Veränderte technische Rahmenbedingungen
In den Anfangszeiten des Rundfunks waren technisch bedingt sowohl die Frequenzen für Radio- als auch die Sender für Fernsehprogramme deutlich stärker beschränkt als heute. Zudem waren die Produktion und Sendung von Inhalten wesentlich kostenintensiver als dies heutzutage der Fall ist. Eine öffentliche Regulierung der Sendeplätze und Frequenzen stellte somit eine sinnvolle Maßnahme zur Verhinderung monopolistischer Strukturen dar. Zudem konnte unter den damaligen technischen Gegebenheiten niemand, der ein entsprechendes Gerät besaß, vom Konsum des ausgestrahlten Programms ausgeschlossen werden. Eine Finanzierung des Rundfunks war daher nur durch öffentliche Gebühren möglich, die mit staatlichen Zwangsmitteln in Form einer geräteabhängigen Gebühr erhoben wurden.Mit der technischen Entwicklung ist eine wettbewerbliche Organisation des Rundfunkmarktes möglich, da die Bereitstellungskosten seit Mitte der 1980er Jahre erheblich gesunken sind. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann somit nicht mehr mit der Verhinderung von monopolistischen Strukturen begründet werden. Im Gegenteil hat sich sein Wirken so weit ausgebreitet, dass er als gebührenfinanzierte Institution auf manchen Märkten in direkter Konkurrenz zu privaten Medien-Unternehmen steht.
Zudem ist es heutzutage möglich, Konsumenten von der Nutzung von Inhalten auszuschließen wie Angebote von Video-on-Demand Plattformen und Pay-TV zeigen. Damit entfällt aus ordnungspolitischer Sicht ein wesentliches Argument für die öffentliche Finanzierung. Zumal eine klare Differenzierung der Nutzungsmöglichkeiten nach der Verfügbarkeit von Empfangsgeräten und entsprechende finanzielle Belastung der Konsumenten nicht mehr möglich ist, weil dieselben Inhalte über verschiedene Kanäle (Fernsehen, Internet) und über verschiedene Geräte (Smartphones, Laptops etc.) abgerufen werden können. Diesem Umstand versuchte der Staat durch die Reform der Finanzierung im Jahr 2013 Rechnung zu tragen: Die geräteabhängige Gebühr wurde durch einen haushaltsabhängigen Pauschalbetrag – den Rundfunkbeitrag – ersetzt. Damit wurde zugleich die Ausweichoption abgeschafft und grundsätzlich unterstellt, dass jeder Haushalt nicht nur ein Empfangsgerät besitzt, sondern die öffentlich-rechtlichen Angebote auch nutzt.
Freier Zugang
Obwohl die technischen Möglichkeiten einen Ausschluss ermöglichen, kann dieser dennoch gesellschaftspolitisch unerwünscht sein. Dies legt zumindest das Ziel des freien Zugangs zu vertretbaren Kosten nahe. Allerdings folgt daraus keine nutzungsunabhängige Finanzierung. Vielmehr legt dies nur nahe, eine finanzielle Überforderung durch Nutzungsgebühren auszuschließen. Insofern ist die Befreiung von bedürftigen Personen von der Rundfunkgebühr konsequent. Diese könnte allerdings auch bei privater Bereitstellung über eine entsprechende Berücksichtigung in den Sozialleistungen erfolgen.
Bildungsauftrag
Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird explizit ein Bildungsauftrag zugeschrieben. Die Rundfunkanstalten sollen zu freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung beitragen und die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft erfüllen. Ein Ausschluss kann demnach unerwünscht sein, wenn davon auszugehen ist, dass andernfalls die Inhalte nicht in einem gesellschaftlich erwünschten Maß nachgefragt würden.
Die dahinter stehende Argumentation unterstellt, dass der Bürger keine mündige Entscheidung hinsichtlich seines Medienkonsums treffen kann. Diese Entmündigung des Bürgers ist in einer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaftsordnung aber nicht begründbar. Schließlich setzt die Demokratie mündige Bürger voraus, die in Wahlentscheidungen die Politiker für einen begrenzten Zeitraum legitimieren. Aber auch, wenn man die Bevormundung der Bürger kurzfristig akzeptiert, wäre die öffentliche Bereitstellung nur begrenzt geeignet, den Bildungsauftrag sicherzustellen. Konsequenterweise müsste jeder Haushalt zum Konsum der als notwendig erachteten Sendungen verpflichtet werden.
