Was früher undenkbar gewesen wäre, ist heute aufgrund der neuen Kommunikationsmittel schnell und einfach möglich: Tauschen und gemeinsames Nutzen von Gegenständen wird nicht mehr nur im kleinen Kreis zwischen Freunden und Familienmitgliedern durchgeführt, sondern auch im größeren Kreis und mit Fremden. Internet und Smartphones ermöglichen eine neue Kultur des Teilens: Bohrmaschinen werden verliehen, Autos werden von mehreren Personen genutzt, Sofas und leer stehende Zimmer als Übernachtungsmöglichkeiten angeboten. Die Grundidee der Sharing Economy ist eine zutiefst ökonomische: Es geht um den sparsamen Umgang mit knappen Ressourcen. Die Koordination kann dabei über Kommunikationsplattformen wie facebook laufen oder gezielt von kommerziellen Anbietern vermittelt werÂden. Einer dieser Anbieter ist der Fahrdienstvermittler Uber. Über eine App vermittelt Uber Fahrgäste an Mietwagen mit Fahrer (UberBlack) und an private Fahrer (UberPop). Das in San Francisco gegründete Unternehmen bietet seine Dienste seit Anfang des Jahres in Deutschland an. Im Juni dieses Jahres haben Taxifahrer in Berlin und anderen europäischen Städten zu Demonstrationen gegen diese neue Konkurrenz aufgerufen. Vor Gericht erwirkten sie Fahrverbote gegen private Uber-Fahrer. Ein abschließendes gerichtliches Urteil über ein Verbot von Uber oder darüber, in welchem Rahmen Uber seine Dienste anbieten darf, steht noch aus.
Für die Taxifahrer hingegen ist der Fall eindeutig: Sie bekommen Konkurrenz von einem Anbieter, der FahrÂdienstleistungen deutlich günstiger anbietet. Taxiunternehmen unterliegen als Teil des Öffentlichen Personennahverkehrs starken Reglementierungen. Dies betrifft die Zulassungen ebenso wie die Ausübung des Taxidienstes und die Preise. In den allermeisten Städten ist die Anzahl an Konzessionen so beschränkt, dass Personen teilweise jahrelang auf Zulassungen warten, bevor sie als Taxifahrer tätig werden können. Außerdem müssen sie neben einem polizeilichen Führungszeugnis, ein punkteloses Konto in Flensburg sowie einen Personenbeförderungsschein (der alle fünf Jahre erneuert werden muss) vorweisen. Letzterer umfasst auch eine Prüfung der Ortkenntnisse des Fahrers. Zudem bestehen, wie für andere Verkehrsbetriebe, eine Tarifbindung und eine Beförderungspflicht. Die privaten Uber-Fahrer hingegen unterliegen keiner Tarif- oder Beförderungspflicht und benötigen keinen Personenbeförderungsschein. Entsprechend können sie Fahrdienste zu günstigeren Preisen anbieten. Die Taxifahrer fordern daher ein Verbot des Uber-Dienstes oder zumindest eine gleiche Anwendung der geltenden Regularien auch auf den Wettbewerber.
Bestehende Regularien auf dem Prüfstand
Der Markteintritt eines innovativen Konkurrenten in einen stark reglementierten Markt bietet umgekehrt aber auch einen Anlass, die bestehenden Reglementierungen zu überdenken. Aus ökonomischer Sicht muss sich ein Eingriff in den Markt mit einem andernfalls zu erwartenden Marktversagen begründen lassen. Nur wenn der Markt nicht zu einer effizienten Allokation führt, kann eine staatliche Regulierung zu einer Wohlfahrtssteigerung führen.
