In eigener Sache
Haben akademische Ökonomen-Blogs eine Zukunft?

„If I could explain it to the average person, I wouldn’t have been worth the Nobel Prize.“ (Richard Feynman)

Vor der schöpferischen Zerstörung ist nichts sicher. Dieser Prozess macht auch vor dem Mediensektor nicht Halt. Altes verschwindet, Neues entsteht. Printmedien stehen massiv unter Druck, nicht erst seit es soziale Medien gibt. Zeitungen sterben wie die Fliegen. Aber auch der Sektor wissenschaftlicher Publikationen steckt in der Krise. Traditionelle Zeitschriften sind in Schwierigkeiten. Neue Formen der Vermittlung von Wissen entstehen. Soziale Medien beschleunigen den Strukturwandel bei populären Print- und wissenschaftlichen Medien. Und mitten drin sind die Blogs. Täglich entstehen neue. Gegenwärtig existieren weltweit 158 Mio. Blogs. Seit 2006 hat sich die Zahl der Blogs alle 6 Monate verdoppelt. Die meisten verschwinden allerdings wieder lautlos. Dieses Kommen und Gehen gilt auch für ökonomische Blogs. Trotz einiger Leuchttürme fristen sie aber nur ein Schattendasein. Warum eigentlich?

Warum bloggen Ökonomen?

Vor über einem Jahrzehnt war die Szene der ökonomischen Blogger im Aufbruch. Bis dahin gab es zwar Blogs, die sich auch mit Ökonomie befassten. Wirklich professionell waren sie allerdings nicht. Das änderte sich, als auch akademische Blogger, wie etwa Greg Mankiw, Paul Krugman und Tylor Cowen, aktiv wurden. Auch ein Nobelpreisträger, wie Gary S. Becker, entdeckte mit Richard A. Posner, einem Richter am US-Bundesberufungsgericht, das Medium der Blogs. Es war faszinierend, wie diese Blogs mühelos die Leserzahl großer amerikanischer Tageszeitungen überboten. Im Schlepptau der bekannten Blogs schossen ökonomische Blogs weniger bekannter Autoren wie Pilze aus dem Boden. Allerdings überlebten die wenigsten oder versanken in der Anonymität.

Was treibt akademische Ökonomen, sich des Mediums der Blogs zu bedienen? Die Motive liegen auf vier Ebenen: Marketing, Forschung, Lehre und Information der Öffentlichkeit. (1) Der nach wie vor wichtigste Grund ist marketinggetrieben. In der Kindheit ökonomischer Blogs ging es den Autoren vor allem darum, ihre Forschungsergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die wissenschaftlichen Papiere sollten öffentlichkeitswirksamer beworben werden. Ökonomische Blogs waren vor allem ein neues Marketing-Instrument. Der unter Ökonomen viel gelesene Blog VoxEU folgt dieser Geschäftsidee. Allerdings stößt der Ansatz an Grenzen: Wissenschaftler schreiben für Wissenschaftler. Der Absatzmarkt ist relativ klein, oft nicht mehr als eine Nische.

(2) Ökonomische Blogs der Zukunft könnten stärker forschungsgetriebenen sein. Nach wie vor veröffentlichen Wissenschaftler lieber in traditionellen Zeitschriften. Dafür sorgt schon der Impact-Faktor. Der komparative Vorteil von Zeitschriften schwindet aber. Zum einen wächst der time-lag zwischen Einreichung und Veröffentlichung wissenschaftlicher Beiträge. Die Lücke zur Aktualität wird größer, der Elfenbeinturm wächst. Zum anderen wird es immer schwieriger, wirtschaftspolitische Entscheidungen in Zeitschriften zu diskutieren. Hier haben Blogs einen Wettbewerbsvorteil. Diskussionen können schneller, öfter und mit Vielen geführt werden, wenn sie denn stattfinden. Es ist ein klares Zeichen, dass die Kontroversen um die Bücher von Kenneth Rogoff/Carmen Reinhardt und Thomas Piketty und die These von Lawrence Summers zur säkularen Stagnation in ökonomischen Blogs ausgetragen wurden.