Meinungsvielfalt, Nischenangebote…
Unter Bezug auf den Bildungsauftrag wird eine öffentliche Bereitstellung des Rundfunks häufig auch damit begründet, dass entsprechende Inhalte über einen wettbewerblichen Markt nicht angeboten würden. Dies folgt der Argumentation, dass private Angebote nicht dem Qualitätsaspekt der Vielfalt gerecht würden und dass diese Lücke vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschlossen werden müsste. Werbefinanzierte private Sender orientierten sich an den Zuschauerquoten, da diese die Einnahmen bestimmen. Nun gebe es Sendungen, die nur von einem so kleinen Publikum konsumiert würden, dass die Werbeeinnahmen nicht zur Deckung der Kosten ausreichen würden. In der Folge würden die Nischenprogramme nicht bedient, obwohl die Nutzer der Nische durchaus bereit wären dafür zu zahlen. Ein entsprechendes Angebot könnte über eine nutzungsabhängige Finanzierung bereitgestellt werden – etwa über Pay-TV. Eine Finanzierung über den Rundfunkbeitrag würde einer Subventionierung durch alle Haushalte gleichkommen. Es ist zumindest fraglich, ob die damit verbundene Umverteilung den allgemein anerkannten Umverteilungsgrundsätzen des Steuer- und Sozialrechts folgt.
…und Duplikate
Zudem bieten die öffentlich-rechtlichen Sender ein Vollprogramm, das neben Nischenprodukten auch Unterhaltungssendungen, wie sie von privaten Sendern produziert werden, umfasst. Der Anspruch an Vollständigkeit scheint noch aus Zeiten der begrenzten Sendekapazitäten zu bestehen. Aus heutiger Sicht wird eine öffentlich finanzierte Duplizierung eines Programms, das bereits durch private Sender angeboten wird, als ineffizient bewertet. Dass das Angebot der öffentlichen Sender über die Mindestversorgung mit einem Nischenangebot hinausgeht, wird teilweise mit dem sogenannten ,Lead-in- Effekt’ begründet. Unterhaltungssendungen sollen den Sender für den Zuschauer interessant machen, der dann wie nebenbei auch die ,gewünschten’ Informations- und Bildungsangebote schaut. Die Zeiten, in denen sich die Familien auf dem Sofa einfanden, um gemeinsam zuerst die Nachrichten und dann das anschließende Unterhaltungsprogramm zu schauen, scheinen aber mindestens seit Erfindung der Fernbedienung und spätestens seit dem Internetangebot von Fernsehsendungen überholt. Es ist zudem ein recht paternalistischer Gedanke, dass der Konsument gekapert werde müsse, um so zum Konsum der ,richtigen’ Sendungen verleitet zu werden. Zumal auch ein nicht unerheblicher Anteil des öffentlich-rechtlichen Fernsehens werbefinanziert ist und damit denselben Gesetzmäßigkeiten unterworfen ist, wie das private Angebot.
Qualität und Informationsasymmetrien
Als Argument für die staatliche Bereitstellung von Nachrichten- und Informationssendungen wird vorgebracht, dass deren Qualität von Nutzern nicht bzw. nur zu sehr hohen Kosten erfasst werden könne. Dies betrifft zum Beispiel die Vollständigkeit und Unabhängigkeit der Berichterstattung. Dieselben Informationskosten bestehen allerdings auch in einem öffentlich-rechtlichen System. Polit-ökonomisch ist nicht davon auszugehen, dass ein gebührenfinanziertes System zwingend dazu führt, dass die dort handelnden Akteure keine eigenen Interessen verfolgen. Die Nutzer werden also auch in einem öffentlich-rechtlichen System die Qualität der Information bewerten müssen.
Fazit
Den Ergebnissen der obigen Analyse folgend scheint eine Überprüfung der Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geboten, ebenso wie eine Anpassung des Programmangebots an die heutigen technischen Gegebenheiten.
Hinweis: Gutachten zu dem Thema finden sich u.a. bei: Monopolkommission (2006): XVI. Hauptgutachten; Kirchhof, Prof. Dr. Dres. h.c. Paul (2010): Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (2014): Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung; Prometheus – das Freiheitsinstitut gGmbH (2015): Eine liberale Rundfunkordnung für die Zukunft
Blog-Beiträge zum Thema:
Kai Konrad, Marcel Thum und Christian Waldhoff: Dringender Reformbedarf
3 Antworten auf „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk (2)
Wie zeitgemäß sind seine Aufgaben?“