Krankenhausstrukturgesetz – der Weg zu einer neuen Form der Krankenhausversorgung?

Die gesetzgeberische Aktivität in der Gesundheitspolitik ist gegenwärtig sehr ausgeprägt. Neben dem Versorgungsstärkungsgesetz, dem E-Health-Gesetz und dem Präventionsgesetz gewinnt gerade der Entwurf für ein Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) an öffentlicher Wahrnehmung. Auf den Punkt gebracht stehen folgende Kernelemente im Zentrum der Gesetzgebung:

  • Sowohl bei der Krankenhausplanung als auch bei der Vergütung der Krankenhausleistungen soll die Qualitätstransparenz erhöht werden und anhand von Qualitätsindikatoren Qualitätsorientierung berücksichtigt bzw. belohnt werden.
  • Weiterhin sollen Anreize gesetzt werden, zum Teil regionale ungünstige Krankenhausstrukturen zu optimieren, etwa durch Kapazitätsbündelung und damit einhergehenden Spezialisierungseffekte zu nützen.
  • Eingebettet sollen diese Struktur- und Qualitätsmaßnahmen im Kontext des Zielkriteriums einer Weiterentwicklung einer bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung sein.
  • Die Heterogenität zwischen den Landesbasisfallwerten, d. h. der Preiskomponente im DRG-System wird reduziert und Kappungsgrenzen unter- bzw. oberhalb eines virtuellen bundeseinheitlichen Basisfallwerts festgelegt.

Vor diesem Hintergrund werden mit dem Krankenhausstrukturgesetz sowohl eine Rationierungsthematik, d. h. die Auseinandersetzung mit der Frage notwendiger medizinischer Ressourcen als auch eine Rationalisierungsfrage bezüglich des Kosten-Qualitätsimputs gestellt. Ein Blick auf einzelne Strukturdaten des Krankenhaussektors einerseits als auch die Frage nach den Entwicklungstendenzen andererseits lassen den Hintergrund der gesundheitspolitischen Diskussionen deutlicher werden. Beim ersten Punkt lässt sich festhalten, dass die rund 2000 stationären Krankenhauseinrichtungen 2014 für mehr als 97 % der Bevölkerung in weniger als 20 Minuten Fahrzeit zu erreichen sind, somit im internationalen Vergleich die Erreichbarkeit stationärer Versorgung hoch ist.  Gleichzeitig schreiben mehr als 40 % der Krankenhäuser Verluste und sind vor diesem Hintergrund nur noch eingeschränkt investitionsfähig (vgl. Augurzky et. al. 2014, S. 9). Somit gewinnt die Frage nach der zukunftsfähigen Krankenhausinfrastruktur sowie nach den notwendigen und letztendlich umsetzbaren Qualitätsergebnissen eine wachsende Bedeutung. Die Analyse der Bedarfsentwicklung für Krankenhausleistungen zeigt dabei eine kontinuierliche Tendenz auf. Einerseits gewinnen ambulant durchgeführte Leistungen an Bedeutung, die grundsätzlich sowohl in der überkommenen ambulanten als auch stationären Versorgungsstruktur durchgeführt werden können. Andererseits konzentriert sich die Elektivnachfrage zusehends auf spezialisierte Versorgungsanbieter, was bei unspezifischen Grund- und Regelversorgungskrankenhäusern, die häufig in der Fläche zu finden sind, die Auslastung wiederum in der Tendenz negativ beeinflusst.