(3) Das Mantra der Wissenschaft ist das Humbold’sche Ideal der Einheit von Forschung und Lehre. Ökonomische Blogs machen es möglich, die neusten Erkenntnisse der Forschung in moderner Form in die Lehre zu bringen. Das kann zeitnah geschehen. Aktuelle Entwicklungen können über die sozialen Medien kommuniziert werden. Neue Instrumente der Kommunikation, wie eingebundene Videos, sind nutzbar. Und noch etwas können Blogs leisten: Sie können die Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden wieder in Gang bringen. Das ist dringend nötig. In den oft grauenhaften Massenveranstaltungen der Ökonomie ist der diskursive Kontakt zwischen den beiden Gruppen längst abgebrochen. Vielleicht sind Blogs ein Medium, die gegenwärtige Sprachlosigkeit zu verringern.

(4) Die Wissenschaft hat auch die Aufgabe, die breite Öffentlichkeit über die Ergebnisse ihrer zumeist steuerfinanzierten Arbeit zu informieren. Herbert Giersch sprach von einer „Bringschuld“ der Ökonomen. Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften sind dazu meist ungeeignet. Die Ergebnisse müssen populärwissenschaftlich aufbereitet werden. In der Vergangenheit waren es vor allem (Qualitäts-)Zeitungen, über die wissenschaftliche Erkenntnisse für ökonomisch interessierte Bürger zugänglich wurden. Mindestens so wichtig ist auch eine allgemein verständliche Analyse aktueller wirtschaftspolitischer Probleme. Das ist für Bürger und Politik von hohem Interesse. In Zukunft müssen ökonomische Blogs diese Aufgabe verstärkt wahrnehmen: Zeitungen werden weiter sterben, Bürger informieren sich mehr über soziale Medien. Das setzt aber voraus, dass die Wissenschaft auch bereit ist, diese Aufgabe adäquat zu erfüllen. Noch ist das nur ein frommer Wunsch.

Wie bloggen Ökonomen?

Die Blogs akademischer Ökonomen sind unterschiedlich organisiert. Oft sind es Einzelpersonen, die einen Blog betreiben. Die bekanntesten dieser Blogs werden von Paul Krugman, Greg Mankiw, Mark Thoma und Tyler Cowen unterhalten. Dabei tun sie allerdings Unterschiedliches. Paul Krugman setzt auf Kommentare zur aktuellen Wirtschaftspolitik. Greg Mankiw tut ähnliches, allerdings weniger polemisch. Demgegenüber informieren Mark Thoma und Tyler Cowen ihre Leser vor allem über interessante Beiträge in Printmedien und anderen Blogs, der eine mehr aus linker, der andere mehr aus liberaler Sicht. Eines haben aber alle diese Blogs gemeinsam: Sie sind nicht forschungsgetrieben. Ihr primäres Anliegen ist es, die Wirtschaftspolitik zu kommentieren oder Kommentare anderer zu transportieren. Manchmal informieren sie auch über interessante Entwicklungen in der Forschung.

Weltweit dominieren solche ökonomischen Blogs von Einzelautoren. Allerdings fehlen deutsche akademische Ökonomen bisher weitgehend. In dieser Blog-Welt ist der Prozess der schöpferischen Zerstörung sehr intensiv. Es ist für einzelne Personen schwer, Blogs am Leben zu erhalten. Das haben auch bekannte Ökonomen, wie etwa Dani Rodrik, erfahren müssen. Ökonomische Blogs haben nur Erfolg, wenn sie möglichst viele Themen kompetent beackern, die Beiträge regelmäßig erscheinen und auf Kommentare der Leser eingegangen wird. Alles das können einzelne Autoren in der Regel nicht leisten. Eine Chance zu überleben, haben ökonomische Blogs deshalb nur als Mehr-Autoren-Blogs. Sie garantieren vor allem Themenvielfalt und Regelmäßigkeit. Der erfolgreichste Blog dieser Kategorie ist VoxEU. Im deutschsprachigen Bereich setzen die Ökonomenstimme und die Wirtschaftliche Freiheit auf diese Strategie. Dabei setzt VoxEU stärker auf das Marketing von Diskussionspapieren, die Ökonomenstimme auf Beiträge, die zumeist schon in den Printmedien erschienen sind und die Wirtschaftliche Freiheit vor allem auf exklusive Beiträge zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen.