Die Mengenbeschränkung des Taximarktes durch Konzessionierung wird damit begründet, dass nur so die wirtschaftliche Stabilität der Taxibetriebe und die Qualität der Dienstleistung gesichert werden könne. Es wird befürchtet, dass es durch eine Marktöffnung zu so starkem Wettbewerbsdruck käme, dass die Taxiunternehmen nicht mehr kostendeckend arbeiten könnten. Anstatt aus dem Markt auszutreten, würden sie versuchen die Kosten zu reduzieren, was eine abnehmende Qualität des Services zur Folge hätte (etwa seltenere Fahrzeugreinigungen und ein älterer Fuhrpark). Verfolgen alle Anbieter diese Strategie, entstünde unter Umständen eine Spirale geringerer Preise und schlechterer Qualitäten. Dieser als „ruinöse Konkurrenz“ bezeichnete Spezialfall tritt in erster Linie in Märkten mit hohen Fixkosten auf. Dort reagieren Anbieter nur verzögert auf Nachfragerückgänge, weil sie im Falle des Marktaustritts Investitionen verlieren. Im Taximarkt hingegen bestehen nur relativ geringe Fixkosten. Es erscheint daher wenig einleuchtend, warum hier die Anpassung an die veränderte Nachfrage nicht durch gewöhnliche Marktaustritte erfolgen sollte. Der staatliche Schutz der im Markt etablierten Unternehmen vor normaler Konkurrenz lässt hingegen negative Folgen erwarten. Der geringe Konkurrenzdruck reduziert die Anreize zu qualitätssteigernden Innovationen und Kostenreduktionen und verhindert geringere Preise bei gleicher Leistung.
Die Tarifbindung des Taximarktes soll eine Übervorteilung der Fahrgäste durch zu hohe Preise sowie das AusÂnutzen von Notlagen verhindern. Sie verhindert aber gleichzeitig auch sinkende Preise bei großem Angebot und dass sich unterschiedliche Betriebskosten zum Beispiel durch das Automodell in den Preisen widerspiegeln. Es unterbleibt also die Ausbildung unterschiedlicher Preis-Qualitäts-Kombinationen. In Verbindung mit der Mengenbeschränkung des Marktes in Form von Konzessionen werden die Marktprozesse auf dem Taximarkt weitgehend ausgeschaltet. Eine weniger restriktive Regulierung bestünde in Form von Höchstpreisen. Diese würde auch dem Verbraucherschutz gerecht werden.
Sicherheit für Kunden und Fahrer
Während Kunden Preis und Komfort vor Fahrtantritt leicht überprüfen können, ist für sie die Beurteilung der Sicherheit während der Fahrt zu diesem Zeitpunkt nur schwer möglich. Da es sich bei Taxifahrern wie auch bei Uber-Fahrern für gewöhnlich um fremde Personen handelt, ist es für den Kunden von Bedeutung, dass er eine qualitätssichernde und das Geschehen überwachende Institution hinter den Fahrern weiß. Auf dem Taximarkt bewahrt die Taxizentrale den Überblick über die Fahrer und weist diese den Kunden zu. So wird sowohl für die Kunden als auch für die Fahrer eine gewisse Sicherheit gewährleistet. Aufgrund der hohen und fluktuierenden Anzahl von Fahrern bei Uber erscheint eine solche Dokumentation und Kontrolle schwieriger. Allerdings ist heute sowohl die Kommunikation als auch die Bewegungsverfolgung dank neuer Technologien wesentlich einfacher. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass Uber ein Bild des Fahrers zur Identifikation an den Kunden übermittelt und dass der Kunde Bilder von Kennzeichen, Auto und Fahrer an Freunde mitteilen, sein Ziel bekannt geben und – sofern erwünscht – sogar permanent seinen Standort mitteilen kann.