Ein Blick auf das Zusammenspiel zwischen der Nachfragesituation im Krankenhaussektor und der Art der Produktionsbedingungen hilft hier einen besseren Überblick zu erhalten. Der Bedeutungszuwachst von chronischen Krankheiten ist dabei der wesentliche Treiber der Bedarfs- und Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen. In Kombination mit dem medizinisch-technischen Fortschritt steigt etwa die Komplexität pro Fall im Durchschnitt an. So lässt sich im Krankenhaus allgemein festhalten, dass die medizinischen Fallschweren bei gleichzeitiger rückläufiger Verweildauer und einhergehender (leichter) Reduktion belegter Betten sowohl auf eine Arbeitsverdichtung pro Fall als auch auf eine Zunahme komplexer Fälle hinweisen (vgl. etwa Bölt 2014, S. 293 ff.). Medizinische Angebotsstrukturen sind daher, unabhängig davon ob sie formal ambulant oder stationär eingeordnet werden, einer stärkeren interdisziplinären wie intradisziplinären Arbeitsteilung ausgesetzt, da bei chronischen Patienten das Zusammenwirken am Patientenfluss dominiert. Dabei gilt allgemein, dass die medizinische Wertschöpfung sowohl einem Prozesscharakter (aufeinanderfolgende Prozessschritte) als auch dem Prinzip der Gleichzeitigkeit der Mitwirkung folgt (Simultanität der Prozessschritte) (vgl. dazu etwa Schneider 2013, S. 115 f.). Gerade das Zusammenwirken von Patient und Leistungserbringer sind ein Beispiel für die letztgenannte Kategorie.

Die Managementkonsequenzen sind ohne Einschränkung der Allgemeinheit mit zwei Basisstrategien zu charakterisieren, die in den letzten Jahren als Musterstrategie den Krankenhaus umreißen können. Einerseits wird mit gegebener Budgetgröße, das DRG-Fallkostenbudget ist mit der Festlegung der Planmengen für ein Jahr pro Krankenhaus im Grundsatz gegeben, die Bedeutung einer besseren Auslastung der Kapazitäten im Krankenhaussektor relevant. Vor dem Hintergrund der hohen Personalkostenanteile spielen somit Economies of Scale eine wesentliche Rolle, was aber wiederum voraussetzt eine Größenstrategie mit den richtigen Fällen durchführen zu können. M. a. W. liegt eine Spezialisierungstendenz des Krankenhauses auf Klinik oder auch Indikationsebene auf der Hand, die voraussetzt Einweiserströme bzw. Patientenströme zu optimieren. Andererseits sind Strategien zur Verbundbildung notwendig, um beispielsweise Vorhaltekapazitäten besser allokieren zu können. Auch hier ist die Austauschfähigkeit vorhandener Kapazitäten innerhalb eines Prozess- oder Konzernverbundes die notwendige Bedingung.

Unterstützt nun das geplante Gesetzeswerk diese Managementherausforderung und legt es darüber hinaus Ansatzpunkte für eine ordnungspolitisch belastbare Weiterentwicklung des Krankenhaussektors? Die Antwort fällt eher ambivalent aus. Einerseits ist es durchaus hilfreich, Qualitätsinformationen über Struktur- und  vor allem Indikationsqualität transparenter zu machen, um beispielsweise sowohl den Patienten (Competition on the market) als auch den Krankenversicherungen über selektive Vertragssteuerung (Competition for the market) potenzielle Steuerungsoptionen zu geben. Diese haben aber grundsätzlich keinen Selbstzweck und müssen sich im Lichte einer Effektivitäts- und Effizienzüberlegung legitimieren. Ein jüngeres Papier von Boone and Douven sieht selektivvertragliche Steuerung dann im Vorteil, wenn der Kostenträger ausreichende Qualitätssignale über das Leistungserbringer handeln hat und darüber hinaus Steuerungsoptionen auch durchsetzungsfähig (contractable) wären (vgl. Boone and Douven 2014). Bei beiden Aspekten sind aber im deutschen Kontext der Krankenhaussteuerung deutliche Einschränkungen zu machen. Einerseits gehen Modelle von selektivvertraglicher Steuerung immer von der Annahme aus, Patientenströme können im größeren Rahmen und vor allem für eine längere Zeit per Managementstrategie angegangen werden. Gerade bei chronischen Erkrankungen und wachsender Arbeitsteilung zwischen den medizinisch-pflegerischen Professionen dürfte dies an Bedeutung gewinnen. Gerade aber die deutsche segmentierte Angebotsstruktur setzt aber nur von einer vertikalen Optimierung innerhalb eines Sektors an und adressiert kaum, auch wenn dies durch andere gesundheitspolitische Strategien unterstützt werden soll, eine horizontale Orientierung am Patientenpfad. Darüber hinaus ist die Krankenhaussteuerung formal noch zwischen der Zuständigkeit der Länder für die Kapazitätsplanung (Krankenhausbedarfspläne) und der Verhandlung über die Prozesskosten zwischen Krankenversicherung und Krankenhäusern (DRG-Vergütung) getrennt.