Aber auch Mehr-Autoren-Blogs überleben nicht, wenn die Qualität der Beiträge nicht stimmt. Das gilt für Autoren und Kommentatoren. Es ist leicht einzusehen, dass ein traditioneller Review-Prozess in Blogs weder möglich noch erwünscht ist. Der Aufwand wäre zu groß, Blogs würden ihre komparativen Vorteile verlieren. Aus Blogs würden Online-Zeitschriften. Sie würden ihre Vorteile verlieren, ein Format zwischen Konferenzen und Artikeln in Journals, zwischen mündlicher und schriftlicher Form und zwischen Zeitschriften-Beiträgen und Zeitungsartikeln zu sein. Eine Möglichkeit, die Qualität zu sichern, besteht darin, bei der Auswahl der Autoren sorgfältig vorzugehen. Bei der Wirtschaftlichen Freiheit besteht der Kern der ständigen Autoren aus gestandenen akademischen Kollegen. Das garantiert eine gewisse Qualität. Bei Gastbeiträgen müssen die Herausgeber auf die Qualität achten. Es ist auch unerlässlich, die Kommentare qualitätsorientiert zu moderieren. Allerdings stehen dieser berechtigten Forderung die Kosten an Zeit und Geld entgegen.

Eine spezielle Form des Bloggens ist das sogenannte „Mikro-Bloggen“. Die bekanntesten Plattformen sind Twitter, Facebook und Google+. Auch Ökonomen nutzen diese Möglichkeiten in zunehmendem Maße. Eine argumentative Auseinandersetzung oder eine tiefere Kommentierung ist allerdings über diese Medien kaum möglich. Dafür sorgt schon die stark begrenzte Zahl von Zeichen, die etwa bei Twitter pro Tweet zur Verfügung stehen. Schlagworte pflastern deren Weg. Ökonomische Blogs nutzen diese sozialen Medien, um ihre Tweets schneller, öfter und breiter unter die Leute zu bringen. Diese sozialen Medien sind in erster Linie ein Marketing-Instrument der Blogs. Primäres Ziel ist es, auf eigene Blog-Beiträge, eigene und fremde neue Papiere, interessante Beiträge in neuen und alten Medien hinzuweisen, nicht mehr aber auch nicht weniger. Forschungsgetrieben ist dieses „Mikro-Blogging“ eher nicht.

Weshalb bloggen so wenig Ökonomen?

Die Nachfrage nach fundierter Information über ökonomische Zusammenhänge ist groß und sie wächst weiter. Vielfältige wirtschaftliche Veränderungen und ein wachsender Bildungsstand der Bevölkerung befeuern diese Nachfrage. Allerdings können die traditionellen Informatoren und Interpreten ökonomischer Entwicklungen dieser Aufgabe immer weniger nachkommen. Der Qualitätsjournalismus ist auf dem Rückzug. Zeitungen sterben reihenweise, Rundfunk und Fernsehen fehlen immer öfter die fachliche Kompetenz. Das wäre eigentlich die Zeit akademischer ökonomischer Blogs. Sie sind den traditionellen Medien überlegen, weil es weder Platz- noch Zeitprobleme gibt, Graphiken, Tabellen und Videos in die Texte eingebaut werden können und grundsätzlich ein leichterer kommunikativer Austausch mit den Lesern möglich ist. Akademische Ökonomen haben die nötige fachliche Kompetenz. Dennoch bloggen nur wenige.

