefordert.
… wenn die Sportschau ein relevantes Substitut für die Livespiele ist.
In der Tat richten sich Fußballliveübertragung und nachträgliche Berichterstattung an eine ähnliche Zielgruppe. Hohe Preisforderungen für die Livebilder könnten Konsumenten daher zum Umstieg auf eine frei zugängliche Zusammenfassung bewegen. Eine relevante Alternative kann die Sportschau allerdings nur sein, wenn das Bildmaterial bereits abgepfiffener Fußballspiele eine Liveübertragung in der Bewertung der Zielgruppe ohne erhebliche Nutzeneinbußen ersetzen kann. Da vor allem das „Public-Viewing“ in Kneipen wesentlich vom gemeinsamen Erleben eines unvorhersehbaren Sportereignisses bedingt wird, dürfte hier die Substituierbarkeit überschaubar sein. Gleiches würde dann auch für die preisregulierende Wirkung einer zeitnahen Zusammenfassung gelten. Wenn man also aufgrund einer engen Marktdefinition und der daraus resultierenden marktbeherrschenden Stellung der Bundesliga-Livebilder einen zu hohen Preissetzungsspielraum zu Lasten der Konsumenten ableitet, erscheinen die bisherigen Vereinbarungen wenig treffsicher.
Eine Verlängerung wäre wünschenswert
Klar muss aber auch sein: Jede stärkere Regulierung mindert die Fernseheinnahmen der Vereine und damit ihre finanzielle Schlagkraft im Wettstreit um weltweite Starspieler. Für viele Zuschauer wird die Bundesliga durch diese Topstars attraktiver, wodurch nicht zuletzt auch vermehrt Besucher zum „Public-Viewing“ in die Kneipen gelockt werden dürften. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte wäre es wünschenswert, dass das Spiel Kartellamt gegen DFL und seine Medienpartner spätestens im Vorfeld der nächsten Rechteversteigerung zum Wohle der Fußballfans in die Verlängerung geht.
Dieser Text ist auch als Ausgabe Nr. 08/2014 der Reihe Ordnungspolitischer Kommentar des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln und des Otto-Wolff-Instituts für Wirtschaftsordnung erschienen.
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Doppelpass zwischen DFL und MedienpartnerFußballfans im Abseits?“