Eine umsetzbare Steuerungsidee, die eine Einheit von Information, finanzieller Steuerung und ökonomischer Verantwortung für induzierte Kosten und Erlöse verknüpft (contractable information) ist somit kaum gegeben. Ein Ansatzpunkt diese Strategien alternativ anzugehen besteht in Ansätzen einer standardisierten qualitätsadjustierten Vergütung gemäß „pay for performance“. Aber hier ist ordnungspolitisch streng zwischen einem standardisierten Ansatz einer Suche nach einer „Quasi-Objektivierung“ von qualitätsadjustierten Vergütungen und selektivvertraglichen Verhandlungslösungen zwischen Krankenversicherungen und Krankenhäusern zu unterscheiden. Soll eine vereinheitliche Form einer qualitätsorientierten Vergütung als Teil der Kollektivversorgung angestrebt werden, zeigt die Literatur dass die notwendige Datenbasis für „pay for performance-Systeme“ noch eher dürftig ist (vgl. Eijkenaar et. al. 2013). Ein wesentlicher methodischer Kritikpunkt an den bisherigen Studien zu P4P liegt in der kurzen zeitlichen wie inhaltlichen Zeitperiode des Messens. Gerade chronische Krankheiten mit erhöhter Arbeitsteilung benötigen Ansatzpunkte für eine Risikoteilung zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern über das Morbiditätsrisiko im Zusammenhang mit dem Patientenpfad.

Neben den noch offenen methodischen Schwierigkeiten einer adäquaten Qualitätsmessung weist der Gesetzentwurf auf die Problematik des Marktaustritts von Krankenhäusern hin. Das deutsche Gesundheitswesen zeichnet sich durch eine im europäischen Vergleich hohe Krankenhausdichte aus, so kommt, wie beispielsweise Leber und Scheller-Kreinsen schreiben (2015, S. 187), die Niederlande mit ähnlicher Bevölkerungszahl wie Nordrhein-Westfalen mit 130 Krankenhäuser aus, in NRW sind es hingegen 400. Auch wenn sich die Krankenhausstrukturen gerade aufgrund der segmentierten deutschen Struktur nicht unmittelbar vergleichen lassen, zeigt dieses Beispiel doch die Problematik einer Gesundheits- und insbesondere Krankenhausplanung, die nicht nachfrage- sondern angebotsseitig ausgerichtet ist. Sowohl der vorgesehene Strukturfonds als auch Anreize zur Spezialisierung regional ungünstiger Krankenhausstrukturen weist darauf hin, Strukturbereinigungen mit den Anreizkonstellationen der Akteure zu verknüpfen, gleichwohl bleibt die grundsätzliche Gefahr von staatlicher Investitionslenkung bestehen. Hier ist die ordnungspolitische Frage zu stellen, welchen Garantieauftrag der Staat zur Gewährleistung des Prinzips einer Grundversorgung auch mit stationären Leistung eigentlich zu erfüllen hätte. Hier gilt es den Hinweis zu setzen, dass eine Interpretation mit dem Umsetzungsbild eines regional definierten Regelleistungsanspruches geführt werden muss. In Anlehnung an Diskussionen in der Literatur lassen sich die Kriterien Verfügbarkeit, Erreichbarkeit und Qualität differenzieren. Darüber hinaus gilt es zwischen medizinisch-standardisierten Bedarf, subjektiv-beeinflusster Patientennachfrage und tatsächliche Inanspruchnahme (Utilisation) zu unterscheiden (vgl. etwa Ozegowski und Sundmacher 2014), da insbesondere bei letzter Kategorie die Zielfunktion des Agenten Arzt berücksichtigt werden muss. Somit setzt eine Regelleistungsdefinition, die es in einem solidarisch-finanzierten Gesundheitssystem normativ geben muss, die Vorgaben eines ex ante Qualitätsstandards voraus. Wie dieser Qualitätsstandard jedoch erreicht wird, ist eine Frage des Wettbewerbsbildes (vgl. Oberender und Zerth 2005, S. 170 ff.).