Diese Entwicklung ist auf den ersten Blick auch noch aus einem anderen Grund unverständlich. Die beiden Weltbankökonomen David J. McKenzie und Berk Özler haben schon vor einiger Zeit empirisch festgestellt, dass die akademischen Betreiber ökonomischer Blogs profitieren. Normalerweise werden Diskussionspapiere eher selten gelesen. Das gilt selbst für NBER-Working-Papers. Selbst dort sind es oft nicht viel mehr als eine Hand voll Leser. Werden in (bekannteren) ökonomischen Blogs allerdings Links auf Diskussionspapiere gelegt, steigt die Zahl der Zugriffe auf Abstracts und Papiere signifikant an. Bloggen schärft auch das Profil der Blogger und das ihrer Institutionen und erhöht ihre wissenschaftliche Reputation gegenüber Kollegen mit ähnlichen Publikationsergebnissen. Auch die Motivation zu forschen und die Qualität der Forschung, werden durch Blogs positiv beeinflusst.

Warum gibt es trotzdem so wenig akademische ökonomische Blogs mit öffentlicher Breitenwirkung? Auch Ökonomen bieten dort mehr an, wo die Rendite größer ist. Die größten Erträge können akademische Ökonomen in relativ jungen Jahren erzielen, wenn sie Papiere in hoch gerankten ökonomischen Journals unterbringen. Das erhöht ihre Karrierechancen und ihr Einkommen nachhaltig. Blog-Beiträge werfen diese Erträge nicht ab. Blogs werden allenfalls genutzt, um eigene Papiere zu bewerben, manchmal auch um wissenschaftliche Diskussionen zu führen. Die meisten Wissenschaftler schreiben deshalb nicht für eine breite Öffentlichkeit, wenn sie überhaupt in Blogs schreiben, sondern vor allem für andere Wissenschaftler, die letztlich über ihre Karriere entscheiden. Erst wenn die akademischen Karrierechancen mit dem Alter schwinden und die Politikberatung eine größere Rolle spielt, sind sie eher bereit, auch in Blogs für ein breiteres Publikum allgemeinverständlicher zu schreiben, wenn sie es denn können.

Das führt zu einem Dilemma. Es ist nicht möglich, in einem ökonomischen Blog alle vier Ziele gleichzeitig wahrzunehmen: Marketing, Forschung, Lehre und Information der Öffentlichkeit. Das Tinbergen-Theorem gilt auch für Blogs: Man kann mit einem einzigen Instrument nicht gleichzeitig mehrere Ziele effizient realisieren. Es ist notwendig, dass sich die Blogs auf die jeweiligen Ziele spezialisieren. Das führt allerdings zu einem Problem. Die Mehrzahl der Wissenschaftler, die in Blogs aktiv sind, schreibt für Wissenschaftler. Dieser Markt ist allerdings klein. Mehr als Nischen sind das oft nicht. Die Zahl der Leser ist überschaubar. In der breiten Öffentlichkeit spielen diese ökonomischen Blogs keine Rolle. Wer in Blogs für eine breite Öffentlichkeit schreibt, hat seine akademische Karriere zumeist schon hinter sich. Der individuelle Anreiz, sich mit qualitativ guten und allgemeinverständlichen Blog-Beiträgen zu quälen, ist eher gering. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Fazit

Die Zukunft akademischer ökonomischer Blogs ist ambivalent. In einer immer komplexeren und volatileren ökonomischen Welt wächst die Nachfrage einer breiten Öffentlichkeit nach ökonomischer Aufklärung. Mit ökonomischen Blogs ist die adäquate Produktionstechnologie verfügbar. Nur das private Angebot ist unzureichend. Die Präferenz der akademischen Welt ist forschungsgetrieben. Das führt zu mehr ökonomischen Blogs vor allem für forschende Spezialisten. Akademische ökonomische Blogs, die eine breite Öffentlichkeit informieren wollen, bleiben Mangelware. Sie haben starke Elemente eines öffentlichen Gutes. Von ihm wird bekanntlich zu wenig privat angeboten. Das sind keine guten Aussichten für akademische ökonomische Blogs, über die sich eine breite Öffentlichkeit fundiert informieren kann. Wenn aber (Qualitäts-)Zeitungen die Luft ausgeht, stellt sich die Frage, wer das allgemeine Informationsbedürfnis der verunsicherten Bürger befriedigen soll.