Individuelle Qualitäten als Wettbewerbsvorteil
Der Sicherheitsaspekt taucht auch in der Diskussion um die Notwendigkeit des Personenbeförderungsscheins auf. Im Gegensatz zu Uber-Fahrern müssen Taxifahrer ihre körperliche Tauglichkeit und ihre Ortskenntnisse durch einen solchen Schein nachweisen. Die Fahrfähigkeiten eines Fahrers, seine Orts- und Streckenkenntnisse sowie der technische Zustand seines Fahrzeugs lassen sich für den Fahrgast in der Praxis nicht einschätzen. Ohne eine vertrauenswürdige Zertifizierung über diese Qualitätskriterien würde der Fahrgast sich nur nach dem Preis und damit für das günstigere Angebot entscheiden. Bei einem höheren Preis könnte er sich nicht sicher sein, ob er auch tatsächlich den Fahrer mit der besseren Fahrtauglichkeit, den besseren Ortskenntnissen oder dem verlässlicheren Gefährt erhalten würde. In der Folge würde kein Anbieter mehr in bessere Ortskenntnisse oder Fahrsicherheitstrainings investieren und gute Qualitäten anbieten, da diese mangels Überprüfbarkeit nicht durch höhere Verdienste entlohnt würden (adverse Selektion). Aus ökonomischer Sicht kann diese Folge asymmetrischer InformationsverÂteilung zwischen dem Fahrgast und dem Fahrer einen Eingriff in den Markt rechtfertigen. Allerdings tritt der Staat bereits in vielfacher Weise als Garant bestimmter Mindestqualitäten auf: Regelmäßige TÜV-Kontrollen sichern Standards der Fahrzeugsicherheit, der normale Führerschein verspricht ein Mindestmaß an Fahrkönnen und Kenntnisse der Verkehrsregeln. In dem hier vorliegenden Fall soll der Personenbeförderungsschein die besondere Eignung eines Fahrers signalisieren. Die wichtigsten Bestandteile sind dabei arbeitsmedizinische Tests, die Stresssituationen sowie das Reaktions-, Wahrnehmungs- und Sehvermögen betreffen. Ob zusätzlich auf einen solchen Test bestanden werden sollte, ist letztlich eine politische Entscheidung. Zumindest der Nachweis von Ortskenntnissen kann in Zeiten von Navigationssystemen jedoch als überholt gelten. Eine diskussiÂonswürdige Alternative besteht in der freiwilligen Zertifizierung des Fahrers bezüglich bestimmter Kriterien. Darunter können neben dem arbeitsmedizinischen Test auch Fahrsicherheitsprüfungen fallen. AnÂhand dieser Kriterien können sich die Fahrdienstleister voneinander abgrenzen. Der Kunde kann dann bei seiner Wahl eines Unternehmens oder eines Fahrers diese Qualitätskriterien heranziehen. Zusätzlich ermöglichen Apps eine individuelle Bewertung der Fahrer durch die Kunden. Solche Apps finden zunehmend auch im Taximarkt Anwendung und zeigen den Bedarf der Fahrer sich durch Qualitätssignale abzuheben.
Alte Märkte – Neue Wettbewerber
Offiziell soll die bestehende Regulierung des Taximarktes die Sicherheit der Fahrgäste und die Qualität der Dienstleistung sicherstellen, indem durch zentrale Vorgaben Informationsasymmetrien und ihre negativen Auswirkungen reduziert werden. Neue Kommunikationsmittel machen diese Regulierungen teilweise überflüssig, da sie eine Vernetzung der Konsumenten und Anbieter sowie eine breite Informationsverfügbarkeit und Reputationsmechanismen ermöglichen. Der Taximarkt ist damit einer von mehreren Märkten, die sich auf neue Konkurrenz einstellen müssen. Dies betrifft beispielsweise auch Hotels, die Konkurrenz von privaten Anbietern bekommen. Für die Konsumenten kann dies ein breiteres Angebot bedeuten. Für die Politik kann dies ein Anlass sein, bestehende Regularien zu prüfen.
Dieser Text ist zugleich als Ausgabe Nr. 11/2014 der Reihe Ordnungspolitischer Kommentar des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln und des Otto-Wolff-Instituts für Wirtschaftsordnung erschienen.
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Giorgio V. Müller: „Unternehmen haben noch Mühe mit dem Teilen“, in: NZZ vom 13. November 2014