Vor der Annahme wachsender Heterogenität und  fehlendem zentralen Wissen über die richtige Versorgung stehen somit Krankenhäuser im Wettbewerb um Qualitäten und Kapazitäten. Die Vorgabe einer Mindestqualität im Sinne einer Mindestkapazität tritt daher nur in Regionen auf, wo unzureichende Nachfrage eine Vorhalteinvestition, die mit Kontrahierungszwang verbunden ist, zu einem Kollektivgutphänomen macht. Hier ist es dann staatliche Aufgabe etwa „regionale Versorgungsaufträge“ zu vergeben, etwa auch über Ausschreibungen. Gleichzeitig macht eine Wettbewerbslösung es zwingend notwendig Investitions- und Betriebskostenfinanzierung zu verknüpfen, um Honorierungssysteme als Quasi-Preise für Patienten und Kassen nutzen zu können. Der Fortbestand der dualen Finanzierung ist somit anachronistisch und wird durch die kontinuierlichen sinkenden Fördermittelzusagen der Bundesländer mehr als karikiert. Gleichwohl gilt es auch festzuhalten, dass Krankenhausleistungen nicht grundsätzlich auf Patientenebene sondern auf Indikationsebene differenziert werden müssen, die OP X für den Patienten 1 von Kasse A wird sich zumindest im Regelanspruch aber auch aus Praktikabilitätsgründen nicht von der OP X für den Patienten 2 von Kasse B unterscheiden. Gleichwohl gilt es das ordnungspolitisch fragwürdige Wechselspiel zwischen Krankenhausplanung auf Landesebene und Indikationssteuerung über DRGs, die bundesweit definiert werden, aufzuheben. Hier auf Steuerung über Patienten und einweisende Ärzte zu setzen, eröffnet einen ordnungspolitischen alternativen Weg, der dann auch mit einer Qualitätstransparenz zwingend verbunden ist (vgl. Neubauer und Gmeiner 2015, S. 183 f.). Insofern kann das Krankenhausstrukturgesetz vielleicht sogar ungewollt einen interessanten Impuls setzen.

Literatur:

Augurzky, B.; Beivers, A.; Straub, N.; Veltkamp, C. (2014): Krankenhausplanung 2.0. Endbericht zum Forschungsvorhaben des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek), rwi-Materialien, Heft 84.

Bölt, U. (2014): Statistische Krankenhausdaten: Grund- und Kostendaten der Krankenhäuser 2011, in: Klauber, J.; Geraedts, M.; Friedrich, J.; Wasem, J. (Hrsg.): Krankenhaus-Report 2014, Stuttgart, S. 293- 327.

Boone, J.; Douven, R. (2014): Provider Competition and over-utilization in health care. CPB Discussion Paper | 275.

Eijkenaar, F.; Emmert, M.; Scheppach, M.; Schöffski, O. (2013): Effects of pay for performance in health care: A systematic review of systematic reviews, in: Health Policy 110: 115-130.

Leber, W.D und Scheller-Kreinsen, D. (2015): Marktaustritte sicherstellen. Zur Rolle rekursiver Simulationen bei der Strukturbereinigung im Krankenhaussektor, in: Klauber/Geraedts/Friedrich/Wasem (Hrsg.): Krankenhaus-Report 2015, Stuttgart, S. 187-210.

Neubauer, G. und Gmeiner, A. (2015). Krankenhausplanung am Scheideweg, in: Klauber/Geraedts/Friedrich/Wasem (Hrsg.): Krankenhaus-Report 2015, Stuttgart, S. 175-186.

Oberender, P. und Zerth, J. (2005): Krankenhaus und Sicherstellungsauftrag – ist Sicherstellung für alle möglich?, in: Krukemeyer/Marckmann/Wiesing (Hrsg.): Krankenhaus und soziale Gerechtigkeit, Stuttgart, S.  159-176.

Ozegowski, S. und Sundmacher L. (2014): Understanding the gap between need and utilization in outpatient care – The effect of supply-side determinants on regional inequities, in: Health Policy 114: 54-63.

Schneider, M. (2013). Wertschöpfungsorientierte Arbeitsteilung im Krankenhaus. Effizienzbewertung und Auswahl von Organisationsformen am Beispiel der Pflege. Eine organisationstheoretische Analyse, Bayreuth.

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