Hinweis: Kommentar zur Panel-Diskussion „Science 2.0 – Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsalltag im Social Web“ auf der Jahrestagung des VfS am 10. September 2014 in Hamburg.

13 Antworten auf „In eigener Sache
Haben akademische Ökonomen-Blogs eine Zukunft?“

  1. Tatsächlich haben es die ökonomischen Blogs geschafft, ökonomische Forschung und wirtschaftspolitische Kommentierung des Weltgeschehens aus dem Elfenbeinturm in das WWW hinauszutragen. Allerdings: Die Welt bekommt die ökonomische Vernunft geschenkt, sie muss nichts dafür bezahlen. Das hat seinen Preis: Ökonomenblogs finanzieren sich vom Universitätsgehalt ihrer Autoren; sie sind quasi komplett öffentlich subventioniert. Wollen wir das? Ein Deutungsmonopol der Uni.Profs (ist ja in USA ähnlich)? Andere Stimmen haben es im Wettbewerb schwer, weil die User nicht bereit sind, für die Deutungen zu bezahlen. Fehlender Wettbewerb hat Folgen für die Qualität, bringt zumindest Einseitigkeit, oder?

  2. @Rainer Hank
    Es gerät leicht in Vergessenheit. Alle steuerfinanzierte Wissenschaft ist in der Pflicht, die breite Öffentlichkeit über die Ergebnisse ihrer Arbeit zu informieren. Das hat so zu geschehen, dass es interessierte Laien verstehen. Nichts anderes gilt auch für die Wirtschaftswissenschaften. Der große Herbert Giersch sprach von einer „Bringschuld“ der Ökonomen. Dabei meinte er zwar vor allem die Politik. Seine Aussage gilt aber auch für die breite Öffentlichkeit. Tatsächlich vernachlässigen wissenschaftlich arbeitende Ökonomen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, diese Aufgabe seit langem. Das gilt auch für Deutschland. In Zeiten „alter“ Medien kam es zu einer Arbeitsteilung von Ökonomen und Journalisten. Die Ökonomen versuchten, die Welt zu erklären, die Journalisten deuteten ihre Ergebnisse, beide oft mehr schlecht als recht. Waren Ökonomen und Journalisten allerdings gut, wurde die Öffentlichkeit auch gut informiert. Diese Arbeitsteilung war für beide von Vorteil. Die Ökonomen konnten sich dem widmen, was sie am besten können, exzellent forschen, manche auch sehr gut lehren. Die Journalisten verdienten mit ihren Deutungen, wenn sie gut waren, lange Zeit gutes Geld für ihre Verlage.

    Die Zeiten haben sich geändert. Von der alten Herrlichkeit der Zeitungen ist nicht viel geblieben. Das Zeitungssterben schreitet voran und macht auch vor (Qualitäts-)Zeitungen nicht Halt. Mit der Deutung ökonomischer Forschungsergebnisse lässt sich kaum noch Geld verdienen. Und die „neuen“ Medien haben das journalistische „Vermittlungsmonopol“ von Deutungen wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Printmedien geschleift. Kostengünstige Blogs sind nur eines von vielen Medien, über die nun die Wissenschaftler selbst ihre Forschungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit vermitteln können. Rainer Hank überschätzt allerdings den Einfluss akademischer Ökonomen-Blogs bei weitem. Von einigen wenigen Leuchttürmen abgesehen, fristen sie nach wie vor ein Schattendasein. Das hat auch damit zu tun, dass die Wissenschaftler nach wie vor keinen großen Anreiz haben, die „neuen“ Medien zu nutzen, um ihre Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit in leicht verständlicher Form nahe zu bringen. Diese Information der Öffentlichkeit hat Züge eines öffentlichen Gutes. Die Wissenschaftler werden auch dafür aus Steuergeldern bezahlt, diese Aufgabe wahrzunehmen. Nur: Sie müssen es auch tun.

    Rainer Hank beklagt die Verzerrung des Wettbewerbs zwischen Zeitungen und Blogs, weil steuerfinanzierte Ökonomen die Deutung ihrer Forschungsergebnisse über die „neuen“ Medien, auch über Blogs, selbst vornehmen, besser: selbst vornehmen sollten. Diese Sicht ist irreführend. Wenn die Information einer breiten Öffentlichkeit starke Züge eines öffentlichen Gutes hat, sind auch „steuerfinanzierte“ akademische Blogs eine adäquate Lösung. Es ist nicht zu bestreiten, dass private Anbieter auf einem solchen Markt mit der Deutung von Forschungsergebnissen finanziell auf keinen grünen Zweig kommen können. Sie sollten sich dem zuwenden, mit dem sie wieder Geld verdienen können. Vielleicht meint Rainer Hank aber auch, dass Zeitungen, wenn sie das öffentliche Gut trotzdem weiter anbieten, subventioniert werden sollen. In einigen Ländern ist es tatsächlich so. Die Ergebnisse sind, vorsichtig ausgedrückt, wenig berauschend. Viel sinnvoller erscheint mir, die Anreize für Ökonomen an staatlich finanzierten Forschungseinrichtungen so zu ändern, dass es auch für sie interessanter wird, endlich ihrer Aufgabe nachzukommen, eine breite Öffentlichkeit adäquat zu informieren. Dazu brauchen sie Zeitungen immer weniger. Dahin ist es aber noch ein langer Weg.

  3. @Norbert Berthold. Das Problem in Deutschland ist ja, dass der Markt durch die öffentliche Subventionierung von Wissenschaft und öffentlich-rechtlichen Medien völlig verzerrt ist. Dabei ist Subventionierung noch zurückhaltend ausgedrückt: es geht, bei Unis wie ARD/ZDF um Voll- und Zwangsfinanzierung. Wenn das kein zangenmäßiges Crowding Out ist, dann weiß ich auch nicht. Warum soll einer noch Geld ausgeben und eine Zeitung kaufen für eine gute Deutung zum Beispiel des Ungleichheitsthemas, wenn er dafür – ob er will oder nicht – mit seinen Steuern zahlen muss. Das wäre nicht schlimm, wenn man hoffen dürfte, dass Unis und ARD zusammen schon objektiv, kontrovers und umfassend genug sind. Aber („Wes Brot ich ess…“): Beide Akteure sind hierzulande staatsnah und daher mutmaßlich affirmativ. Wenn also Beamte den Redakteuren erklären, eine öffentliche Förderung von Zeitungen als öffentliches Gut bringe keine „berauschenden Ergebnisse“, dann ist das schon ein bisschen dreist. In Amerika mag das anders sein, wo viele Unis privat oder als Stiftung organisiert sind.

  4. @Rainer Hank: Wissenschaft und die öffentlich-rechtlichen Medien sollten nicht im gleichen Topf landen. Ersteres ist (zumindest teilweise) ein öffentliches Gut, letzteres nicht mehr (Ausschließbarkeit ist heute technisch einfach möglich). Es gibt also einen guten Grund für die steuerfinanzierte Wissenschaft, aber keinen für öffentlich-rechtliche Medien. Steuerfinanzierung aber bedarf der Rechtfertigung. Erkenntnisse müssen zugänglich sein, auch für jene, die es zahlen.

  5. @Pixeloekonom
    Dem kann ich nur zustimmen. Die kontroverse Diskussion über öffentliche Güter zeigt allerdings, dass es sinnvoll ist, sich mit diesem Thema mal intensiver in einem Blog-Beitrag zu beschäftigen.

  6. Konrad Adam analysiert die Ursachen des Zeitungssterbens:

    Die Presse leidet. Sie leidet, weil sie schrumpft. Im Vierteljahresrhythmus berichten die großen, ehemals meinungsbildenden Zeitungen über sinkende Auflagen und schwindende Gewinne; und nichts deutet auf ein Ende dieses ewigen Sinkfluges hin. Etliche Blätter haben den Boden schon erreicht, weitere werden folgen.

    Unter den Gründen steht das Internet an erster Stelle. Die meisten Verlage haben das Aufkommen dieses gefährlichen Konkurrenten verschlafen oder verkannt. Wenn überhaupt haben sie zu spät reagiert – und sind dafür vom Leben hart bestraft worden. Verloren haben sie gleich doppelt: zunächst das Anzeigengeschäft, von dem sie früher einmal so gut gelebt hatten. Und dann die Leser – die jungen Leser, die schnell gemerkt haben, daß ihr Hunger auf grenzenlose Information und anspruchslose Unterhaltung vom Internet verläßlicher gestillt wird als von der Presse. Nichts sei älter als die Zeitung von gestern, hieß es bis vor kurzem. Nichts ist älter die Zeitung von heute, heißt es jetzt.

    Parteilichkeit wird längst nicht mehr als Vorwurf betrachtet. Im Gegenteil sind viele Journalisten stolz darauf, Partei zu sein; sie nennen es nur anders, machen es wie Bölling und sprechen statt von Parteilichkeit vom Einsatz für die gute Sache. Fragt man sie, was an der guten Sache denn so gut sei, woran man sie erkennt und wer das definiert, erfährt man nicht viel mehr als das, was in der Zeitung steht. Damit schließt sich der Kreis: Der Journalist wird zum Parteiarbeiter und lebt von der Wiederholung dessen, was er selbst in die Welt gesetzt hat.

    Verloren geht damit das Wichtigste, der Abstand. Distanzlosigkeit „rein als solche“, sagt Max Weber, sei eine der Todsünden des Politikers und eine jener Qualitäten, deren Züchtung den intellektuellen Nachwuchs zur politischen Unfähigkeit verurteilen werde. Diese Sünde wird nicht nur von Politikern begangen, sondern auch von all den Journalisten, die ihnen aus der Hand fressen. Mit einem großen Unterschied jedoch: Dem Politiker kann es egal sein, ist es ja auch egal, wie viele Bürger noch zur Wahl gehen oder nicht. Denn der Umfang der Beute, auf die er es abgesehen hat, die Zahl der Ämter und Mandate, bleibt immer gleich. Sie ist unabhängig von der Teilnahme und der Mitwirkung der Bürger.

    Anders die Presse. Sie lebt davon, daß sie gelesen, jedenfalls gekauft wird. Wenn ihr die Leser davonlaufen, macht sie etwas falsch. Um es besser zu machen, sollte sie sich daran erinnern, daß Leser unterrichtet statt bevormundet, daß sie belehrt, aber nicht erzogen werden wollen; geschurigelt schon gar nicht. Sie mögen es nicht, wenn man ihnen nur deshalb aufs Maul schaut, um es ihnen gründlich zu stopfen. Kommt man ihnen so, dann wandern sie dorthin ab, wo sie den Mund noch auftun können. Zur Konkurrenz also, ins Internet.

    Konrad Adam, Zeitungskrise. Hochmut kommt vor dem Fall, in: Junge Freiheit vom 11. Oktober 2014

  7. „In short, economics on the blogs is less about formal proofs and more about combining economics, politics, psychology, history, and law to give useful advice. Adam Smith, David Hume, John Stuart Mill, Fredrick Bastiat–they would have understood the debate on the blogs much better than what goes on in the journals–I mean not simply that the journals are technical but that these economists would have understood the practice of blogging and recognized it as being much closer to what they were doing. Thus, I refer to economics blogging as The Return of Political Economy.“

    Alex Tabarrok, What’s the relationship between the economics blogosphere and academic economics?, in: Quora

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